38. Bank of America Chicago Marathon am 11. Oktober 2015: Sorgt Florence Kiplagat für das Highlight?

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Nachdem der Chicago Marathon in den letzten vier Jahren mit Topleistungen bei den Männern aufwartete – das Mittel der Siegerzeiten lag bei 2:04:11 und dreimal wurde der Streckenrekord auf hochklassige 2:03:45 (Dennis Kimetto, 2013) verbessert -, könnten diesmal die Frauen für die leistungssportlichen Schlagzeilen sorgen. Dies ist schon insofern anmerkenswert, als nach Dopingbefunden die Siegerinnen der letzten Jahre ihre Titel (und damit auch ihre Preisgelder) verloren

Was immer die wahren Gründe für Cheforganisator Carey Pinkowski waren, beim Chicago Marathon werden in diesem Jahr (offizielle) Tempomacher fehlen. Damit sind die Chancen auf eine Fortsetzung der schnellen Rennen der Vorjahre erheblich gesunken. Aber auch mit sog. „Hasen“ würde das Elitefeld bei der diesjährigen Auflage nicht unbedingt Topzeiten erwarten lassen. Besonders in diesem Jahr muss man in Chicago schmerzlich erfahren, dass der Markt an absoluten Spitzenkönnern im Regime von Zeiten unter 2:05 Stunden recht limitiert ist und der globale Kampf zwischen den diversen Veranstaltern um die besten Kräfte immer härter wird.

Dazu kamen zwei Absagen, die das Feld der Spitzenläufer mit Bestzeiten von unter 2:05 Stunden in Chicago von vier auf zwei Läufer reduzierten. So werden neben dem Sieger von 2012, Tsegaye Kebede (ETH), wegen Verletzung auch der Sieger des diesjährigen Tokyo Marathon, Endeshaw Negesse (ETH), fehlen, für den das Visum zu spät beantragt wurde. Somit ist nun der Vorjahreszweite Sammy Kitwara (KEN), der im letzten Jahr 2:04:28 lief, eine Zeit, die er übrigens im Vorfeld exakt vorhersagte, der schnellste im Feld. Kitwara hat in seinen bisherigen Teilnahmen in Chicago die Plätze 4, 3 und 2 belegt und sollte auch nach dem Gesetz der Serie ein erster Anwärter auf den Sieg sein. Dabei war das Jahr 2015 für ihn nicht sonderlich erfolgreich, beim London Marathon im April konnte er sich mit für ihn schwachen 2:07:43 nicht vorne platzieren.

Nur unwesentlich langsamer war bisher Dickson Chumba (KEN), der im letzten Jahr in 2:04:32 Dritter wurde. Nach seinem Sieg beim Tokyo Marathon 2014 in 2:05:42 wurde er im Februar an gleicher Stelle in 2:06:34 Dritter. Weitere Läufer mit Chancen auf vordere Platzierungen sind Girmay Birhanu Gebru (ETH), der mit einer Bestzeit von 2:05:49 (Dubai 2014) erst kurzfristig verpflichtet werden konnte, und Abera Kuma (ETH), der im letzten Jahr Dritter in 2:05:56 beim Berlin Marathon wurde und dieses Jahr den Rotterdam Marathon in 2:06:47 gewann.

Schon seit vielen Jahren ist Wesley Korir (KEN) in Chicago am Start, der sich neben dem Laufen einen Namen durch soziale Projekte in seinem Land sowie seine Zugehörigkeit zum kenianischen Parlament gemacht hat. Er lief seine Bestzeit von 2:06:13 als Fünfter in Chicago im Jahr 2012. Sein größter Erfolg war sicherlich der Gewinn des Boston Marathon im gleichen Jahr, wo er in diesem Jahr in 2:10:49 Fünfter wurde. Als weiterer Läufer mit einer Zeit unter 2:07 Stunden ist Felix Kiprotich (KEN) dabei, der mit einer Bestzeit von 2:06:59 erst spät in das Elitefeld aufgenommen wurde. Komplettiert wird das Elitefeld durch Sammy Ndungu, der in Japan lebt und bei seinem Sieg 2012 beim Lake Biwa Marathon im japanischen Otsu 2:07:26 lief und in diesem Jahr diesen Sieg in 2:09:08 wiederholen konnte, sowie durch Lucas Rotich, der nach dem zweiten Platz beim Amsterdam Marathon 2014 in 2:07:18 in diesem Jahr den Hamburg Marathon in 2:07:17 gewann. Rotich ist Mitglied der Trainingsgruppe um den Sieger des letzten Jahres und des London sowie Berlin Marathon dieses Jahres, Eliud Kipchoge, und wird in Insiderkreisen als „Geheimfavorit“ gehandelt.

