Die Geschichte des Halbmarathon beim Paderborner Osterlauf begann bereits am 19. April 1954. Dies war übrigens ein Montag, der Osterlauf fand damals somit am Ostermontag statt. Fast einen Aufruhr gab es ein Jahr zuvor als der Lauf an einem Sonntag stattfand, seit vielen Jahren ist mittlerweile der Karsamstag der feste Termin der Veranstaltung. In den frühen Auflagen wechselte die Distanz des Osterlaufs mehrfach, so dass es 1954 einen Halbmarathon gab, anschließend lief man weitgehend 25 km, bis man ab 1961 nur noch die 25 km Strecke beibehielt. Den Lauf im Jahr 1954 gewann Hans Vollbach von Bayer Leverkusen in 1:09:10, der damit der einzige deutsche Halbmarathon-Sieger in der Geschichte des Osterlaufs bleiben sollte.
Hans Vollbach gewann im Jahr 1954 den (aller-)ersten Halbmarathon in Paderborn und blieb damit der einzige deutsche Läufer in der Liste der Sieger. (c) GW Paderborn
Sein Einlauf ins Inselbad-Stadion soll von ca. 12000 Zuschauern beklatscht worden sein (Quelle: Lothar von dem Bottlenberg), die aber weniger an den läuferischen Leistungen des deutschen Spitzenläufers interessiert waren, der auch schon im Vorjahr die 25 km in 1:30:18 gewann, sondern an einem Fußballspiel der Frankfurter Eintracht gegen eine Bielefelder Stadtauswahl, die mit 6:0 gegen die Hessen unterging.
Das Deckblatt des Programmhefts vom 10. April 1993. Nach vielen Jahren über 25 km ging es nun über die Halbmarathondistanz. An der Startzeit von 15:00 Uhr hat sich bis heute nichts geändert. (c) GW Paderborn
Danach dauerte es dann bis zum Jahr 1993, bis nach der ersten WM über die Halbmarathon-Distanz im September 1992 im Rahmen des Great North Run im englischen Newcastle auch in Paderborn diese Streckenlänge aktuell wurde. Im Jahr 1989 war man mit dem Start-Ziel-Bereich aus dem Inselbad-Stadion auf den Heierswall unmittelbar in die Nähe der Innenstadt gezogen. Die 25 km behielt man zunächst bei, aber 1992 war der Kenianer Julius Sumawe in 1:18:43 der letzte Sieger im 25 km-Lauf. In der lange Serie von Läufen über diese Distanz hatte im Jahr 1982 der Brite Hugh Jones auf einer nur unsicher zertifizierten Strecke mit 1:14:18 eine Weltklassezeit gelaufen und bei den Frauen schaffte 1986 die legendäre Norwegerin Grete Waitz in 1:22:28 eine Weltbestzeit. Dabei war u. a. bemerkenswert, dass sowohl Jones in 29:24 als auch Waitz in 33:28 mit ihren 10 km-Splits deutlich schneller waren als Sieger und Siegerin im 10 km-Lauf.Tendai Chimusasa gewann den ersten Halbmarathon “neuer” Zeitrechnung in Paderborn in guten 1:02:15, fast sieben Minuten (gut 2 km Streckenlänge) schneller als Hans Vollbach im Jahr 1954. (c) GW Paderborn
Obwohl Carsten Eich mit seinem noch heute gültigen großartigen Streckenrekord von 27:47 über die 10 km für das Highlight am 10. April 1993 sorgte, war auch der Umstieg auf die Halbmarathondistanz mit hochklassigen Ergebnissen verbunden. Es gewann einer der damals besten Straßenläufer, Tendai Chimusasa (ZIM) in 1:02:15, der sich erst in der Schlußphase von Sammy Maritim (KEN) in 1:02:27 lösen konnte. Auf Platz 6 lief Jason Mosigisi (KEN) ein, der durch seine Tempoarbeit im ersten Teil maßgeblichen Anteil an der flotten Zeit des Siegers hatte.
