Mit einem sensationellen Debüt hat sich der ADNOC Abu Dhabi Marathon im Vereinigten Arabischen Emirat Abu Dhabi in die Elite der internationalen Straßenlaufszene katapultiert. Bei Temperaturen von über 20°C liefen die Erstplatzierten Marius Kipserem (KEN) mit 2:04:04 und Abraham Kiptum (KEN) in 2:04:16 absolute Weltklassezeiten. Auch bei den Frauen gab es durch Ababel Brihane Yeshaneh (ETH) in 2:20:16 eine hochklassige Zeit der Siegerin vor Eunice Chumba (BRN) in 2:20:54.
Damit hat sich eine dritte Lauf-Veranstaltung in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Szene gesetzt, die neben dem Dubai Marathon sowie dem Halbmarathon in Ras Al Khaimah in der Weltliga des Straßenlaufs ganz vorne mitspielt. Nichts verdeutlicht dies im Marathon der Männer besser als ein Blick in die aktuelle Welt-Jahresbestenliste, wo auf den ersten 10 Plätzen achtmal Dubai oder nun auch Abu Dhabi zu finden sind. Nur Berlin und Amsterdam “stören” diese Bilanz mit jeweils einer Leistung, wenngleich das in Berlin ein (Fabel-)Weltrekord war.
Das insgesamt recht gut organisierte Rennen – dies kann man in keiner Weise mit den charmanten Defiziten in den Anfängen des Dubai Marathon vor 20 Jahren vergleichen – wurde mit kleiner Verspätung kurz nach 6 Uhr Ortszeit in völliger Dunkelheit bei Temperaturen um 20°C gestartet. Ein wesentlicher leistungshemmender Faktor, die Luftfeuchte, lag etwas günstiger als vorhergesagt, der Taupunkt betrug 14°C. Das ist immer noch für einen Marathon am Limit viel zu hoch, weil dann ca. 40% des Schweisses nicht kühlend von der Haut verdunsten kann. Umso erstaunlicher war es, was die Athleten an der Spitze an Topzeiten ablieferten. Ein Blick auf die Athleten nach dem Zieleinlauf demonstriert diese Problematik mehr als deutlich; das (Schwitz-)Wasser läuft in Strömen an deren Körpern herunter (… ohne kühlend zu verdunsten).
Der Abu Dhabi Marathon war in der ersten 3/4 Stunde eine düstere Angelegenheit. (c) ADSports/Screenshot
Mit drei Tempomachern – darunter der südafrikanische Topläufer Stephen Mokoka – erreichte die Spitzengruppe der Männer 5 km nach 14:36. 12 Athleten lagen hier vorne, die auch noch bei 10 km nach 29:31 auf Kurs zu einer im Vorfeld anvisierten Zeit um 2:04 Stunden lagen. Nun wurde es am Arabischen Golf ganz langsam hell, und ein Blick auf die Riesenflagge bei 15 km in 44:19 deutete auf sehr wenig Wind zu diesem Zeitpunkt hin. Hier waren noch 9 Aktive an der Spitze, wobei es mit Emmanuel Mutai (KEN) bereits ein erstes Opfer des hohen Tempos gab. Mutai lag hier erst 6 Sekunden zurück, im Ziel, wo er in für ihn indiskutalen 2:12:38 Achter wurde, waren das dann mehr als 8 Minuten. Seine besten Jahre, der 2014 Kimetto in Berlin zum Weltrekord trieb, scheinen endgültig vorbei.
Als nun Sonne am Horizont spektakulär aufging, passierten noch 2 “Hasen” und 7 Topläufer die 10 Meilen nach 47:30 und man erreichte 20 km in 59:18 sowie den Halbmarathon nach 1:02:34. Somit lag man etwas hinter dem Fahrplan zurück. Und obwohl es mit der Sonne nun schnell wärmer wurde (Schattentemperaturen stiegen bis zum Ende auf ca. 24°C) wurde die Fahrt an der Spitze schneller. Bei 25 km in 1:14:01 – die letzten 5 km in 14:43 – war noch ein Tempomacher in Diensten und die Spitzengruppe reduzierte sich auf 5 Läufer, weil Abera Kuma (ETH) mit einer Bestzeit von 2:05:50, Probleme bekam.
