Der Bank of America Chicago Marathon wartet bei der 39. Auflage am 9. Oktober 2016 mit einem Elitefeld der absoluten Weltklasse auf und findet damit zurück zu den Zeiten, als der Kurs durch die Windy City zu den besten Adressen in Sachen schneller Zeiten gehörte. Im letzten Jahr verzichtete man nach vielen Ausgaben auf höchstem Niveau erstmals auf Tempomacher und produzierte ein (leistungs)sportliches Desaster. Hatte sich Chicago in den Jahren zuvor durch eine kontinuierliche Verbesserung des Kursrekordes wieder in die Weltspitze der Marathonszene vorgekämpft, zuletzt im Jahr 2013 mit einem großartigen Streckenrekord durch den späteren Weltrekordler Dennis Kimetto(KEN) von 2:03:45, so verlief das Rennen im letzten Jahr ohne Pacemaker recht enttäuschend. Fast im “Jogging-Tempo” erzielte ein gegenüber den Vorjahren weniger hochkarätiges Feld Zeiten, die einem Event der World Marathon Majors kaum noch angemessen erscheinen. Dickson Chumba siegte mit 2:09:25, was mittlerweile in der internationalen Szene kaum noch Normalkost ist; die erste Hälfte hatte man damals in 1:05:12 regelrecht verbummelt.
Was Race Director Carey Pinkowski im letzten Jahr euphemistisch als Steigerung der “Competition” (vor allem vor dem Lauf) feierte, konnte eigentlich niemanden überzeugen. Deshalb ist es umso erfreulicher festzustellen, dass Chicago wieder zu seinen Wurzeln zurückkehrt und ein großartiges Elitefeld am 9.Oktober an die Startlinie im Grant Park versammelt. Topstars dürften der Weltrekordler über die Marathondistanz, der Kenianer Dennis Kimetto (2:02:57, Berlin 2014), sowie die Weltrekordlerin im Halbmarathon, seine Landsfrau Florence Kiplagat (1:05:09, Barcelona 2015), sein. Und beide Ausnahmeathleten werden auf erhebliche Konkurrenz treffen, die in der Tat schnelle Rennen erwarten lassen.
Dennis Kimetto (KEN) will in Chicago nach langer Durststrecke an alte (und schnelle) Zeiten anknüpfen. (c) H. Winter
Um Kimetto war es in letzter Zeit etwas ruhiger geworden, denn der Erfolg schien dem Weltrekordler davongelaufen zu sein. WM-Ausstieg in Beijing 2015, kurz danach Aufgabe in Fukuoka, in London keine Topplatzierung mit schwacher Zeit und kürzlich Aufgabe beim Halbmarathon in Bogota. Dabei flog der lang aufgeschossene Kenianer zuvor von Erfolg zu Erfolg. Weltrekord über 25 km in Berlin in 1:11:19 im Jahr 2012, im gleichen Jahr ein großartiges Debüt im Marathon in Berlin in 2:04:16, dann 2013 der Kursrekord in Chicago im Kampf gegen Emmanuel Mutai und 2014 in der gleichen Konstellation an der Spitze in Berlin der Weltrekord von 2:02:57. Für Kimetto könnte Chicago ein wichtiger Meilenstein seiner Karriere werden, da er endlich wieder sein erhebliches Potential in einem Wettkampf umsetzen muss, um sich in der Szene zurück zu melden. Auch auf eigenen Wunsch fand er im kenianischen Olympiateam für Rio auf Grund der aktuellen Leistungen keine Berücksichtigung.
Zu seinen Konkurrenten wird der Vorjahressieger Dickson Chumba (KEN) zählen, der vor Chicago bereits 2014 den Tokyo Marathon gewann und im gleichen Jahr hinter Kimetto und Emmanuel Mutai Dritter in Bestzeit von 2:04:32 wurde. Tsegaye Kebede (ETH) lief vor vier Jahren in Chicago gleichfalls seine Bestzeit und Streckenrekord von 2:04:38, den ein Jahr später Kimetto unterbot. Unvergessen in Chicago ist ohne Zweifel sein dramatischer Kampf gegen Sammy Wanjiru, wo es auf den letzten Meilen um den Gesamtsieg der World Marathon Majors Serie (und damit 500.000 US$) im Jahr 2010 ging. 2008 gewann er bei Olympia in Beijing Bronze und errang vielfältige Siege, wie z.B. beim London Marathon. In letzter Zeit musste man allerdings den Eindruck gewinnen, dass seine besten Zeiten langsam dem Ende entgegengehen.