Welche Konsequenzen das Tempomacher-lose Rennen hat, wird sich zeigen müssen, die Erwartungen und Vorhersagen im Vorfeld waren recht diffus. Während Racedictor Carey Pinkowski nun wieder die Rückkehr zu einem spannenderen Rennverlauf sieht – dabei waren die Rennen auch bei den Tempojagden der letzten Jahre durchaus ereignisreich -, sah Boston-Sieger Wesley Korir die Chance, dass durch die Abkehr von bedingungslosen Tempojagden weniger Druck zur Manipulation (sprich: Doping) auf die Athleten ausgeübt werden könnte.

Wie schon eingangs angemerkt, könnte durch Florence Kiplagat das Highlight der Veranstaltung bei den Frauen erzielt werden. Mit ihren grandiosen Weltrekorden im Halbmarathon (65:09) in den letzten beiden Jahren ist Florence über die Unterdistanzen bestens ausgewiesen, ihre Bestzeit von 2:19:44 (Berlin 2011) weiter zu verbessern. Im letzten Jahr war sie leicht verletzt ins Rennen gegangen und wurde in Chicago in 2:25:57 nur Dritte. Auch ihr Fünfter Platz beim diesjährigen London Marathon in 2:24:15 entspricht sicher nicht ihrer wahren Leistungsstärke. Die von Meistercoach Renato Canova betreute Athletin fühlt sich aktuell in sehr guter Verfassung und will in der Tat ihr hohes Potential auch über die volle Marathondistanz ausreizen. Dabei wird sie das Fehlen der Pacemaker(innen) kaum tangieren, da im Bereich von 2:17 bis 2:18 in Chicago immer ein ganze Gruppe einheimischer Athleten am Start ist. Gegen Kiplagat werden Mulu Seboka (ETH, 2:21:56), Birhane Dibaba (KEN, 2:22:30), Yebrgual Melese (KEN, 2:23:23) sowie Amane Gobena (ETH, 2:23:30) nur Außenseiterchancen eingeräumt.

chicago-2014-pk-fl-kiplagatErzielt Florence Kiplagat in diesem Jahr ihren ersten Sieg beim Chicago Marathon?  (c) H. Winter

Die Bedingungen für den Lauf, der um 7:30 Uhr Ortszeit (14:30 MESZ) gestartet wird, werden für die Eliteathleten mit 14°C sehr annehmbar sein, es wird weitgehend aufklaren. Störend dürften allerdings der für Chicago um diese Jahreszeit aufböende Wind sowie ein Anstieg der Temperaturen in den Mittagstunden auf über 20°C sein. Bei einem Frauenanteil von 47 % – man hat fast einen Gleichstand der Geschlechter erreicht – werden insgesamt gut 45000 Teilnehmer an der Startlinie im wunderschönen Grant-Park erwartet. Da aus Sicherheitsgründen zum Start noch keine Zuschauer in den Park gelassen werden, wird dieser unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen. Erst zum Finale können dann Zuschauer die Tribünen aufsuchen und die Teilnehmer anfeuern, wovon auch an der Strecke sehr reichlich Gebrauch gemacht wird.

 

Liste der Eliteathleten:

Sammy Kitwara KEN 2:04:28
Dickson Chumba KEN 2:04:32
Girmay Birhanu Gebru ETH 2:05:49
Abera Kuma ETH 2:05:56
Wesley Korir KEN 2:06:13
Felix Kiprotich KEN 2:06:59
Sammy Ndungu KEN 2:07:04
Lucas Rotich KEN 2:07:17

Liste der Eliteathletinnen:

Florence Kiplagat KEN 2:19:44
Mulu Seboka ETH 2:21:56
Birhane Dibaba ETH 2:22:30
Yebrgual Melese ETH 2:23:23
Amane Gobena ETH 2:23:30
Kayoko Fukushi JPN 2:24:21
Meskerem Assefa ETH 2:25:58
Diane Nukuri BDI 2:27:50