Bereits sehr zeitig, am Mittwoch und Donnerstag, fanden die Pressekonferenzen zum Virgin Money London Marathon am kommenen Sonntag (24. April) statt. Auch das diesjährige Elitefeld genügt wie in allen Vorjahren wieder höchsten Ansprüchen und vereint die Besten der Szene an der Startlinie in Black Heath. Vorjahressieger, Weltmeister und Weltrekordler sind im Start und bringen auch 2016 die britische Hauptstadt in den Fokus des Interesses der globalen Laufszene. Zudem erwartet man dieses Jahr ein außergewöhnliches breitensportliches Ereignis, denn im zweiten Teil des Zieleinlaufs auf The Mall unweit des Buckingham Palace wird am Sonntag der Ein-Millionste Finisher in der ereignisreichen Geschichte des London Marathon erwartet.
Die Topläuferinnen aus Kenia beim diesjährigen London Marathon: Kiplagat, Keitany und Jeptoo (v.l.) (c) H. Winter
Die äthiopischen Topläuferinnen beim London Marathon 2016: Dibaba, Mergia und Tufa (v.l.) (c) H. Winter
Nachdem es am Freitag ab Mittag den ganzen restlichen Tag geregnet hat, soll der Regen in den beiden kommenden Tagen verschwinden und bei Temperaturen um 8°C und einem Taupunkt um -1°C wird bei bedecktem Himmel nur ein merklicher Wind aus NNW mit Geschwindigkeiten bis 15 km/h die Akteure stören. Das technische Meeting wird erst am Samstagnachmittag stattfinden, aber es war schon von diversen Seiten zu erfahren, dass die Männerspitze um 61:45 die ersten Hälfte in Angriff nehmen will, bei den Frauen sind 69:15 in der Diskussion.
Update zum Pacing: Gideon Kipketer, Cosmos Lagat and Robert Nbithi werden Gruppe 1 mit 8 Athleten in 61:35 (2:03:30) zum Halbmarathon führen. Die zweite Gruppe mit Wilfred Kirwa (Tempomacher beim Weltrekord von Kimetto) plant in 63 Minuten (2:06) anzulaufen. Gruppe 3 mit Kevin Kochei plant 64 Minuten für die erste Hälfte (2:08:00). In dieser Gruppe dürfte auch Arne Gabius laufen. Bei den Frauen wird Vize-Weltmeisterin und Tokyo Marathon Siegerin Helah Kiprop und Angela Tanui das Tempo machen. Es ist für eine Gruppe von 7 Läuferinnen ein Tempo von 69:15 für die erste Hälfte vorgesehen. Man strebt somit in London in der Tat schnelle Zeiten an.
Mit Arne Gabius ist seit vielen Jahren einmal wieder ein deutscher Läufer in London am Start. Geht es in die Regionen seines deutschen Rekords. (c) H. Winter
Arne Gabius, der erst heute in London eintraf, wird ein solches Tempo von Beginn an nicht mitgehen können und nach Lage der Dinge in einer Gruppe zwischen der afrikanischen Elite und den Briten laufen, die sich in London für Rio qualifizieren wollen. Die Leistungen von Gabius über die Unterdistanzen – 10 km zu Ostern in Paderborn, eine Woche später der Halbmarathon in Berlin – stimmen angesichts der Vorbereitung auf den London Marathon recht optimistisch, ob er allerdings in die Regionen seines noch jungen deutschen Rekords von 2:08:33 oder sogar noch schneller laufen kann, wird sich dann erst im Rennen zeigen müssen. Man kann in jedem Fall gespannt sein, ob es in seinem dritten Marathon einen weitere Steigerung gibt. Nach 2:09:32 beim Debüt 2014 in Frankfurt, gab es 2015 an gleicher Stelle eine 2:08:33. Eigentlich wären jetzt in logischer Konsequenz 2:07:34 an der Reihe …
Das Elitefeld bei den Männer ist wieder herausragend besetzt. Mit britischer Höflichkeit und Understatement schweigt man sich aus, was es allein gekostet haben mag, diese Herren an die Startlinie zu bringen. Einer der Favoriten ist sicher Eliud Kipchoge, der bereits nach seinem legendären “Schuhsohlen-Lauf” in Berlin die Innersohlen seiner Schulen einer sorgfältigen Prüfung unterzogen hat. Mit seiner Zeit von 2:04:00 ist er aber nur der drittschnellste Akteur im Feld, trotzdem ist er von seinem Potential und seiner Wettkampfstärke ein erster Anwärter auf den Sieg und auf die Wiederholung seines Erfolgs an gleicher Stelle. Seine weiteren Planungen sind auf Olympia in Rio gerichtet und im kommenden Jahr möchte er in Berlin den Marathon Weltrekord angreifen.