Auch das 5 km-Segment von 25 km nach 30 km wurde mit 14:42 flott zurückgelegt. Mit 1:28:42 war man auf Kurs zu einer Zeit von 2:04:45, und als hier der letzte Tempomacher seine Unterstützung einstellte, begann bereits der Kampf um den Sieg. Dabei klärten sich die Fronten überraschend schnell. Marius Kipserem, der im Jahr 2016 in Rotterdam mit 2:06:11 gewann, und der neue Weltrekordhalter im Halbmarathon – der Rekord wurde bezeichnender Weise einen Tag vor dem Start dieses Laufs von der IAAF offiziell anerkannt – , Abraham Kiptum (KEN) rissen durch eine aberwitzige Temposteigerung die Spitze auseiander. Diese Pace war mit 13:55 für die kommenden 5 km nach 35 km in 1:42:37 derart enorm, das sich nicht nur das Portal “LetRun.Com” zweifelnd über die Streckenlänge ausließ.
In der Tat waren einige Dinge an diesem Tag sehr fraglich, so ging z.B. die TV-Uhr gegenüber der “offiziellen” Uhr um 5 Sekunden nach. Aber eim Vergleich der 5 km-Splits verschiedener Läufer zwischen 30 und 35 km kann diese Vermutung nicht schlüssig stützen. Aktuell gibt es somit keinen Grund an den Leistungen (und Zeiten) aller Teilnehmer in Abu Dhabi zu zweifeln. Hinter dem wie entfesselnd laufenden Führungsduo verloren Stanley Biwott (KEN) und Dejena Gonfa (ETH) schnell an Boden und lagen bei 35 km in 1:43:25 schon eine 3/4 Minute zurück. An der Spitze brachte der Zwischenspurt Kipserem und Kiptum auf Kurs zu einer Zeit von 2:03:43, womit man den Konkurrenten Dubai im Norden des Emirats gleich vom Streckenrekord (2:04:00) her übertrumpft hätte.
Die Entscheidung um den Sieg fiel auf dem letzten Kilometer, wo sich Kipserem (rechts) von Kiptum lösen konnte. (c) ADSports(Screenshot
Bei den beiden Spitzenreitern hatte das Taktieren um den Sieg (Prämie 100.000 US$), aber auch ewas Ermüdung Konsequenzen, denn die 40 km wurden erst nach 1:57:36 erreicht, fast 15 Minuten für die letzten 5 km. Am überdimensionalen Fahnenmast mit der Nationalflagge war zu erkennen, dass der Wind gewaltig aufgefrischt hatte und ggfs. einen Teil der ungewöhnlichen Splits erklären konnte. Im Kampf um den Sieg ging es zwischen den Beiden, von denen zuvor fast ausschließlich Kipserem das Tempo gemacht hatte, hin und her. Weniger als einen Kilometer vor dem Ziel konnte etwas überraschend Kiptum nicht mehr folgen und gab resigniert auf, während Kipserem mit einem Schlussabschnitt von 40 km in 6:28 das Rennen in sensationellen 2:04:04 gewann.
Marius Kipserem gewinnt die Premiere des Abu Dhabi Marathon. Anmerkung: Die TV-Uhr lief gegenüber der “offiziellen” Zeit um etwa 5 Sekunden zurück. (c) ADSports/Screenshot
Der “Knaller”, eine 2:03er-Zeit, wurde zwar knapp verpasst, aber das Event in Abu Dhabi legte leistungssportlich eine kaum für möglich gehaltene Premiere hin. Auch Kiptum lief als Zweiter in 2:04:16 eine Weltklassezeit und verbesserte seine PB vom Amsterdam Marathon aus dem letzten Jahr um 1:10 Minuten. Im aktuellen globalen Ranking des Jahres sind dies die Plätze 4 und 8. Ein in der Tat schier unglaubliches Resultat an der Spitze. Nach den Topplatzierten wurde es etwas “normaler”: Dejena Gonfa lief als Dritter 2:07:06 und konnte so gerade den von hinten stark aufkommenden Thomas Rono (KEN) in 2:07:12 in Schach halten. Einer der Favoriten im Vorfeld, Stanley Biwott, wurde in 2:09:18 nur Fünfter.