Wie ausgezeichnet die Zeit des Mannes aus Zimbabwe gleich bei der Premiere war, sollte sich in den folgenden Jahren zeigen, denn nach Siegerzeiten in der Nähe des Streckenrekords aber auch deutlich darüber dauerte es bis zum Jahr 1999 bis der Kenianer Joseph Mareng in 1:02:13 die Bestmarke um die Winzigkeit von zwei Sekunden verbesserte. Schon damals trugen sich nur noch Ostafrikaner in die Siegerlisten ein, daran hat sich bis heute nichts geändert. Überraschender Weise kamen vor der Ära des Halbmarathon in Paderborn alle Sieger der 25 km aus Europa. Aber das ist mittlerweile Geschichte.Die Spitze der Männer im Jahr 2001, an zweiter Position läuft der spätere Sieger Kandie. Der Streckenverlauf bezogen auf die “blaue Linie” wird an dieser Stelle “optimiert”. (c) H. Winter
Die neue Bestmarke sollte die nächsten Angriffe durch John Lagat (KEN) in 1:04:53 und Christopher Kandie (KEN) in 1:02:22 überstehen. Und auch der Angriff von Tendai Chimusasa war im Jahr 2002 in 1:02:39 noch nicht von Erfolg gekrönt.Die Spitzengruppe bei den Männern im Jahr 2002. Der dreimalige Sieger im Halbmarathon, Tendai Chimusasa (ZIM), läuft in der Mitte (#22). (c) H. Winter
Aber ein Jahr später war er wieder Streckenrekordler in Paderborn. Carsten Eich hatte sich als Tempomacher zur Verfügung gestellt und sorgte auf den ersten Kilometern für ein moderates Tempo. Das kam erst in die Regionen des Streckenrekords, als der Kenianer Kenduiywo Kiprotich im Mittelteil aufs Tempo drückte. Im Spurt war Chimusasa nicht zu schlagen und gewann mit dem neuen Streckenrekord von 1:02:03 knapp vor den beiden Äthiopier Tesfaye und Jufar.
In den folgenden Jahren konnten sich die Streckenrekordler nicht lange über ihre Errungenschaften freuen, die Entwicklung zu schnellen Zeiten nahm nun in Paderborn gehörig Fahrt auf. Und da bleibt sicher der 10. April 2004 unvergessen, an dem bei strömendem Regen der erst 17jährige Stanley Salil (KEN) völlig überraschend eine Vorstellung der Extraklasse aufs Paderborner Pflaster legte. Mit einem Zwischenspurt, bei dem er den 5 km-Abschnitt von 4 km nach 9 km in grandiosen 13:50 zurücklegte, brachte er sich auf Rekordkurs, den auch ein kurzes taktisches Geplänkel mit dem Tunesier Ridha El Amri nicht gefährden konnte. Stanley erreichte den Heierswall nach 1:01:53 und schaffte damit in der Domstadt die erste Zeit unter 62 Minuten.Veranstaltungsleiter Horst Wiczynski mit dem Sieger des Halbmarathon Stanley Salil (KEN), der 2004 mit 1:01:53 einen neuen Streckenrekord erzielte. (c) Veranstalter
In diesem einmaligen Rennen gelang Oliver Dietz aus Braunschweig auf Platz 3 in 1:02:38 die beste Platzierung und Leistung eines deutschen Läufers im Halbmarathon bei dieser Veranstaltung und eine Sekunde dahinter lief Michael Buchleitner aus Österreich Landesrekord.
Schon im darauf folgenden Jahr 2005 war Stanley seinen Rekord wieder los. Bei nahezu perfekten Bedingungen liefen von Beginn an die Kenianer Elijah Sang und Bellor Yator Miningwo in einem Höllentempo los, das die beiden nach 5 km unter 14 Minuten auf Weltrekordkurs brachte. Zum Ende war das aber für beide Läufer doch ein bisschen zu viel des Guten, und sie wurden im zweiten Part deutlich langsamer. Trotzdem war der zeitliche Vorsprung so hoch, dass Sang, der noch kurzfristig von den 10 km umgemeldet hatte, in 1:01:49 schon wieder eine Verbesserung des Streckenrekords erzielte.
2006 feierte man das 60jährige Jubliäum des Osterlaufs, und da wollten der damalige Organisationsleiter Horst Wiczynski mit seinem Lauf und dem Halbmarathon im speziellen ganz hoch hinaus. Mit Hilfe eines lokalen Sponsors wurden 5000 Euro für eine Zeit von unter einer Stunde ausgelobt. Dass war dann am Ende aber doch zu ambitiös, obwohl an der Spitze drei Kenianer mit dem Ex-Streckenrekordler Stanley Salil (s. oben) als “Hasen” ein gewaltiges Tempo vorlegten. In vielfacher Hinsicht schrieb dieser Lauf (Osterlauf-)Geschichte, denn der spätere Sieger war kein geringerer als Moses Kipkosgei Kigen, der das Kunststück vollbrachte fünfmal (!) in Folge in Paderborn zu gewinnen. Im Jahr 2006 wechselte der kleine Kenianer für einen Lauf in Paderborn auf die Halbmarathondistanz und gewann dank seiner Spurtstärke das Rennen. Mit 1:01:30 wurde der Streckenrekord schon wieder unterboten, an einer Stunde fehlte aber noch ein erhebliches Stück. Trotzdem hatten der Veranstalter sowie Sponsor ein Einsehen und dotierten die großartige Leistung des “Mr. Osterlauf” mit einer Extraprämie.Der zweifache Weltmeister Abel Kirui (KEN) begann seine Karriere in Paderborn. 2006 wurde er Dritter, ein Jahr später Sieger im Halbmarathon. (c) W. Philipp
Knapp geschlagen auf Platz 3 wurde in diesem Rennen der Kenianer Abel Kirui, der im Jahr darauf (2007) nicht zu stoppen war und in 1:01:32 denkbar knapp an der Bestmarke scheiterte. Anmerkenswert sind diesbezüglich nicht nur das spannende Duell mit seinem Landsmann Jonathan Maiyo sondern vor allem auch die Karrieren beider Läufer in den nachfolgenden Jahren. Maiyo wurde beim Dubai Marathon 2012 ein sub-2:05-Marathonläufer und Abel Kirui wurde sogar gleich zweimal Weltmeister im Marathon in den Jahren 2009 und 2011, 2012 holte er dazu bei Olympia in London die Silbermedaille. Er sollte nicht der einzige Weltmeister bleiben, der seine Karriere in Paderborn begann.