Eliud Kipchoge (KEN) ist ein erster Anwärter auf den Sieg beim London Marathon. (c) H. Winter
In guter Verfassung wähnt sich auch Wilson Kipsang, der in London das Kunststück vollbrachte, bisher dreimal den Lauf in Zeiten von unter 2:05 Stunden zu gewinnen. Sein Kursrekord von 2:04:29 datiert aus dem Jahr 2014, letztes Jahr wurde er Zweiter in 2:04:42 und 2012 lief er 2:04:44. Sein Dreiermittel für London liegt somit bei 2:04:38. Einmalig! Soweit man seine Aussagen werten kann, sieht er sich in guter Form und ist auch für ein schnelles Finale vorbereitet. Dazu kommt seine große Rennerfahrung und beste Kenntnisse über den lokalen Streckenverlauf. Seine schwache Vorstellung beim Halbmarathon in Ras Al Khaimah sollte man sicher nicht überbewerten, wie auch die Energien, die er in der letzten Zeit als Sprachführer für die Belange kenianischer Athleten steckte.
Wilson Kipsang könnte zum vierten Mal an der Themse vorne sein, eine einmalige Bianz. (c) H. Winter
Wie hochklassig man in London agiert, ist auch daran zu ersehen, dass der amtierende Weltrekordhalter Dennis Kimetto (KEN) und der Weltmeister Ghirmay Gebreslassie (ERI) als Außenseiter gehandelt werden. Für Kimetto wird es vor allem darum gehen, nach zwei DNFs in Beijing und Fukuoka wieder einen Lauf erfolgreich ins Ziel zu bringen, bei Gebreslassie wird man abwarten müssen, ob er eine Tempojagd am Limit überstehen kann. Dies bei Stanley Biwott (KEN) sicher anders, der zuletzt im November den New York City Marathon in einem sehr schnellen Finale auf den letzten 10 km gewinnen konnte. Zudem lief Biwott seine Bestzeit von 2:04:55 an der Themse.
Und neben etlichen weiteren Topkönnern der Szene gibt es natürlich noch Kenenisa Bekele (ETH), um den es hier im Vorfeld verdächtig still ist. Niemand kann mit Sicherheit sagen, in welcher Verfassung der äthiopische Superstar momentan ist. Dies bezieht sich vor allem auf das Auskurieren seiner vielfältigen Verletzungen, die ihn über die letzten Jahre plagten. Seit seiner beeindruckenden Vorstellung beim Dubai Marathon im Januar 2015 – bis 28,5 km – hat er keinen Wettkampf mehr bestritten. Auch aus seinem engeren Umfeld war über seine Verfassung und seine Absichten wenig zu erfahren. Es steht aber außer Frage, dass er für eine Qualifikation für das äthiopische Olympiateam sehr schnell laufen muss. Über potentielle Siegeschancen in London ist wenig zu hören. Gibt es von seiner Seite vielleicht eine große Überraschung?
Bei den Frauen wird vor allem von Mary Keitany (KEN) und Mare Dibaba (ETH) eine Platzierung ganz vorne erwartet. Im letzten Jahr war Keitany nicht in voller Fitness in London gestartet und musste am Ende Tigist Tufa, die auch wieder am Start ist, den Sieg überlassen. Diesmal sieht es bei ihr definitiv besser aus. Bereits im November konnte sie den New York City Marathon eindrucksvoll gewinnen.
Mary Keitany (KEN) ist eine erste Anwärterin auf den Sieg beim London Marathon 2016.