Heute abend gingen in der ungarischen Hauptstadt Budapest die Weltmeisterschaften der Leichtathletik zu Ende, die großartig organisiert waren und noch bessere sportliche Leistungen boten (wenn auch einige Defizite vor allem in der Technik nicht zu übersehen waren und deren Einsatz zuweilen übertrieben schien). Für die deutsche Leichtathletik, repräsentiert durch Athleten des DLV, erinnerte das globale Sportfest ein wenig an den European Song Contest (ESC), wo mit zunehmender Dauer des Events für deutsche Teilnehmer eine immer größere Ernüchterung angesichts der Erfolgsausbeute aufkam und am Schluss im nationalen Ranking nur einer der letzten Plätze errungen wurde. Die Tage von Budapest zeigten mehr als deutlich, dass der Rest der Welt der deutschen Elite um Längen davon gelaufen, gesprungen, geworfen und gestoßen ist.
Nachdem bei der WM zuvor im US-amerikanischen Eugene mit noch zwei Medaillen der Tiefpunkt erreicht zu sein schien und man sich anschließend bei der EM in München an Erfolgen gegen eine überschaubare europäische Konkurrenz wieder auf dem Weg nach oben wähnte, kam es diesmal knüppeldick. Nach dem letzten Wettwerb der WM – auch dort außergewöhnliche Leistungen – stand fest, dass das Team des DLV zu den Mannschaften gehört, die im Gegensatz zu 46 von 195 Nationen ohne Edelmetall nach Hause fahren. Ganz vorne agierten wieder einmal die USA, die mit 29 Medaillen – davon 12 in Gold – die Bilanz dominieren, ein einstmals mit Deutschland vergleichbarer Konkurrent, Großbritannien und Nordirland, brachte es immerhin auf 10 Podiumsplätze. Deutschland: Null.
Dieser Tiefpunkt in einer der Olympischen Kernsportarten kommt aber nur bedingt überraschend, wenn man aufmerksam die Entwicklungen der letzten Jahre analysiert. Durch fehlende Präsenz in den Medien, der zunehmende Hang zur Leistungslosigkeit und überholte Strukturen im Verband und Vereinen befindet sich der Stellenwert der Leichtathletik in der bundesdeutschen Öffentlichkeit im Sinkflug. Durch die Vergabe der TV-Rechte an Bezahlsender bleibt das sportliche Aushängeschild der internationalen Leichtathletik, die Diamond League, dem deutschen Zuschauer vorenthalten und fällt als motivierende Promotion für die Sportart für den Normalbürger aus. Die zunehmende Abkehr von (sportlicher) Leistung, wie die Posse im Lande um die Bundes-Jugendspiele zeigt, tut ihr übriges und verengt in dramatischer Weise den Pool an viel versprechenden Talenten.
Zieht man dann noch das hohe Risiko einer professionellen Konzentration auf den Leistungssport und die überkommenden Strukuren in Verbänden und Vereinen in Betracht, kann einem die aktuelle Situation kaum noch überraschen. Auch aus fehlendem Interesse dürfte es vielleicht kaum aufgefallen sein, dass die Topevents im Rahmen der Diamond League fast ohne deutsche Athleten über die Bühne gehen, weil schlichtweg das Leistungsniveau auf globaler Ebene nicht (mehr) ausreicht. Dabei bestätigen auch hier einige wenige Ausnahmen die Regel.
Wie der Medaillenspiegel der WM in Budapest belegt, steigen immer mehr Nationen ausgesprochen erfolgreich in der internationalen Szene auf und erhöhen damit die Messlatte für vordere Platzierungen. Die sehr eingeschränkte Konkurrenz im Rodeln oder sonstigen Randsportarten, für deutsche Athleten ein bisher sicherer Garant für Topplatzierungen, ist in der Leichtathletik spätestens seit dieser WM Geschichte. Sich diesen Entwicklungen zu stellen, dürfte für die deutsche Leichtathletik – in der langen Geschichte der WM einmal eine der “großen” Nationen – gewaltige Herausforderungen bedeuten.
Die Medaillenwertung bei der WM 2023 in Budapest | |||||
1. | United States | 12 | 8 | 9 | 29 |
2. | Canada | 4 | 2 | 0 | 6 |
3. | Spain | 4 | 1 | 0 | 5 |
4. | Jamaica | 3 | 5 | 4 | 12 |
5. | Kenya | 3 | 3 | 4 | 10 |
6. | Ethiopia | 2 | 4 | 3 | 9 |
7. | Great Britain & N.I. | 2 | 3 | 5 | 10 |
8. | Netherlands | 2 | 1 | 2 | 5 |
9. | Norway | 2 | 1 | 1 | 4 |
10. | Sweden | 2 | 1 | 0 | 3 |
11. | Uganda | 2 | 0 | 0 | 2 |
12. | Australia | 1 | 2 | 3 | 6 |
13. | Italy | 1 | 2 | 1 | 4 |
14. | Ukraine | 1 | 1 | 0 | 2 |
15. | Greece | 1 | 0 | 1 | 2 |
15. | Japan | 1 | 0 | 1 | 2 |
47. – 195. |
Germany | 0 | 0 | 0 | 0 |