Mit außergewöhnlichen Zeiten krönten am heutigen Sonntag die beiden Kenianerinnen Ruth Chepngetich und Visiline Jepkesho die 39. Auflage des Vodafone Istanbul. Nach einer spektakulären zweiten Hälfte in 1:10:30 ereichten die Beiden nach 2:22:36 sowie 2:22:40 das Ziel in der Istanbuler Innenstadt. Damit verbesserten sie den Streckenrekord um gut 5 Minuten. Die Siegerzeit von Abraham Kiprotich (KEN) bei den Männern war mit 2:11:22 im Vergleich dazu weit moderater.
Großes Gedränge herrschte vor der Bosporus-Brücke kurz vor dem Start um 9:00:13. (c) H. Winter
Das Rennen der Frauen begann zunächst recht moderat, nach 5 km in 18:08 lagen 6 Läuferinnen zusammen mit zwei Tempomachern vorne, womit man auf Kurs zu einer mittelmäßigen Zeit von 2:32 Stunden agierte. Auf dem Weg zu den 10 km fiel Sheron Cherop (KEN) zurück, 2013 hatte sie in Berlin noch 2:22:28 gelaufen. Ein Quintett passierte 10 km nach 34:53, wonach sich das Trio Visiline Jepkesho (KEN), Letebrhan Haylay (ETH) sowie dei Debütantin Ruth Chepngetich (KEN), die im April auf einem Teil des Istanbuler Kurses den Halbmarathon in glänzenden 1:06:19 gewann. Diese drei Läuferinnen sollten bis zur Wende nach gut 25 km zusammenbleiben, wobei zwischendurch die 20 km nach 1:08:08 und der Halbmarathon in 1:11:53 passiert wurden. Schon hier war klar, dass der Kursrekord von 2:27:27 durch Ashu Roba aus dem Jahr 2010 in Gefahr war.
Bei 30 km in 1:41:18 hatte Haylay lange den Anschluss verloren und lag bereits eine halbe Minute hinter dem Führungsduo zurück, das immer schneller wurde. Bei 35 km in 1:57:52 war klar, dass der Streckenrekord und türkische All Comers Rekord der Vergangenheit angehören würde. Man lag auf Kurs zu einer Zeit von 2:22 Stunden, einer für den Kurs in Istanbul nahezu sensationellen Zeit. Nach 40 km in 2:14:47 begann der Aufstieg zum Ziel auf dem berühmten Sultanahmet. Hier zeigte sich überraschender Weise die Debütantin der erfahrerenen Jepkesho, die im Jahr 2016 in Paris als Vierte schnelle 2:21:37 lief, überlegen und gewann in glänzenden 2:22:36. Nur zwei Kenianerinnen waren bei ihrer Premiere einmal schneller, wie auch weltweit keine 10 Läuferinnen zuvor.
Ruth Chepngetich gewann den Istanbul Marathon in einer großartigen Zeit. (c) H. Winter
Jepkesho folgte in 2:22:40 sofort dahinter und sorgte gleichfalls für ein im Vorfeld kaum für möglich gehaltenes Resultat. Und auch die Dritte Haylay blieb in 2:25:14 noch sehr deutlich unter dem bestehenden Kursrekord. Somit sorgten in diesem Jahr die Damen für die Schlagzeilen und hievten den Kurs, der in Asien vor der Bosporus-Brücke beginnt und in Europa endet, in die erweiterte Weltklasse. Für die schon seit einiger Zeit mit dem Golden Label der IAAF ausstaffierten Veranstaltung sicher ein leistungssportlicher Befreiungsschlag. Wie hochklassig im übrigen die Leistungen der beiden Erstplatzierten waren, zeigt auch der beeindruckende neagative Split von 1:10:46 für die zweite Hälfte, die starken Wind und den Aufstieg von über 20 Metern ins Ziel einschloss. Somit hatten sich die Damen die üppigen Preisgelder und Zeitboni von jeweils 90000 US$ und 65000 US$ durchaus verdient.
Diesem Feuerwerk an Topleistungen hatten die Männer nur wenig hinzuzufügen, obwohl man – vor allem die Tempomacher – das Rennen überaus flott anging. Nach 5 km in 15:07 befand sich die Spitze bei 7 km in 20:54 auf Kurs von exakt 2:06 Stunden – und das bei einem Kursrekord von 2:10:42! Doch die Freude währte nicht lange, den nach 8 km rutschten die km-Abschnitte in das Regime von 3:13 bis 3:19 und ließen den Traum von einer Weltklassezeit wie bei den Frauen schnell platzen. Schon bei 10 km in 30:28 lag man “nur” noch auf Kurs zu einer Zeit auf 2:08:35, wobei die beiden Tempomacher zeitweise bis zu 12 Sekunden vor dem Elitefeld agierten. Erst nach den 15 km (wo die Zeitmess-Matten viel zu weit hinter der vermessenen Position lagen) in 46:11 suchte der Männerpulk langsam den Anschluss an die “Hasen”. Bei der ganzen Aktion war man aber in der Projektion schon auf über 2:10 Stunden gerutscht.
