49. Berlin Marathon am 24. September 2023: Tigst Assefa läuft in neue Dimensionen und widmet ihren Weltrekord Christoph Kopp

Mit dem neuen Weltrekord von 2:11:53 krönte die Vorjahressiegerin Tigst Assefa (ETH) die 49. Ausgabe des BMW Berlin Marathon. Damit steigerte sie die globale Bestmarke vom Chicago Marathon 2019 von 2:14:04 durch Brigid Kosgei um 2:11 Minuten. Die Jagd des Weltrekordlers Eliud Kipchoge (ETH) war dagegen nicht erfolgreich, der Meister siegte aber hoch überlegen in 2:02:42. Dabei hatte es bis 25 km so ausgesehen, als ob in einem Rennen beide Weltrekorde – Männer sowie Frauen – gebrochen werden könnten. Neben vielen weiteren Highlights ist unbedingt auch der neue deutsche Rekord von Amanal Petros (GER) zu nennen, der seine eigene nationale Rekordmarke von 2:06:27 auf großartige 2:04:58 schraubte.

Bei sehr guten äußeren Bedingungen mit Temperaturen um 13°C beim Start um 9:15 Uhr, leichtem Wind und bedecktem Himmel war nur ein Taupunkt um 10°C ein leistungsfördernder Faktor. Während an der Spitze des Feldes Meister Kipchoge mit drei Tempomachern davonzog, starteten die Frauen mit ersten km-Splits von 3:12, 3:11, 3:14 und 3:12 durchaus flott und passierten 5 km nach 15:59 mit Kurs zu einer Zeit von 2:14:50. 13 Läuferinnen befanden sich da noch in der ersten Gruppe, was sich auch bis 10 km nicht änderte, wobei man sich bei 10 km in 31:45 mit 2:13:59 auf Kurs unter dem Weltrekord befand.  Durch das hohe Tempo zog sich die Spitzengruppe zunehmend in die Länge und bei 15 km in 47:27 lagen nur noch die Vorjahressiegerin und Topfavoritin Tigst Assefa zusammen mit ihrer Landsfrau Workenesh Edesa (ETH) vorne, drei Sekunden später folgte Sheila Chepkirui (KEN), die nach ihrem Sieg beim Berliner Halbmarathon eine der Mitfavoritinnen war.

Mit einem schnellen Kilometer von 15 km nach 16 km in 2:59 schüttelte Assefa ihre letzte Mitstreiterin Edesa ab und stürmte mit weiteren km-Splits von 3:05, 3:06, 3:07 und 3:10 zur 20 km-Marke vor den Yorkbrücken in 1:02:53, wo der Vorsprung auf eine fünfköpfige Verfolgergruppe schon eine halbe Minute betrug. Durch die Tempoverschärfung lag Assefa nun auf Kurs zu einer Zeit von 2:12:29 und es deutete sich schon hier ein Lauf in neue Dimensionen im Marathon der Frauen an. Die Hälfte absolvierte Assefa in 1:06:21 und ließ auch in der zweiten Hälfte, unterstützt von ihren Tempomacher Gebru, zu keinem Moment mehr nach. 25 km erreichte sie in 1:18:40 und 30 km auf dem Hohenzollerdamm in 1:34:12. Hier lagen Chepkirui und Dida Dera (ETH) als erste Verfolgerinnen schon 1:40 Minuten zurück.Tigst Assefa gewann den Berlin Marathon bei den Frauen in der Fabel-Weltrekordzeit von 2:11:53. (c) Screenshot /Livestream

