Birhanu Legese (ETH) gewann in 2:04:15 den 14. Tokyo Marathon. Den hart umkämpften dritten Startplatz im japanischen Olympiateam für den Marathon der Männer sicherte sich endgültig Sugura Osako (JPN), der seinen eigenen Landesrekord von 2:05:50 auf 2:05:29 steigerte. Noch spektakulärer war die Siegerzeit von Lonah Salpeter (ISR), die mit 2:17:45 gleichfalls Landesrekord lief und damit zur sechstschnellsten Marathon-Läuferin aller Zeiten wurde.
Die durch die Gefahren der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus stark beeinträchtigte Veranstaltung hatte somit von sportlicher Seite her einen sehr erfolgreichen Verlauf, insgesamt bleiben aber viele unpopuläre Dinge in Erinnerung, die jedoch nicht in der Einflussnahme der Organisatoren lagen. Dem Aufruf, den Rennen am Straßenrand fernzublieben, folgten sichtbar viele Bewohner der Megametropole, trotzdem war das Zuschauerinteresse an vielen Stellen nach wie vor hoch.
Das Echo in der Community der Freizeitläufer auf die Entscheidung, nur die Eliteläufer an den Start zu bringen, war mehr als zwiespältig. Dazu trug sicher auch bei, dass die Tokyo Marathon Foundation bisher sehr stur keine Rückerstattung der Startgebühren vorsieht. Ob das in Sachen Öffentlichkeitsarbeit eine kluge Maßnahme war, wird erst dieZukunft zeigen. Aktuell sind die Rennen der World Marathon Majors derart nachgesucht, dass man sich solche Attitüden (noch) erlauben kann.
Die Spitzengruppen der Männer passieren die 5 km-Marke. (c) Livestream/Screenshot
Mit km-Splits von 2:55 , 2:59, 2:49, 2:57 und 2:52 wurden die ersten 5 km recht ungleichmäßig in 14:32 von einer 15 köpfigen Spitzengruppe absolviert, direkt dahinter folgte in ca. 14:40 eine langgezogene Verfolgergruppe, in der bis 15 Minuten 60 Läufer zu finden waren. Bei 10 km in 29:11 war die Situation fast unverändert, 17 Läufer waren auf Kurs zu einer Zeit von 2:03:09 – also deutlich unter dem Kursrekord von 2:03:58 – bis 29:30 folgten insgesamt 55 Läufer, weitgehend aus Japan. Von japanischer Seite, wo der letzte Startplatz für das Olympiateam anstand, liefen Landesrekordler Suguru Osako (JPN) und Hiroto Inoue (JPN) in der ersten Gruppe, der größte Konkurrent Yuta Shitara (JPN), der Ex-Landesrekordler hatte sich etwas überraschend in die zweite Gruppe einsortiert. Inoue setzte damit seine Absicht aus der Pressekonferenz um, auf 2:04:30 laufen zu wollen.
Über 15 km in 43:58 und 58:41 bei 20 km erreichte die Spitze die Halbdistanz nach 1:02:01 und war damit genau im Regime des Tempos vom Kursrekord. Yuta Shitara lag hier in einem Pulk von 25 Läufer ca. 25 Sekunden zurück. Die äußeren Bedingungen mit Temperaturen um 11°C und 50% rel. Feuchte (Taupunkt 1°C) waren nach wie vor gut, nur ein auffrischender Wind störte nach Aussagen vieler Topläufer. Bei 24 km nach 1:10:24 fiel Osako aus der Spitzengruppe zurück, die kurz darauf 25 km nach 1:13:15 erreichte und dort schon völlig auseinandergefallen war. Mit Kurs auf einer Zeit von 2:03:38 waren neben dem Tempomacher Reuben Kiprop (KEN) nur noch die drei Äthiopier Legese, Sisay Lemma (ETH) und Asefa Mengstu (ETH) vorne.
