Yalemzerf Yehualaw (ETH) sorgte bei der zweiten Auflage des P&O Ferries Antrim Coast Half Marathon in Larne (Nordirland) mit dem neuen Weltrekord von 1:03:44 für eine Sensation. Bei windigen Bedingungen an der nordirischen Westküste mit Böen von bis zu 15 km/h lief die 22-jährige äthiopische Topläuferin in einem großen Männerpulk ein grandioses Rennen und unterbot die Bestmarke von 1:04:02, die Ruth Chepngetich erst am 4. April 2021 in Istanbul aufgestellt hatte, um 18 Sekunden und blieb damit als erste Frau unter einer Zeit von 64 Minuten. Das Rennen der Männer gewann in einer Spurtentscheidung der äthiopische Topläufer Yemal Yimer (ETH) in 1:00:30, womit er den Streckenrekord von Mo Farah bei der Premiere im letzten Jahr von 1:00:27 um 3 Sekunden verfehlte.
Yalemzerf Yehualaw steigerte den Weltrekord im Halbmarathon der Frauen auf 1:03:44. (c) BBC-Livestream/Screenshot
Das Rennen der Frauen nahm den im Vorfeld angekündigten Verlauf. Von Anbeginn legte Yehualaw in einer großen Männergruppe ein nahezu aberwitziges Tempo vor. Die ersten Splits von der Strecke bis 3 km waren 2:59, 5:56 und 8:52. Dann kam eine leichte Aufwärtspassage und 5 km wurden in 15:06 gestoppt. Beim (noch nicht ratifizierten) Weltrekord in Istanbul von 1:04:02 waren die Frauen (auch hier war Yehualaw dabei) die ersten 5 km in 15:07 praktisch gleichschnell angegangen. Vane Nyamboke (KEN) lag hier als zweite Frau in 15:38 bereits über eine halbe Minute zurück.
Bis ca. 15 km lief Yehualaw in einem dichten Männerpulk geführt von Roy van Hoornweg und Mohammed Ali als “Hasen”. (c) BB-Livestream/Screenshot
Für das Tempo zeichneten Mohammed Ali (GBR) und Roy van Hoornweg (NED) verantwortlich, wobei van Hoornweg auch bei den Weltrekorden von Jushua Cheptegei diese Funktion ausübte. In einer längeren Gegenwind-Passage an der Küste wurde das Tempo etwas moderater und 10 km wurden in 30:22 erreicht, womit man aber immer fast genau auf den Splits von Istanbul (30:21) lag. Erste Vorzeichen für einen neuen Weltrekord deuteten sich nach 15 km an, die Yehualaw in 45:25 passierte, womit sie 5 Sekunden schneller als die Druchgangszeit in Istanbul war. Hier stieg van Hoornweg nach glänzender Tempoarbeit aus und Ali übernahm in der auf ein Trio geschrumpften Gruppe die Pace.
Mohammed Ali (r) übernahm nach 15 km die alleinige Tempogestaltung. (c) BBC-Livestream/Screenshot
Nach 18 km in 54:20 (Split in Istanbul 54:44) war klar, dass der WR fallen würde. Von einer 150 m langen abfallenden Passage auf das Meeresniveau profitierend lief Yehualaw die letzten 3,0975 km in 9:24 von dort bis ins Ziel, das sie über 1:00:25 bei 20 km in 1:03:44 erreichte. Als aktuelle Irritation bleibt anzumerken, dass ihre Nettozeit mit 1:03:42,5 und ihre Bruttozeit (“gun time”) mit 1:03:43,1 angegen wurden. In den Eregbnislisten findet sich aber – entgegen den Regeln – 1:03:43 als Zeit der Siegerin. Bleibt zu hoffen, dass diese Diskrepanz schnell geklärt wird.
Damit konnte sich Yehualaw mit dem überraschenden Halbmarathon-WR für eine Serie von Enttäuschungen schadlos halten: Bei der HM-WM in Gdingen im Oktober stolperte sie in Führung liegend und wurde nur Dritte, beim WR-Lauf von Istanbul im April verlor sie im Regen von Istanbul kurz vor Ende den Anschluss und wurde in 1:04:40 Zweite, bei den äthiopischen 10.000 m-Olympia-Trials in Hengelo wurde sie nur Vierte und verpasste damit einen Start in Toyko. Zusammenfassend hat der Halbmarathon bei den Frauen eine fulminante Entwicklung genommen, den die vom NN-Team betreute Athletin in neue Dimensionen gehievt hat. Mit schnelleren Schuhen, ausgereiztes Training, etc. scheint die Zeit nicht mehr weit, in der die erste Frau die 21,0975 km im 3 Minuten-Schnitt, d.h. 1:03:18 rennt.