Charles Ngolepus (KEN) gewann den Halbmarathon 2008 mit neuem Streckenrekord von 1:01:24. (c) Veranstalter
Den knapp verpassten Rekord holte im folgenden Jahr Charles Ngolepus (KEN) mit 1:01:24 nach und nach einem weiteren Intermezzo mit dem Sieg durch Stephen Koech im Jahr 2009 in 1:02:34 wurde die Bestmarke schon wieder gesteigert. Charles Maina, etliche Male in Paderborn am Start, lief 1:02:13 und kam der 61 Minuten-Barriere schon recht nahe. Als im folgenden Jahr Sammy Korir (der wurde in der lokalen Presse übrigens mit dem legendären Sammy Korir verwechselt, der 2003 beim Berlin Marathon als Tempomacher für Paul Tergat fungierte und diesen erstmals auf eine Zeit von unter 2:05 Stunden trieb) “nur” 1:03:16 erreichte, war das weitgehend den schlechten Bedinungen geschuldet, bei fast hochsommerlichen Temperaturen war an jenem Tag einfach nicht mehr zu machen.Philemon Ronoh (KEN) (Zweiter v.l.) gewann 2012 mit Steckenrekord von 1:00:58. Erstmals blieb ein Läufer in Paderborn unter 61 Minuten. (c) W. Philipp
Dafür gab es im Jahr danach (2012) eine Entschädigung, bei besten Temperaturen gelang Philemon Rono (KEN) in 1:00:58 der erste Lauf an der Pader unter 61 Minuten. Die Stunde kam immer näher. Dass diese im Jahr danach fast unterboten wurde, gehört zu den besonderen Ereignissen in den 70 Jahren Osterlauf. Bei denkbar schlechten Bedingungen – am Anfang gab es Schneegestöber und es wehte ein eisiger Wind – war es zunächst der Favorit Jairus Chanchima (KEN), der als 59:43-Halbmarathonläufer auch in Paderborn eine schnelle Zeit erzielen wollte. Trotz der widrigen Verhältnisse gab er auf den ersten 5 km in guten 14:16 sein Bestes. Als hier das Tempo nachzulassen schien und der sportliche Leiter Christoph Kopp auf dem Motorrad die verbliebenen beiden anderen Mitstreiter zur Tempoarbeit aufforderte, gab es eine der größten Überraschungen in der lange Geschichte des Osterlaufs.
Als nämlich der erst 17jährige Ghirmay Ghebreslassie (nicht: Gebrselassie !) aus Eritrea unvermittelt antrat, sah man sich an den jungen Salil im Jahr 2005 erinnert. Und dass der Zwischenspurt des “Nobodies” – Sprecher Wolf-Dieter Poschmann musste sich beim sportlichen Leiter erst einmal über den jungen Mann erkundigen, viel war da nicht zu erfahren – keine kurze Episode war, zeigte sich schon nach aberwitzigen km-Abschnitten von 2:39, 2:41 und 2:45, die den Youngster bei 9 km auf Kurs zu einer Zeit von unter 59 Minuten brachte. Konnte so etwas gut gehen?
Ghirmay Ghebreslassie (ERI) im Jahr 2013 nach 5 km auf dem Weg zu der großartigen Zeit von 1:00:09. (c) W. Phillip
Wie wir heute wissen, weitgehend ja. Über 28:11 bei 10 km, 42:35 bei 15 km und 57:06 bei 20 km fehlte ihm am Ende etwas die Kraft, um erstmals auch in Paderborn die Schallmauer von einer Stunde zu unterbieten. In einem beeindruckenden Sololauf lief der Mann aus Eritrea 1:00:09 und steigerte damit den Kursrekord auf eine auch international hochklassige Zeit. Es ist kaum auszudenken, was an jenem Tag bei etwas besseren Bedingungen und mehr Konkurrenz möglich gewesen wäre. Wie hoch allerdings trotz einer solchen Topzeit die internationalen Standards liegen, zeigt ein Blick in die Bestenliste des Jahres 2013, wo der junge Mann aus Eritrea nur auf Platz 16 notiert wurde.
