Eliud Kipchoge (KEN) war einer der herausragenden Athleten der internationalen Straßenlaufszene des Jahres 2016. (c) H. Winter
Die Schlagzeilen in der globalen Laufszene schrieben im Jahr 2016 eindeutig die Männer. War nach den stetigen Verbesserungen des Leistungsniveaus der Weltelite im Marathonlauf, gekrönt durch den Weltrekord durch Dennis Kimetto (KEN) als Sieger des Berlin Marathon 2014 in 2:02:57, im letzten Jahr ein gewisser Rückschritt an Topleistungen unverkennbar, schloss das aktuelle Jahr wieder an frühere Entwicklungen an. Zwei Athleten, die bezeichnenderweise vor dem Start auf der Straße eine großartige Karriere auf der Bahn absolvierten, waren dabei die herausragenden Akteure. Zunächst gewann der Kenianer Eliud Kipchoge in einem Rennen von historischer Dimension den London Marathon und verfehlte mit 2:03:05 den Weltrekord denkbar knapp. Schon im letzten Jahr ragte Eliud mit der schnellsten Zeit des Jahres heraus, wobei in Berlin das Kuriosum aus dem Schuh ragender Innensohlen eine bessere Zeit als 2:04:00 verhinderte. Dass der kenianische Ausnahmeläufer vier Monate später bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro mit einer eindrucksvollen Vorstellung überlegen Olympiasieger wurde, kam dann wenig überraschend.
Der zweite Star des Jahres war der schnellste Läufer aller Zeiten im Cross und auf den Bahnlangstrecken, der Äthiopier Kenenisa Bekele. Beim 34. Berlin Marathon Ende September konnte der Ausnahmeläufer nach langwierigen Verletzungen endlich sein hohes Potential auch im Marathon umsetzen und gewann ein denkwürdiges Temporennen gegen Ex-Weltrekordler Wilson Kipsang (KEN) in 2:03:03, ganze sechs Sekunden am Weltrekord vorbei. London und Berlin waren mit deutlichem Abstand die schnellsten Rennen des Jahres, wobei in beiden Fällen die Abläufe verblüffend ähnlich waren. Man hatte jeweils sehr schnell im Regime eines Marathon knapp über 2 Stunden begonnen, war noch beim Halbmarathon mit 1:01:30 in London und sogar 1:01:10 in Berlin schneller als jemals zuvor, „verspielte“ jedoch den Weltrekord durch kurzes Taktieren in einem packenden Duell zweier hochklassiger Gegner. In London verlor Stanley Biwott (KEN) erst in einem extrem schnellen Finale kurz vor 40 km den Anschluss, lief aber mit 2:03:50 gleichfalls eine absolute Spitzenzeit. Ähnlich liefen die Dinge in Berlin, wo Wilson Kipsang kurz vor 41 km Bekele ziehen lassen musste und mit 2:03:13 als Zweiter noch schneller war als bei seinem Weltrekordlauf im Jahr 2011.
Damit schafften im Jahr 2016 vier Läufer eine Zeit von unter 2:04 Stunden, das gab es zuvor noch nie. Auch in der Leistungsbreite stieg das Niveau gegenüber 2015 wieder an: Sieben Athleten blieben unter einer Zeit von 2:05 Stunden, im Vorjahr waren das nur 3 Läufer. Bei den Frauen ist die Bilanz des Jahres weniger spektakulär. Ganz früh in der Saison blieb mit Tirfi Tsegaye (ETH) beim Dubai Marathon in 2:19:41 nur eine Frau unter der Schallmauer von 2:20 Stunden. Zwei weitere Damen unterboten eine Zeit von 2:21, im Jahr zuvor waren dies noch sieben.
In jedem Fall blieb auch im Jahr 2016 die internationale Straßenlaufszene in Bewegung, die Flut an herausragenden Leistungen aus den Vorjahren setzte sich unvermindert fort. Wenn auch die Schatten des Dopings die Laufszene nicht zur Ruhe kommen lassen, die Läufe durch die Städte dieser Welt kennen jahreszeitlich keine Pause mehr und boomen auf globaler Skala. Vor allem die aufstrebende wirtschaftliche Macht Chinas spiegelt sich nun zunehmend bei der Organisation hochkarätiger Laufveranstaltungen wider. Schon etabliert ist diesbezüglich der Xiamen Marathon, der bereits am 3. Januar durch den Kenianer Vincent Kipruto in 2:10:18 eine erste Marke setzte, wobei man dort im Jahr zuvor vier Minuten schneller gelaufen war.