Vorne lief nun Assefa wie entfesselt und erreicht mit km-Splits von 3:07, 3:06, 3:04, 3:07 und 3:07 35 km an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche nach 1:49:42 und lag damit auf Kurs zu der Fabelzeit von 2:12:15. Schon hier sollte sich eine Sensation im Straßenlauf der Frauen andeuten. Assefa zeigte keine Schwächen und stürmte mit ähnlich flotten km-Splits Richtung Ziel. Bei 40 km in 2:05:14 lag sie auf Kurs von 2:12:06 und sogar eine Zeit von unter 2:12 Stunden kam nun in Reichweite. Unfassbar! Mit zwei schnellen Kilometern in 3:03 und 3:02 stürmte die 26-jährige Äthiopierin  in 2:11:53 in Ziel und pulversierte im Sinne des Wortes den Weltrekord von 2:14:04 durch Brigid Kosgei in Chicago 2019.Projizierte Zeit im Ziel von Assefa beim Berlin Marathon 2023 als Funktion der Distanz. Man beachte die völlig verschiedene Renntaktik im Vergleich zum vorigen Weltrekord von Brigid Kosgei in Chicago. (c) H. Winter

Demonstrativ zog sich die Siegerin einen Laufschuh aus, küsste diesen und bedankte sich damit bei ihrem Sponsor adidas, der erst kurz zuvor das nur 138 Gramm schwere Schuhwerk mit einer Carbonplatte auf den Markt gebracht hatte. Mit 66:21 für den ersten Teil und 65:32 für Part 2 lief die neue Weltrekord-Inhaberin einen großartigen negativen Splits. Besonderen Eindruck hinterließ Assefa am Ende der Pressekonferenz nach dem Rennen, wo sie ihren Weltrekord dem im April verstorbenen Manager Christoph Kopp widmete, der sie in vielerlei Hinsicht immer wieder unterstützt hatte und ihr auch anrief, sich auf den Marathon zu konzentrieren. Schade, dass Christoph Kopp diese Sternstunde des Straßenlaufs nicht mehr miterleben durfte.

Die Tempohatz von Assefa sorgte für gewaltige Rückstände der Nächstplatzierten. Mit fast sechs Minuten (!) Rückstand folgte Sheila Chepkirui in 2:17:49 auf Platz 2 und Dritte wurde die von Volker Wagner betreute Debütantin Magdalena Shauri (TAN) in 2:18:41, womit sie den Landesrekord um über sechs Minuten steigerte. Auch dahinter gab es beachtliche Leistungen, 8 Läuferinnen blieben unter 2:20 Stunden, 24 unter 2:30 Stunden. Das gab es noch nie. Und auf  Platz 14 lief Domenika Meyer (GER) aus Regensburg in 2:23:47 eine massive Bestzeit, während einen Platz hinter Fabienne Schlumpf (SUI) in 2:25:27 einen neuen Landesrekord erzielte.

Bei den Männern wurde Eliud Kipchoge zum Rekordsieger des Rennens. Der Kenianer triumphierte zum fünften Mal in Berlin und siegte mit einer Weltklassezeit von 2:02:42 Stunden. Zwar verpasste der 38-Jährige seinen eigenen Weltrekord von 2:01:09 deutlich, doch er erreichte immer noch die achtbeste je gelaufene Zeit. Gemessen an den beiden Siegzeiten war der Berlin Marathon das schnellste Rennen aller Zeiten über die klassische Distanz. Zusammengerechnet ergibt sich eine Zeit von 4:14:35 Stunden. Zum zweiten Mal nach 1999 hält das Rennen in Berlin beide Marathon-Weltrekorde.

Einen sensationellen deutschen Rekord lief Amanal Petros (GER). Der 28-Jährige war als Neunter nach 2:04:58 im Ziel und durchbrach damit als erster Deutscher die 2:05-Stunden-Barriere. Diese Zeit von Amanal Petros wäre vor gut 20 Jahren noch ein Weltrekord gewesen. Es ist der erste deutsche Männer-Rekord in der Geschichte des Rennens, die 1974 am Grunewald begann. Ein Jahr vor den Olympischen Spielen ist Amanal Petros auf dem Weg, den Anschluss an die erweiterte Weltspitze zu finden. Er ist jetzt der viertschnellste Europäer aller Zeiten und hat sogar Großbritanniens Lauf-Superstar Mo Farah in dieser Liste hinter sich gelassen. „Ich habe die Atmosphäre sehr genossen. Die letzten zwei Kilometer waren wundervoll, obwohl ich sehr müde war. Dieses Rennen war etwas ganz Besonderes. Ich habe mit der Zeit schon gerechnet, obwohl im Marathon natürlich immer alles passieren kann“, sagte Amanal Petros. 