Bei 30 km in 1:27:42 (Kurs zu 2:03:21) ging der letzte Tempomacher aus dem Rennen und ein Trio bestimmte nun das Geschehen an der Spitze. Bester Japaner war nun Inoue, der in einer zweiten Gruppe mit Bedan Karoki (KEN), El Hassan El Abassi (BHR), Getaneh Molla (ETH) und Bashir Abdi (BEL) lief. Vorne erreichte man 35 km in 1:42:49 mit Kurs auf 2:03:57 – fast auf die Sekunde der Streckenrekord – , dann fiel Mengstu und kurz darauf auch Lemma zurück, und Legese stürmte in Sachen Titelverteidigung Richtung Ziel. Über 1:57:42 bei 40 km mit einem Vorsprung von 17 Sekunden auf den ersten Verfolger Lemma gewann Legese das Rennen in der Welt-Jahresbestzeit von 2:04:15.
Birhanu Legese gewann erneut den Tokyo Marathon. (c) Veranstalter
Hinter dem Sieger kam noch gewaltig Bewegung mit erheblichen Verschiebungen im Ranking in das Feld der Verfolger. Zunächst konnte bei ca. 32 km der japanische Rekordhalter Osako seine leichte Schwächeperiode überwinden und seinen direkten Kontrahenten Inoue ein- und überholen. Zusammen mit dem Belgier Abdi liefen die Beiden durch das Feld der vorderen Läufer, wobei Abdi noch stärker war und am Ende sogar Lemma kurz vor dem Ziel abfing und mit Landesrekord von 2:04:49 Zweiter vor Lemma in 2:04:51 wurde.
Suguru Osako erreicht das Ziel des Tokyo Marathon auf Platz 4. (c) Veranstalter
Dahinter lief Osako ein bravouröses Rennen, wobei er sich – ähnlich wie bei seinem Landsrekord von 2:05:50 beim Chicago Marathon 2018 – immer wieder in die Seite fasste. Bei 35 km in 1:43:36 lag er noch auf Kurs zu einer Zeit von 2:04:53, diese Zeit schmolz zwar dahin, aber über 1:58:51 bei 40 km (Kurs zu 2:05:22) rettete er sich in 2:05:29 ins Ziel, womit er seinen eigenen Landsrekord um 21 Sekunden steigern konnte. Und neben einem so gut wie sicheren Startplatz bei Olympia wurde ihm der neue japanische Rekord (wieder) mit 100 Millionen Yen (ca. 900.000 Euro) versüsst. Er war damit finanziell der eigentliche Gewinner des Rennens. Ferner ist er nun der schnellste Marathonläufer, der nicht aus Afrika stammt.
Suguru Osaka war einer der Gewinner des Tokyo Marathon 2020: Landesrekord, Olympia-Teilnahme, Rekord-Prämie. (c) Livestream/Screenshot
Sein Kontrahent Inoue hatte augenscheinlich mit dem hohen Anfangstempo überzogen und belegte in 2:09:24 nur Platz 26. Doch diese Zeit deutet schon auf eine einmalige Leistungdichte hin. 17 Läufer kamen in einer Zeit von unter 2:08 Stunden ins Ziel, darunter zehn Japaner. Und was diese Zahl ferner bedeutet, kann man daran ermessen, dass der deutsche Rekord im Marathon durch Arne Gabius bei 2:08:33 steht, da waren diesmal in Tokyo in einem Rennen zehn Japaner deutlich schneller … Geholfen haben diesbezüglichsicher die “Siebenmeilen-Stiefel aus Beaverton”. Nach der Analyse des Journalisten Kazuhiro Mazuda trugen 28 der besten 30 Finisher am Sonntag den “Vaporfly” an ihren Füßen.
Auch das Rennen der Frauen war hochklassig, wobei dieses wegen der Hype um das Männerrennen weit weniger Aufmerksamkeit bekam. Eine Spitzengruppe von gut 10 Läuferinnen legte 5 km in 16:27, 10 km in 32:49 und 15 km in 49:17 zurück. Kurz darauf gab es dann eine erste Überraschung, denn eine der Favoritinnen Valery Aiyabei (KEN), die beim Frankfurt Marathon Ende Oktober mit einer Tempohatz in 2:19 Stunden glänzte, schwächelte, lag nach der Hälfte 30 Sekunden zurück und gab das Rennen nach 25 km auf. Mit etwas Verspätung ereilte einer weiteren Mitfavoritin Ruti Aga (ETH) bei 30 km das gleiche Schicksal.