Der Kenianer Vincent Kipruto (KEN) gewann im chinesischen Xiamen den ersten größeren Marathon des Jahres. (c) Veranstalter
Schon zwei Wochen später machte der Marathon im indischen Mumbai von sich reden, wo Gideon Kipketer (KEN) den Streckenrekord auf beachtliche 2:08:35 schraubte. Während am gleichen Tag die Siegerzeit beim Houston Marathon von 2:10:54 durch Gebo Burka (ETH) nicht an die Topzeiten früherer Jahre anschließen konnte, lief dort über die halbe Distanz die Kenianerin Mary Wacera in 1:06:29 eine Weltklassezeit. Herausragend waren auch 2016 die Siegerzeiten beim Dubai Marathon. In einem schnellen Rennen, bei dem man die 30 km-Marke in Weltrekordzeit nach 1:27:20 passierte, siegte Tesfaye Abera (ETH) in 2:04:24 und verpasste den Streckenrekord um eine Sekunde. Drei Männer unterboten die 2:05 Stunden und die Siegerin Tirfi Tsegaye (ETH) unterbot mit 2:19:41 die Schallmauer von 2:20 zur absoluten Weltklasse bei den Frauen. Die Leistungen aus dem Emirat belegen eindrucksvoll, dass man sich fest in der ersten Liga des Laufsports etabliert hat.
Tesfaye Abera (ETH) gewann den Dubai Marathon und verpasste den Streckenrekord um eine ganze Sekunde. (c) Dubai Sports Channel
Dies gilt auch für den Halbmarathon beim wenig geliebten Nachbarn im Emirat Ras Al Khaimah (RAK), den das Team um Renndirektor Nathan Clayton zum leistungsstärksten Lauf auf globaler Skala entwickeln konnte. Beim 10. Jubiläum am 12. Februar blieben die Männer mit dem Sieg von Birhanu Legese (ETH) in 1:00:40 hinter den Erwartungen zurück, während sechs Läuferinnen die 67 Minuten unterboten. Die großartige Konkurrenz der Frauen gewann Cynthia Limo (ETH) in 1:06:04. Deutlich langsamer agierte man in diesem Jahr beim Halbmarathon in Barcelona, wo Florence Kiplagat in den beiden Vorjahren den Weltrekord der Frauen bis auf 1:05:09 schraubte. In diesem Jahr reichte es wegen fehlender Fitness für Kiplagat nur zu 1:09:19.
Cynthia Limo (KEN) gewann den Halbmarathon in RAK in 1:06:04 und zog dabei fünf weitere Mitstreiterinnen auf Zeiten von unter 1:07 Stunden. Einmalig! (c) H. Winter
Ungewöhnlich warm war es selbst für kalifornische Verhältnisse bei den US-Trials im Marathon auf einem Stadtkurs in Los Angeles. Das mit hohem Interesse erwartete Debüt von Galen Rupp gewann der US-Star auf den Bahnlangstrecken in überzeugender Manier in 2:11:12. Bereits in seinem zweiten Marathonlauf im August gewann dann Rupp die Bronzemedaille bei Olympia in Rio de Janeiro. Richtig frisch war es dagegen beim Tokyo Marathon, wo die Kenianerin Helah Kiprop in 2:21:27 einen Streckenrekord aufstellte. Bei den Männern gewann Feyisa Lelisa (ETH) in 2:06:56, der gleichfalls bei Olympia eine Medaille gewann und dabei noch mehr durch einen politisch motivierten Einlauf mit überkreuzten Armen Aufmerksamkeit erregte. Beachtlich war auch die Ankündigung eines neuen Streckenverlaufs beim Tokyo Marathon ab 2017, wo die Läufer an der historischen Tokyo Station anstelle des trostlosen Messezentrums „Big Site“ ein spektakulärer Zieleinlauf erwartet. Endlich! Dort werden dann auch mit jeweils 500.000 US$ die beiden Besten der aktuellen World Marathon Majors Serie gekürt. Aber auch im Jahr 2016 blieb dieser Wettbewerb in der Öffentlichkeit kaum beachtet.
Helah Kiprop (KEN) gewann in großartigen 2:21:27 den Tokyo Marathon. (c) H. Winter
Sicherlich keine Notiz in unseren Breiten nahm man am 26. März vom Zheng-Kai International Marathon im chinesischen Zhengzhou. Der äthiopische Sieger Bejiga Regassa gewann den Lauf auch nur in 2:11:23. Beachtlicher sind dort aber die 49.000 Teilnehmer, was als ein Beispiel die Entwicklungen im Reich der Mitte aufzeigt. Schon in naher Zukunft wird dieser Boom auch die Veranstaltungen bei uns tangieren, da der Wettstreit um die Verpflichtung der Eliteathleten immer mehr globale Dimensionen bekommt. Andererseits erwächst den Laufveranstaltern in unseren Regionen damit aber auch eine künftige Klientel. Wir stehen aktuell diesbezüglich erst am Beginn gravierender Veränderungen und Entwicklungen.