Somit kam bei der WM 2015 sein Sieg über die volle Marathondistanz schon ein wenig überraschend, wobei der junge Mann aus Eritrea aber ohne Zweifel von den besonderen, fast schon aberwitzigen äußeren Bedingungen für einen Marathonlauf im Hochsommer in der chinesischen Hauptstadt profitierte. Aber der Titel belegte aufs Neue, was für ein einmaliges Sprungbrett für große (Läufer-)Karrieren der Paderborner Osterlauf ist.
Fentahun Hunegnaw schaffte 2014 den einzigen äthiopischen Sieg im Halbmarathon. (c) W. Philipp
Wie hochklassig die neue Marke war, zeigte sich bereits im Jahr danach, wo es mit Fentahun Hunegnaw in 1:02:16 den bisher einzigen äthiopischen Sieg im Halbmarathon in Paderborn gab. Im letzten Jahr schaffte Abraham Yano (KEN) in 1:01:06 wieder eine sehr gute Zeit, aber diese Leistung lag doch um fast eine Minute von der Ghebreslassie-Marke entfernt. Dazu bleibt anzumerken, dass der Streckenrekord im Halbmarathon mittlerweile eine Qualität erreicht hat, die eine Verbesserung dieser Marke nur noch mit erheblichen Anstrengungen ermöglichen dürfte. Dies würde in die Regionen von unter einer Stunde führen, wo die Leistungsdichte an Topathleten spürbar dünner und exklusiver wird.
Läufer mit der nötigen Klasse sind rar, schwierig zu rekrutieren und teuer. Ghebreslassie, zum Beispiel, dürfte mittlerweile bei den großen Läufen der Zunft so gefragt sein, dass er für Paderborn schlichtweg zu teuer wurde. Somit wird man in Paderborn wohl auf den nächsten Youngster warten müssen, dem eine weitere Überraschung auf dem nicht ganz einfach zu laufenden Kurs vor den Toren der Stadt gelingt. Vielleicht erleben wir das ja schon zum 70jährigen Jubiläum. Aber der Steckenrekord im Halbmarathon ist mittlerweile von solcher Klasse, dass das kein einfaches Unterfangen werden dürfte.
Freuen wir uns auf einen spannenden Osterlauf 2016!
Sieger im Halbmarathon beim Paderborner Osterlauf: | |||
1954 | Hans Vollbach | GER | 1:09:10 |
1993 | Tendai Chimusasa | ZIM | 1:02:15 CR |
1994 | Andrew Eyapan | KEN | 1:02:27 |
1995 | Anthony Mwingereza | TAN | 1:03:06 |
1996 | Wilson Musto | KEN | 1:03:49 |
1997 | Simon Lopuyet | KEN | 1:03:44 |
1998 | Clement Kiprotich | KEN | 1:02:38 |
1999 | Joseph Mareng | KEN | 1:02:13 CR |
2000 | John Lagat | KEN | 1:04:53 |
2001 | Christopher Kandie | KEN | 1:02:22 |
2002 | Tendai Chimusasa | ZIM | 1:02:39 |
2003 | Tendai Chimusasa | ZIM | 1:02:04 CR |
2004 | Stanley Salil | KEN | 1:01:53 CR |
2005 | Elijah Sang | KEN | 1:01:49 CR |
2006 | Moses Kigen | KEN | 1:01:30 CR |
2007 | Abel Kirui | KEN | 1:01:32 |
2008 | Charles Ngolepus | KEN | 1:01:24 CR |
2009 | Stephen Koech | KEN | 1:02:34 |
2010 | Charles Maina | KEN | 1:01:13 CR |
2011 | Sammy Korir | KEN | 1:03:16 |
2012 | Philemon Rono | KEN | 1:00:58 CR |
2013 | Ghirmay Ghebreslassie | ERI | 1:00:09 CR |
2014 | Fentahun Hunegnaw | ETH | 1:02:16 |
2015 | Abraham Yano | KEN | 1:01:06 |
Die Splits beim Streckenrekord im Jahr 2013:
5 km 14:16 (2:47, 2:55, 2:50, 2:54, 2:50)
10 km 28:11 (2:50, 2:39, 2:41, 2:45, 3:00)
15 km 42:35 (2:47, 2:55, 2:53, 2:52; 2:57)
20 km 57:06 (2:53, 2:52, 2:57, 2:55, 2:54)
HM 1:00:09 (3:03)