Mit einem extrem schnellen Tempo begann Eliud Kipchoge, geführt von drei Tempomachern, das Rennen. Der zweifache kenianische Olympiasieger und Weltrekordler – 2018 war er in Berlin 2:01:39 gelaufen, vor einem Jahr dann 2:01:09 – war nach 60:21 Minuten an der Halbmarathonmarke und lag somit auf Weltrekordkurs. Überraschend lief neben ihm Derseh Kindie (ETH), der mit einer Bestzeit von 2:08:23 an den Start gegangen war. Der Äthiopier hielt lange Zeit mit, brach dann aber rund 10 km vor dem Ziel ein und gab auf. Zu dieser Zeit lag Eliud Kipchoge nicht mehr auf Weltrekordkurs. Der Kenianer konnte sein Tempo dieses Mal nicht halten. Als der hinter ihm laufende Marathon-Debütant Vincent Kipkemboi (Kenia) dichter heran kam, legte Eliud Kipchoge aber noch einmal zu, so dass er letztlich souverän in 2:02:42 gewann. Kipkemboi wurde Zweiter in 2:03:13 vor einem weiteren Debütanten, Tadese Takele (Äthiopien/2:03:24). „Den Weltrekord habe ich verpasst, aber dafür bin ich jetzt der Rekordsieger in Berlin – das ist auch etwas besonderes“, sagte Eliud Kipchoge.

Mit neun Läufern unter 2:05:00 Stunden hatte der Berlin Marathon eine hervorragende Breite in der Spitze. Neunter war dabei Amanal Petros, der von Beginn an ein sehr ambitioniertes Tempo eingeschlagen hatte und die erste Hälfte in 62:12 Minuten lief. Bei Kilometer 30 deutete seine Zwischenzeit von 1:28:16 sogar auf eine Zielzeit von rund 2:04 Stunden hin, doch auf den letzten Kilometern konnte er das famose Tempo nicht mehr ganz halten. Dennoch steigerte er seine Bestzeit von 2:06:27 auf 2:04:58.  Hinter Amanal Petros liefen zwei weitere deutsche Athleten deutliche Bestzeiten und blieben erstmals unter 2:10 Stunden: Auf Platz 18 kam Samuel Fitwi (GER) nach 2:08:28 ins Ziel, Rang 20 belegte Hendrik Pfeiffer (GER) mit 2:08:48. Für die Olympia-Norm von 2:08:10 reichte es jedoch nicht ganz, aber immerhin unterboten beide Athleten die Kadernorm von 2:08:50.

Ergebnisse Marathon der Frauen 2023:
1. Tigist Assefa ETH 2:11:53 WR
2. Sheila Chepkirui KEN 2:17:49
3. Magdalena Shauri TAN 2:18:41
4. Zeineba Yimer ETH 2:19:07
5. Senbere Teferi ETH 2:19:21
6. Dera Dida ETH 2:19:24
7. Workenesh Edesa ETH 2:19:40
8. Helen Bekele ETH 2:19:44
9. Charlotte Purdue GBR 2:22:17
10. Fikrte Wereta ETH 2:23:01
Ergebnisse Marathon der Männer 2023:
1. Eliud Kipchoge KEN 2:02:42
2. Vincent Kipkemoi KEN 2:03:13
3. Tadese Takele ETH 2:03:24
4. Ronald Korir KEN 2:04:22
5. Haftu Teklu ETH 2:04:42
6. Andualem Shiferaw ETH 2:04:44
7. Amos Kipruto KEN 2:04:49
8. Philemon Kiplimo KEN 2:04:56
9. Amanal Petros GER 2:04:58 NR
10. Bonfaace Kiplimo KEN 2:05:05
Ergebnisse Marathon der Frauen 2022:
1. Tigist Assefa ETH 2:15:37 CR
2. Rosemary Wanjiru KEN 2:18:00
3. Tigist Abayechew ETH 2:18:03
4. Workenesh Edesa ETH 2:18:51
5. Meseret Gola ETH 2:20:58
6. Keira D’Amato USA 2:21:48
7. Rika Kaseda JPN 2:21:55
8. Ayuko Suzuki JPN 2:22:02
9. Sayaka Sato JPN 2:22:13
10. Vibian Chepkirui KEN 2:22:21
Ergebnisse Marathon der Männer 2022:
1. Eliud Kipchoge KEN 2:01:09 WR
2. Mark Korir KEN 2:05:58
3. Tady Abate ETH 2:06:28
4. Andamlak Belihu ETH 2:06:40
5. Abel Kipchumba KEN 2:06:49
6. Limenih Getachew ETH 2:07:07
7. Kenya Sonota JPN 2:07:14
8. Tatsuya Maruyama JPN 2:07:50
9. Kento Kikutani JPN 2:07:56
10. Zablon Chumba KEN 2:08:01