Im Rennen der Frauen bestimmten zunächst neben zwei Tempomachern, von denen Daniel Gatheru (KEN) am Ende bis zum Ziel durchlief, sieben Läuferinnen das Geschehen. 16:25 wurden bei 5 km und 33:14 bei 10 km gestoppt, womit man Kurs zu einer Zeit von 2:20:13 lag. Über 5 Läuferinnen bei 15 km in 49:50 reduzierte sich die Spitzengruppe auf vier Akteure beim Halbmarathon, der in 1:10:13 absolviert wurde. Nach 25 km in 1:23:23 lagen noch Ababel Brihane (ETH), eine Debütantin mit einer Halbmarathonzeit von 65:40 Minuten, Eunice Chumba (BRN) sowie Gelete Burka (ETH) vorne, die ihren Durchbruch auf den langen Strecken in den Vereinigten Emiraten beim Dubai Marathon im Januar mit persönlicher Bestleistung von 2:20:45 vollzog.
Ababel Brihane gewann den Abu Dhabi Marathon bei ihrem Debüt. (c) ADSports/Screenshot
Als bald darauf Burka Magenprobleme bekam und sich ein Tempomacher verabschiedete, lief alles auf ein Duell zwischen Brihane und Chumba hinaus. Nach 35 km in 1:56:06 nach einem (wie bei den Männern) schnellen 5 km-Abschnitt in 15:55, war es Brihane, die sich lösen und das Rennen in 2:10:16 gewinnen konnte. Chumba erzielte mit 2:20:56 gleichfalls eine Topzeit und verbesserte ihren Hausrekord um fast vier Minuten. Platz 3 ging an Gelete Burka in 2:24:07. Insgesamt erreichten bei der in vielen Belangen sehr erfolgreichen Premiere des Abu Dhabi Marathon gut 600 Aktive das Ziel.
Anmerkung: Die Diskussionen um die Streckenlänge beim Abu Dhabi Marathon halten an. Insb. das Segment zwischen 30 km und 35 km gerät immer mehr in den Fokus. Dazu gibt es ein Video von Robert Johnson von LetRun.Com.
Ferner sei auf nachstehende Grafik verwiesen, die mit Google Earth produziert wurde und die neben der Strecke die Positionen der km-Marker bei 33 km, 34 km und 35 km zeigt. Da eine Wendeschleife (blaue Kurve) am Freitag ausgelassen wurde (Grund noch unklar) reduziert sich der Streckenverlauf auf eine Pendelstrecke mit der Wende sehr nahe an 34 km. Dann ist aber sicher nicht korrekt, dass die Marker von 33 km und 35 km soweit auseinander liegen. Eine Analyse ergibt für das Streckenstück von 33 km nach 34 km eine Länge von nur 878 m, während die Länge von 34 km nach 35 km mit 1001 m völlig korrekt ist. Der Streckenverlauf beim Abu Dhabi Marathon zwischen 33 km und 35 km. (c) H. Winter
Es erscheint dringend geboten, die Diskrepanzen aufzuklären, bevor die großartigen Zeiten vom Abu Dhabi Marathon in Bestenlisten übernommen werden können.
