Auf der heutigen Pressekonferenz im Vorfeld des Tokyo Marathon am kommenden Sonntag (26. Februar 2017) bekräftigte der Kenianer Wilson Kipsang seinen bereits vor Wochen benannten Angriff auf den Weltrekord über die Marathondistanz, den aktuell sein Landsmann Dennis Kimetto mit 2:02:57 hält. Jeder der Eliteathleten hatte zur Pressekonferenz eine vorbereitete Tafel auszufüllen, auf der der Ausnahmeläufer und ehemalige Weltrekordler eine Zeit von 2:02:50 geschrieben hatte.
Damit ist die Jagd auf den Weltrekord im Marathon der Männer in der Tat ein Thema auf einem maßgeblich veränderten Kurs, der insbesondere den fürchterlichen Streckenverlauf auf den letzten 7 km und den noch fürchterlicheren Zielbereich im Messezentrum “Big Site” nun endgültig in die Geschichtsbücher verbannt. Bei den vorhergesagten Bedingungen mit Temperaturen um 10°C und einem negativen Taupunkt sind die Chancen recht gut, dass zumindest der Allcomers Record für Japan (die schnellste auf japanischem Boden erzielte Zeit) im Marathon fällt. Diesen hält nach wie vor der Konkurrent im Süden, der Fukuoka Marathon, mit den 2:05:18, den Tsegaye Kebede (ETH) im Jahr 2009 rannte. Kebede ist gleichfalls in Tokyo am Start, gibt sich aber mit einer Zeit von 2:03:50 “etwas bescheidener” als der Kenianer.
Die angepeilte Zeit von Wilson Kipsang: 2:02:50. Der aktuelle Weltrekord steht (noch?) bei 2:02:57. Um seine Vorgabe zu erreichen, muss der gute Wilson jeden Kilometer in 2:54,67 Minuten herunterspulen. Ganz schön flott! (c) JRN Brett Larner
Während allerdings Kipsang mit 2:03:13 erst beim Berlin Marathon Ende September in Berlin in die Regionen seiner heutigen Vorhersage lief, liegen die aktuellen Zeiten des kleinen Äthiopiers auch nicht in Ansätzen in seinem angekündigten Regime. Obwohl er schon lange in der Szene etabliert ist, ist er erst 30 Jahr alt und lief sein bestes Rennen 2012 in Chicago mit dem damaligen Kursrekord von 2:04:38. Das ist aber einige Zeit hin, 2015 wurde er in Tokyo Achter in 2:07:58 und sein letzter Zieleinlauf datiert aus dem letzten Frühjahr, wo er beim Rotterdam Marathon in 2:10:56 auf Platz 5 notiert wurde. Kebede hat in seiner Karriere immerhin zehnmal die 2:07 Stunden unterboten.
Die erhoffte Zeit von Tsegaye Kebede (ETH), die auf Grund seiner Leistungen in der letzten Zeit ausgesprochen unrealistisch erscheint. (c) JRN Brett Larner
Dickson Chumba (KEN) ist wie Kebede 30 Jahre alt und hat auch eine vergleichbare Bestzeit von 2:04:32 aus dem Jahr 2014, ebenfalls in Chicago gelaufen. Der (allerdings alte) Kurs in Tokyo ist ihm bestens vertraut. 2014 gewann er mit 2:05:42 in Kursrekord-Zeit, die aber den Sonntag kaum überstehen wird. 2015 und 2016 wurde er in Tokyo jeweils Dritter in 2:06:34 und 2:07:34. Dazwischen lagen noch zwei Auftritte in (Tempomacher losen) Chicago mit dem Sieg in 2:09:25 und Platz 2 in 2:11:26 im letzten Jahr.
Eine nette Koinzienz am Rande zeigt ein Blick auf die Streckenrekorde der drei bedeutensten Marathonläufe in Japan. Mit Kebede (Fukuoka 2:05:18), Chumba (Tokyo 2:05:42) sowie Kipsang (Otsu, Lake Biwa 2:06:13) waren alle drei Rekordhalter auf der Bühne und werden am Sonnatg auch im Rennen aufeinandertreffen.