 

Die Zwischenzeiten von Tigst Assefa zum Weltrekord:

distance split LAP projected pace
1 km 3:12 last km: 3:12 proj: 2:15:10
2 km 6:23 last km: 3:11 proj: 2:14:42
3 km 9:37 last km: 3:14 proj: 2:15:10
4 km 12:47 last km: 3:10 proj: 2:14:50
5 km 15:59 last km: 3:12 proj: 2:14:50
6 km 19:09 last km: 3:10 proj: 2:14:40
7 km 22:20 last km: 3:11 proj: 2:14:35
8 km 25:27 last km: 3:08 proj: 2:14:16
9 km 28:38 last km: 3:11 proj: 2:14:15
10 km 31:45 last km: 3:07 proj: 2:13:59
11 km 34:53 last km: 3:08 proj: 2:13:49
12 km 38:01 last km: 3:07 proj: 2:13:40
13 km 41:11 last km: 3:10 proj: 2:13:39
14 km 44:20 last km: 3:09 proj: 2:13:37
15 km 47:27 last km: 3:07 proj: 2:13:27
16 km 50:25 last km: 2:59 proj: 2:12:58
17 km 53:30 last km: 3:05 proj: 2:12:47
18 km 56:36 last km: 3:06 proj: 2:12:40
19 km 59:42 last km: 3:07 proj: 2:12:36
20 km 1:02:53 last km: 3:10 proj: 2:12:39
21 km 1:06:00 last km: 3:08 proj: 2:12:38
HM 1:06:21 last km: 3:08 proj: 2:12:42
22 km 1:09:08 last km: 3:08 proj: 2:12:36
23 km 1:12:22 last km: 3:13 proj: 2:12:45
24 km 1:15:30 last km: 3:08 proj: 2:12:44
25 km 1:18:40 last km: 3:11 proj: 2:12:47
26 km 1:21:46 last km: 3:06 proj: 2:12:43
27 km 1:24:55 last km: 3:09 proj: 2:12:43
28 km 1:28:04 last km: 3:09 proj: 2:12:43
29 km 1:31:07 last km: 3:03 proj: 2:12:34
30 km 1:34:12 last km: 3:05 proj: 2:12:30
31 km 1:37:18 last km: 3:06 proj: 2:12:27
32 km 1:40:23 last km: 3:05 proj: 2:12:22
33 km 1:43:28 last km: 3:04 proj: 2:12:17
34 km 1:46:35 last km: 3:07 proj: 2:12:16
35 km 1:49:42 last km: 3:07 proj: 2:12:15
36 km 1:52:49 last km: 3:07 proj: 2:12:13
37 km 1:55:57 last km: 3:08 proj: 2:12:14
38 km 1:58:59 last km: 3:02 proj: 2:12:07
39 km 2:02:07 last km: 3:07 proj: 2:12:07
40 km 2:05:14 last km: 3:07 proj: 2:12:06
41 km 2:08:16 last km: 3:03 proj: 2:12:01
42 km 2:11:18 last km: 3:02 proj: 2:11:55
MA 2:11:53 last km: 0:35 proj: 2:11:53 WR