In breiter Front agierte die Männerspitze nach gut 10 km und verschleppte so zunehmend das Tempo. (c) H. Winter
Als Konsequenz dieser Renntaktik erreichte man die Halbdistanz erst nach 1:05:37, weit hinter dem im Vorfeld abgesprochen Fahrplan von um die 64 Minuten. Bei 25 km in 1:18:15 war die Fahrt auf 2:12 Stunden abgesunken, zwölf Elitemänner waren da noch an der Spitze. Über 1:34:13 bei 30 km und 1:49:46 bei 35 km änderte sich darin wenig, dann aber explodierte das Rennen. Es war hier vor allem Jakob Kendagor (KEN) der enorm aufs Tempo drückte, dem am Anfang nur noch Abraham Kiprotich (FRA) und Bazu Worku (ETH) folgen konnte. Doch Kendagor forcierte die Fahrt derart, dass neben Worku das gesamte Feld bis auf Kiprotich auseinanderflog.
Nach 34 km entwickelte sich ein schnelles Rennen, bei dem sich Kendagor (vorne) und Kiprotich absetzen konnten. (c) H. Winter
Als Kosequenz lief man von 34 km bis 39 km mit km-Splits von 3:00, 2:52, 2:51, 2:45 und 2:43 grandiose 14:11 Minuten, die aber leider auch belegen wie ungeschickt die Renntaktik für eine Spitzenzeit war. Nach 40 km in 2:04:10 gab es leider eine peinliche Szene, als der führende Kendagor von dem Führungsfahrzeug an einer Engstelle mit Zeitmessmatten und Wasserversorgung gestoppt wurde und die Fürhung einbüßte. Auf dem Weg hinauf zum Ziel ließ sich Kiprotich den kleinen Vorteil nicht mehr nehmen und gewann nach 2:11:22, fünf Sekunden später folgte Kandagor. Auch bei den Männern bekam der Sieger 50000 US$, Zeitboni kamen verdientermaßen nicht in Betracht. Platz 3 erlief sich Bazu Worku in 2:11:37, dem die enorme Tempohatz nach 34 km gar nicht gefiel, und auf Platz 4 landete schon der Haudegen und Masters-Weltrekordler Kenneth Mungara (KEN) in 2:11:59.
Bleibt noch anzufügen, dass der Sieg von Kiprotich nicht einer gewissen Ironie entbehrt, als der gebürtige nun für Frankreich startende Kenianer im Jahr 2013 in Istanbul schon einmal vorne war. Dieser Sieg wurde ihm kurz danach wegen positiver A- und B-Proben hinsichtlich EPO aberkannt, der Sünder für zwei Jahre gesperrt. Nun ist er im internationalem (Marathon-)Zirkus wieder zurück und gleich ein weiteres Mal erfolgreich. Bleibt zu hoffen, dass man dies von seiner Dopingprobe in Sachen Epo nicht auch behaupten kann.
Ergebnisse Marathon der Männer: | |||
1. | Abraham Kiprotich | FRA | 2:11:22 |
2. | Jacob Kendagor | KEN | 2:11:27 |
3. | Bazu Worku | ETH | 2:11:39 |
4. | Kenneth Mburu Mungara | KEN | 2:12:01 |
5. | Douglas Chebii | KEN | 2:12:32 |
6. | Ezekiel Kemboi Omullo | KEN | 2:12:44 |
Splits des führenden Läufers: | |||
5 km | 15:07 | 2:07:36 | |
10 km | 30:28 | 15:21 | 2:08:35 |
15 km | 46:11 | 15:43 | 2:09:56 |
20 km | 1:02:05 | 15:54 | 2:10:59 |
HM | 1:05:37 | 2:11:15 | |
25 km | 1:18:15 | 16:10 | 2:12:05 |
30 km | 1:34:13 | 15:58 | 2:12:31 |
35 km | 1:49:46 | 15:33 | 2:12:20 |
40 km | 2:04:10 | 14:23 | 2:10:58 |
Ziel | 2:11:22 | 7:12 |
Ergebnisse Marathon der Frauen: | |||
1. | Ruth Chepngetich | KEN | 2:22:36 |
2. | Visiline Jepkesho | KEN | 2:22:40 |
3. | Letebrhan Haylay | ETH | 2:25:14 |
4. | Mulu Seboka | ETH | 2:29:55 |
5. | Sinke Dessie | ETH | 2:34:24 |
6. | Sharon Jemutai Cherop | KEN | 2:39:34 |