Und auch Bernard Kipyego (KEN) ist 30 Jahre alt, der seine Bestzeit beim Sieg in Amsterdam 2015 in 2:06:19 lief. Letztes Jahr wurde er in Tokyo in 2:07:33 Zweiter, Platz 8 in 2:06:45 erreichte er dann im Herbst in Amsterdam. Evans Chebet (KEN) schaffte beim letzten Berlin Marathon hinter Bekele und Kipsang 2:05:31, im Frühjahr war er als Zweiter in Seoul schon 2:05:33 gelaufen. Marius Kipserem (KEN) gewann den letzten Marathon in Rotterdam in 2:06:11, im Herbst wurde er Zweiter in Eindhoven in 2:08:00.
Der Frontläufer Tadese Tola (ETH) lief in dem denkwürdigen Rennen beim Dubai Marathon 2013 2:04:49, seine letzten Resultate sind aber eher ernüchternd: Aufgabe in Dubai im letzten Jahr und Platz 5 in Frankfurt im gleichen Jahr mit 2:11:15. Auch Bernard Koech (KEN) war in dem schnellen Rennen von Dubai im Jahr 2013 dabei und kam hinter Tola in 2:04:53 ein. Herausragend bei ihm ist seine Bestzeit im Halbmarathon von 58:41, während seine letzten Ergebnisse von 2:09:42 (Fukuoka 2015) und Platz 9 in 2:11:31 beim Paris Marathon 2016 keine aktuelle Bestform andeuten.
Aus der langen Liste von gut 20 Eliteathleten mit PBs unter 2:10 Stunden ist in jedem Fall noch Geoffrey Ronoh (KEN) zu nennen, der trotz seiner 2:09:29 vom Berlin Marathon eine entscheidende Rolle bei dem Unternehmen Weltrekord spielen könnte. Denn Ronoh machte in Berlin bis ca. 30 km das Tempo, nachdem die designierten Tempomacher ihre Aufgaben schon nach 18 km quittieren mussten. Nach letzten Informationen will man die erste Hälfte etwas langsamer als beim Berlin Marathon 2016 angehen (1:01:11), die Vorgaben für Sonntag liegen bei 61:30. Für den etwas hügeligen Kurs und den vorhergesagten Wind ganz schön flott.
Die aussichtsreichsten Eliteathleten bei der Pressekonferenz zum Tokyo Marathon am kommenden Sonntag. (c) JRN Brett Larner
Bei den japanischen Männern ist der Lauf ein weiteres Qualifikationsrennen für das japanische WM-Team im Sommer 2017. Hier haben Yuma Hattori, Masato Imai, Arata Fujiwara, Takashi Ichida sowie Yuta Shitara gute Aussichten in die engere Wahl zu kommen. In Fukuoka hatte Yuki Kawauchi mit 2:09:11 und in Beppu-Oita Kentaro Nakamoto mit 2:09:32 vorgelegt.
Bei den Frauen schmerzt die Absage der einzigen Läuferin mit einer Bestzeit von unter 2:20 Stunden, Lucy Kabuu (KEN). Somit ist Amane Beriso (ETH) mit 2:20:48 beim Debüt in Dubai Marathon im letzten Jahr die schnellste Frau im Feld. Amane Gobena (ETH) ist regelmäßig in Japan am Start, im letzten Jahr wurde sie in 2:21:51 hinter Helah Kiprop in Tokyo Zweite. Und auch Birhane Dibaba (ETH) schaffte ihre Bestleistung von 2:22:30 in Tokyo als Siegerin im Jahr 2015. Auch die Frauen äußerten in der Prerace-Pressekonferenz große Ambitionen mit Zeiten um die 2:20 Stunden, womit auf jeden Fall der japanische All Comers Record der Frauen von 2:21:18 in Gefahr wäre.