Die Spitzengruppe passierte den Halbmarathon nach 1:09:16 und machte schon hier Hoffnung auf einen neuen Streckenrekord, den Sarah Chepchirchir 2017 mit 2:19:47 aufgestellt hatte. Über 1:22:00 bei 25 km lagen bei 30 km in 1:38:25 noch vier Läuferinnen an der Spitze: Lonah Salpeter, Vorjahressiegerin Birhane Dibaba (ETH), Sutume Kebede (ETH) und Selly Chepyego (KEN). Das Quartett lag mit Kurs auf 2:18:25 im Regime eines neuen Streckenrekords. Schon kurz darauf fiel eine Vorentscheidung, als sich Salpeter und Dibaba mit dem schnellsten 5 km-Split von 15:54 des gesamten Rennens von ihren beiden Mitstreiterinnen lösen konnten und bei 35 km in 1:54:19 einen Vorsprung von einer halben Minute auf Kebede als erste Verfolgerin hatten.
Lonah Salpeter gewann den Tokyo Marathon mit Strecken- und Landesrekord. (c) Veranstalter
Bald darauf konnte Dibaba das Tempo der für Israel startenden gebürtigen Kenianerin Salpeter nicht mehr folgen und die Entscheidung um den Sieg war gefallen. Bei 40 km deutete der Split von 2:10:29 bereits auf eine Zeit von sogar unter 2:18 Stunden hin, Dibaba war bis dort schon um 38 Sekunden zurückgefallen. Salpeter gewann das Rennen in 2:17:45, ein in dieser Qualität nicht erwarteter Kursrekord, ein isrealischer Landesrekord und wie bei den Männern eine Welt-Jahresbestzeit. Auch Birhane Dibaba blieb in 2:18:35 unter dem alten Streckenrekord und Sutume Kebede wurde in 2:20:30 Dritte. Die ansonsten starken japanischen Läuferinnen spielten traditionsgemäß in Tokyo keine Rolle, erst auf Platz 10 lief Haruku Yamaguchi (JPN) in 2:30:31 ins Ziel in der Nähe von Tokyo Station und Kaiserpalast ein.
Ergebnisse Marathon der Männer: | |||
1. | Birhanu Legese | ETH | 2:04:15 |
2. | Bashir Abdi | BEL | 2:04:49 NR |
3. | Sisay Lemma | ETH | 2:04:51 |
4. | Suguru Osako | JPN | 2:05:29 NR |
5. | Bedan Karoki | KEN | 2:06:15 |
6. | El Hassan El Abbassi | JPN | 2:06:22 |
7. | Asefa Mengstu | ETH | 2:06:23 |
8. | Ryu Takaku | JPN | 2:06:45 |
9. | Daisuke Uekado | JPN | 2:06:54 |
10. | Toshiki Sadakata | JPN | 2:07:05 |
11. | Shin Kimura | JPN | 2:07:20 |
12. | Yusuke Ogura | JPN | 2:07:23 |
13. | Yuta Shimoda | JPN | 2:07:27 |
14. | Masato Kikuchi | JPN | 2:07:31 |
15. | Tadashi Isshiki | JPN | 2:07:39 |
16. | Yuta Shitara | JPN | 2:07:45 |
17. | Simon Kariuki | KEN | 2:07:56 |
18. | Amos Kipruto | KEN | 2:08:00 |
19. | Getaneh Molla | ETH | 2:08:12 |
20. | Naoki Okamoto | JPN | 2:08:37 |
Ergebnisse Marathon der Frauen: | |||
1. | Lonah Chemtai Salpeter | ISR | 2:17:45 NR – CR |
2. | Birhane Dibaba | ETH | 2:18:35 |
3. | Sutume Asefa Kebede | ETH | 2:20:30 |
4. | Selly Chepyego Kaptich | KEN | 2:21:42 |
5. | Tigist Girma | ETH | 2:21:56 |
6. | Azmera Gebru | ETH | 2:22:58 |
7. | Senbere Teferi | ETH | 2:25:22 |
8. | Shitaye Eshete | BHR | 2:27:34 |
9. | Shure Demise | ETH | 2:27:42 |
10. | Haruka Yamaguchi | JPN | 2:30:31 |