Selbstredend war der Sieg der Äthiopierin hoch überlegen. In 1:09:44, also fast genau 6 Minuten hinter Siegerin, kam Vane Nyamboke in 1:09:44 ins Ziel. Rose Harvey (GBR) wurde in 1:10:28 Dritte. Und auch noch die viertplatzierte Georgie Schwiening (GBR) lag in 1:11:12 noch unter dem Streckenrekord bei der Premiere durch Lily Patridge von 1:11:36. Patridge konnte ihren Titel nicht “verteidigen”, da sie eine Knöchel-Verletzung kuriert, war aber als Reporterin für die BBC vor Ort.
Bei den Männern bestimmte lange eine vierköpfige Spitzengruppe bestehend aus Scott, Yimern Kimining (v.i.) und Akalnew (hinten) das Geschehen. (c) BBC-Livestream/Screenshot
Das Rennen der Männern war weit weniger spektakulär als jenes der Frauen. Bis wenige Tage vor dem Start hatte der Veranstalter in Larne, einige 10 km nördlich von Belfast, gehofft, dass der Vorjahressieger und Superstar der Laufszene Mo Farah wieder an den Start gehen würde. Mo war auch vor Ort, hatte sich aber wegen einer Verletzung entschuldigt. So konzentrierte sich der Kampf um den Sieg auf das Quartett Yemal Yimer, Tesfahun Akalnew (ETH), Marc Scott (GBR) und Shadrack Kimining (KEN). Bei 5 km in 14:18 lag man auf Kurs zu einer Zeit von 1:00:20 und über dem Ziel, unter einer Stunde zu rennen. Doch nach 10 km in 28:54 war sogar der Kursrekord durch Mo Farah von 1:00:27 aus dem Vorjahr kaum noch zu schaffen.
Dann zog die Fahrt allerdings an und mit 43:30 bei 15 km war die Spitze wieder etwas flotter geworden. Aber auch das kurze Gefälle vor 20 km, die man in 57:25 passierte, konnte nicht mehr bei dem Unterfangen, zumindest den Streckenrekord zu unterbieten, helfen. Einige 100 m vor dem Ziel fiel der Brite Scott, der für sein Land über 10.000 m in Tokyo gestartet war, zurück und die Ostafrikaner spurteten um den Sieg. Yimer, der 2018 den Valencia Halbmarathon mit Landesrekord von 58:33 gewann, war am Ende der Schnellste und siegte in 1:00:30, drei Sekunden über dem Kursrekord. Knapp dahiner folgten Akalnew in 1:00:31 und Kimining in 1:00:32. Als Vierter erreichte Marc Scott in 1:00:35 das Ziel.
Der Sieger war wie erwartet “happy with my win” und machte den (starken”) Wind, dafür verantwortlich, dass es am Ende nicht schneller wurde. Diese Ausrede ist durchaus zu akzeptieren, wobei der Wind vermutlich der Äthiopierin beim Lauf zum Weltrekord durchaus geholfen haben mag. Denn in den Gegenwindpassagen lief sie wohl geschirmt in einem dichten Männerpulk. Als diese Gruppe dann auseinanderfiel, gab es ab 15 km heftigen Rückwind und kräftige Unterstützung von “Mother Nature” an der nordirischen Ostküste.
Für die Veranstalter war die Verpflichtung von Yehualaw ein Glücksfall und hat den Event mit eine Schlag auf die internationale Landkarte der Topevents gebracht. Nach Istanbul ist in Sachen Halbmarathon der Frauen ein weiterer “Nobody” in der Weltliga des Straßenlaufs angekommen. Damit wurde der Weltrekord über diese Distanz seit 2017 um über eine volle Minute gesteigert.
Entwicklung des Weltrekords im HM der Frauen seit 2017: | ||||
Peres Jepchichir | KEN | 1:05:06 | Ras Al Khaimah | 10.2.2017 |
Joyciline Jepkosgei | KEN | 1:04:52 | Prag | 1.4.2017 |
Joyciline Jepkosgei | KEN | 1:04:51 | Valencia | 22.10.2017 |
Ababel Yeshaneh | ETH | 1:04:31 | Ras Al Khaimah | 21.2.2020 |
Ruth Chepngetich | KEN | 1:04:02 | Istanbul | 4.4.2021 |
Yalemzerf Yehualaw | ETH | 1:03:44 | Larne | 29.8.2021 |
Halbmarathon – Yalemzerf Yehualaw | |||
1:09:13 | 1. | Rabat | 21.4.2019 |
1:10:26 | 1. | Rabat | 30.8.2019 |
1:06:01 | 2: | Delhi | 20.10.2019 |
1:07:34 | 1. | Xiamen | 8.12.2019 |
1:06:35 | 6. | Ras Al Khaimah | 21.2.2020 |
1:05:19 | 3. | Gdynia (WC) | 17.10.2020 |
1:04:46 | 1. | Delhi | 29.11.2020 |
1:04:40 | 2. | Istanbul | 4.4.2021 |
1:03:44 | 1. | Larne | 29.8.2021 |
Ergebnisse (bitte beachten: es handelt sich hier um aufgerundete Chip-Nettozeiten):