Bei den Weltmeisterschaften im Halbmarathon am 26. März im walisischen Cardiff endete die Entscheidung der Veranstalter, die Masse der Breitensportler zusammen mit der Elite starten zu lassen, fast in einem Desaster. Der Topfavorit Geoffrey Kamworor (KEN) kam durch einen Hobbysportler zu Fall, fand aber im Gewimmel wieder auf die Füße und gewann im strömenden Regen den Weltmeistertitel nach 59:10 Minuten. Die britische Lauflegende Mo Farah wurde auf heimischen Boden Dritter in 59:59, Peres Je(p)chirchir (KEN) gewann in 1:07:31 den Titel bei den Frauen. Bereits zwei Wochen zuvor war auf dem für Bestleistungen untauglichen Kurs von Rom nach Ostia der Kenianer Solomon Yego mit 58:44 die schnellste Zeit des Jahres über die Halbmarathondistanz gelaufen. Und gleichfalls beachtlich war die Siegerzeit von 59:12 durch James Wangari (KEN) bei Stramilano am 20. März, der damit den Streckenrekord und ehemaligen Weltrekord von 59:17 durch Paul Tergat unterbieten konnte. Im September siegte Wangari auch beim Kopenhagen Halbmarathon auf der WM-Strecke von 2014, war dort bis gut 15 km auf Weltrekordkurs und lief am Ende in 59:07 die beste Zeit des Jahres auf einem regelkonformen Kurs.
James Wangari gewann die Halbmarathon-Läufe in Mailand und Kopenhagen. Mit 59:07 ist er der Jahresschnellste auf einem zertifizierten Kurs. (c) Kopenhagen HM
Während man sich in der deutschen Hauptstadt um die Organisation eines zweiten Marathon durch die Innenstadt im Frühjahr stritt (nach einer unerquicklichen Posse wurde die Veranstaltung letztlich abgesagt), geht das in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul seit Jahrzehnten reibungslos über die Bühne. Den Dong-A Marathon gewann am 20. März der Kenianer Wilson Erupe mit Streckenrekord von 2:05:13. Als der nach dem Lauf die koreanische Staatsbürgerschaft mit Blick auf einen Start bei Olympia beantragte, bekam er eine Absage; seine Doping-Vergangenheit mag dabei eine Rolle gespielt haben.
Wilson Erupe (KEN) gewann den Dong-A-Marathon in der koreanischen Hauptstadt Seoul mit Streckenrekord von 2:05:13. (c) Veranstalter
Wird fortgesetzt (Teil 2)
Die TOP10 im Marathon der Männer 2016 (Quelle: IAAF)
1. | Kenenisa Bekele | ETH | 2:03:03 | Berlin, 25. Sept. |
2. | Eliud Kipchoge | KEN | 2:03:05 | London, 24. April |
3. | Wilson Kipsang | ETH | 2:03:13 | Berlin, 25. Sept. |
4. | Stanley Biwott | KEN | 2:03:51 | London, 24. April |
5. | Tesfaye Abera | ETH | 2:04:24 | Dubai, 22. Januar |
6. | Lemi Berhanu | ETH | 2:04:33 | Dubai, 22. Januar |
7. | Tsegaye Mekonnen | ETH | 2:04:46 | Dubai, 22. Januar |
8. | Wilson Erupe | KEN | 2:05:13 | Seoul, 20. März |
9. | Sisay Lemma | KEN | 2:05:16 | Dubai, 22. Januar |
10. | Daniel Wanjiru | KEN | 2:05:21 | Amsterdam, 16. Okt. |
Die TOP10 im Marathon der Frauen 2016 (Quelle: IAAF)
1. | Tirfi Tsegaye | ETH | 2:19:41 | Dubai, 22. Januar |
2. | Aberu Kebede | ETH | 2:20:45 | Berlin, 25. Sept. |
3. | Amane Beriso | ETH | 2:20:48 | Dubai, 22. Januar |
4. | Helah Kiprop | KEN | 2:21:27 | Tokyo, 28. Februar |
5. | Florence Kiplagat | KEN | 2:21:32 | Chicago, 9. Oktober |
6. | Amane Gobena | ETH | 2:21:51 | Tokyo, 28. Februar |
7. | Meselech Melkamu | ETH | 2:21:54 | Hamburg, 17. April |
8. | Kayoko Fukushi | JPN | 2:22:17 | Osaka, 31. Januar |
9. | Meselech Melkamu | ETH | 2:22:29 | Dubai, 22. Januar |
10. | Edna Kiplagat | KEN | 2:22:36 | Tokyo, 28. Februar |