5 km-Splits der Erstplatzierten und Kurokawa (no elite) | ||||||
Kipser. | Kiptum | Gonfa | Rono | Biwott | Kurokawa | |
0 – 5 km | 14:38 | 20:12 | ||||
5 – 10 km | 14:53 | 20:43 | ||||
10-15 km | 14:50 | 19:52 | ||||
15-20 km | 14:59 | 21:55 | ||||
20-25 km | 14:42 | 14:43 | 14:43 | 14:44 | 14:43 | 21:14 |
25-30 km | 14:42 | 14:43 | 14:43 | 15:13 | 14:43 | 22:10 |
30-35 km | 13:55 | 13:55 | 14:42 | 14:49 | 14:42 | 21:41 |
35-40 km | 14.59 | 14:59 | 16:18 | 15:39 | 18:06 | 22:39 |
Endzeit | 2:04:04 | 2:04:16 | 2:07:06 | 2:07:12 | 2:09:18 | 2:59:47 |
Ergebnisse Marathon der Männer: |
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1. | Marius KIPSEREM | KEN | 2:04:04 | |
2. | Abraham KIPTUM | KEN | 2:04:16 | |
3. | Dejena Debela GONFA | ETH | 2:07:06 | |
4. | Thomas Kiplagat RONO | KEN | 2:07:12 | |
5. | Stanley Kipleting BIWOTT | KEN | 2:09:18 | |
6. | Beshah Yersiie ESKEZIA | ETH | 2:10:01 | |
7. | Anouar EL GHOUZ | MAR | 2:10:19 | |
8. | Emmanuel Kipchirchir MUTAI | KEN | 2:12:38 | |
9. | Ghebrezgiabhier W. KIBROM | ERI | 2:17:15 |
Die TOP20 des Jahres 2018 im Marathon der Männer | |||||
1 | 2:01:39 | Eliud KIPCHOGE | KEN | Berlin | 16.9.2018 |
2 | 2:04:00 | Mosinet GEREMEW | ETH | Dubai | 26.1.2018 |
3 | 2:04:02 | Leule GEBRSELASSIE | ETH | Dubai | 26.1.2018 |
4 | 2:04:04* | Marius KIPSEREM | KEN | Abu Dhabi | 7.12.2018 |
5 | 2:04:06 | Tamirat TOLA | ETH | Dubai | 26.1.2018 |
5 | 2:04:06 | Asefa MENGISTU | ETH | Dubai | 26.1.2018 |
5 | 2:04:06 | Lawrence CHERONO | KEN | Amsterdam | 21.10.2018 |
8 | 2:04:08 | Sisay LEMMA | ETH | Dubai | 26.1.2018 |
9 | 2:04:15 | Birhanu LEGESE | ETH | Dubai | 26.1.2018 |
10 | 2:04:16* | Abraham KIPTUM | KEN | Abu Dhabi | 7.12.2018 |
11 | 2:04:17 | Eliud KIPCHOGE | KEN | London | 22.4.2018 |
12 | 2:04:31 | Leule GEBRSELASSIE | ETH | Valencia | 2.12.2018 |
13 | 2:04:37 | Mule WASIHUN | ETH | Amsterdam | 21.10.2018 |
14 | 2:04:40 | Soloman DEKSISA | ETH | Amsterdam | 21.10.2018 |
15 | 2:04:43 | El Hassan EL ABBASSI | BRN | Valencia | 2.12.2018 |
16 | 2:04:44 | Seyefu TURA | ETH | Dubai | 26.1.2018 |
17 | 2:04:49 | Tola SHURA KITATA | ETH | London | 22.4.2018 |
18 | 2:04:53 | Matthew KISORIO | KEN | Valencia | 2.12.2018 |
19 | 2:04:58 | Sisay LEMMA | ETH | Ljubljana | 28.11.2018 |
20 | 2:05:11 | Mo FARAH | GBR | Chicago, IL | 7.11.2018 |
Ergebnisse Marathon der Frauen: | ||||
1. | Ababel Yeshaneh BRIHANE | KEN | 2:20:16 | |
2. | Eunice Chebichii CHUMBA | BRN | 2:20:54 | |
3. | Gelete Burka BATI | ETH | 2:24:07 | |
4. | Chaltu Tafa WAKA | ETH | 2:25:09 | |
5. | Caroline Cheptonui KILIEL | KEN | 2:29:14 | |
6. | Genet Yalew KASSAHUN | ETH | 2:31:34 | |
7. | Susy Chebet CHEMAIMAK | KEN | 2:40:04 |