Mit Abel Kirui (KEN) ist der zweifache Weltmeister der Jahre 2009 und 2011 am Start. Abel gewann zudem die Silbermedaille 2012 bei den Olympischen Spielen in London. Die Bestzeit von 2:05:04 in einer sehr wechselvollen Karriere, die unter der Betreuung des Detmolders Volker Wagner begann, lief er bereits im Jahr 2009 beim Rotterdam Marathon. Beim Tokyo Marathon im Februar 2016 lief er noch einmal beachtliche 2:08:06, womit er Fünfter wurde.
Micah Kogo (KEN) war auf der Bahn der sechstschnellste Athlet aller Zeiten in 26:35:63, was er im Marathon nur bedingt bisher umsetzen konnte. 2013 wurde er in Chicago in 2:06:56 Vierter, das ist bis heute seine Bestzeit. Stephen Sambu (KEN/USA) gehört zu den Besten bei den Straßenrennen in den USA und wird in Chicago sein mit hohen Erwartungen verknüpftes Debüt über die volle Marathondistanz geben. Seine Leistungen auf den Unterdistanzen sind in der Tat beachtlich: über 8 km hält er in 22:01 den Weltrekord, seine Bestzeiten über 10000 m und Halbmarathon betragen 26:54,61 bzw. 1:00:16. Die letzte Zeit lief er im März 2016 bei seinem Debüt als Sieger des New York City Halbmarathon.
Weiterhin auf der Liste der Eliteathleten finden sich Gideon Kipketer (KEN), der 2012 in Amsterdam 2:08:14 lief, sowie Luke Puskedra (USA), der seine Bestzeit vom letzten Jahr in Chicago von 2:10:24 steigern möchte. Für das US-Olympia-Team konnte sich der groß gewachsene Puskedra bei den Hitze-Trails in Los Angeles nicht qualifizieren. Ein zahlreiches japanisches Kontingent umfasst Koji Gokaya (2:09:21), Takuya Fukatsu (2:09:31), Kazuya Ishida (2:11:57) und Ryoichi Matsuo (2:12:11). Dazu kommen einige starke US-Läufer wie Nick Arciniaga, Tim Young und Diego Estrada, der 2015 im Halbmarathon in 1:00:51 zum US-Titel lief.
Florence Kiplagat ist die “Titelverteidigerin” in Chicago. (c) H. Winter
Bei den Frauen ist Florence Kiplagat die Topfavoritin, die bereits im letzten Jahr in Chicago in 2:23:33 gewann. Das ist sicher nicht ihr ganzes Leistungspotential, wenn man auf ihre Halbmarathonzeit von 1:05:09 schaut, die nach wie vor Weltrekord bedeuten. 2011 konnte Florence, die vom Laufguru Renato Canova trainiert wird, in Berlin mit 2:19:44 die Schallmauer von 2:20 Stunden unterbieten.
Konkurrenz wird Kiplagat vor allem von Atsede Baysa (ETH), Valentine Kipketer (KEN) und Gulume Chala (KEN) erwachsen. Baysa ist in Chicago zum vierten Mal dabei und gewann in Chicago bereits 2010 und 2012. Im April lief sie ein großartiges Rennen in Boston und gewann. Auch in Paris (zweimal), Istanbul, Xiamen und bei der Premiere in Saitama war sie die Siegerin. Sie könnte in Chicago ein “Triple” schaffen. Kipketer ist nach Siegen in Amsterdam und Mumbai zum ersten Mal in Chicago am Start. Ihre Bestzeit von 2:23:02 lief sie in Amsterdam. Und Gulume Chala gewann 2015 in Frankfurt mit persönlicher Bestzeit von 2:23:12.
Liste der Eliteathleten: | ||
Dennis Kimetto | KEN | 2:02:57 |
Dickson Chumba | KEN | 2:04:32 |
Tsegaye Kebede | ETH | 2:04:38 |
Abel Kirui | KEN | 2:05:04 |
Micah Kogo | KEN | 2:06:56 |
Gideon Kipketer | KEN | 2:08:14 |
Koji Gokaya | JPN | 2:09:21 |
Takuya Fukatsu | JPN | 2:09:31 |
Luke Puskedra | USA | 2:10:24 |
Elkanah Kibet | USA | 2:11:31 |
Kazuya Ishida | JPN | 2:11:57 |
Ryoichi Matsuo | JPN | 2:12:11 |
Stephen Sambu | KEN | Debüt |
Daniel Wallis | NZL | Debüt |
Liste der Eliteathletinnen: | ||
Florence Kiplagat | KEN | 2:19:44 |
Atsede Baysa | ETH | 2:22:03 |
Valentine Kipketer | KEN | 2:23:02 |
Gulume Chala | ETH | 2:23:12 |
Serena Burla | USA | 2:28:01 |
Freya Ross | GBR | 2:28:10 |
Jessica Draskau-Petersson | DEN | 2:30:07 |
Tera Moody | USA | 2:30:53 |
Agnieszka Mierzejewska | POL | 2:30:55 |