Am Ostersonntag (4. April) werden Elitefelder von absoluter Weltklasse am Start des 15. N Kolay Istanbul Yari Maratonu über die Halbmarathon-Distanz erwartet. Mit Kibiwott Kandie (KEN) ist der aktuelle Weltrekordler dabei, der im Dezember 2020 in Valencia die globale Bestmarke auf unfassbare 57:32 drückte. Der Vorgänger in Sachen globaler Bestmarke ist sein Landsmann Geoffrey Kamworor (KEN), der ein Jahr zuvor in Kopenhagen 58:01 rannte. Am Bosperus kommt es somit zu einer direkten Revanche der Weltrekordhalter. Ob man Zeiten in diesen Dimensionen erwarten kann, wird viel von den äußeren Bedingungen abhängen, da in den Frühlingstagen in der Regel ein merklicher Wind recht üblich in diesen Regionen ist.
Die Strecke des Halbmarathon in Istanbul. (c) SPOR-Istanbul
Für schnelle Zeiten hat man die Strecke auf dem Kennedy-Express-Way, der am Ufer des Bosperus verläuft, weiter optimiert und in die Pendelstrecke nun auch eine Passage auf der Brücke über das Goldene Horn einbezogen. Im Gegensatz zum Marathon im November sind die Höhendifferenzen auf der gesamten Strecke recht gering. Kandie als auch Kamworor standen auf der Startliste des weltbesten Halbmarathon in Ras Al Khaimah Mitte Februar, der Lauf wurde aber wegen der Corona-Pandemie recht kurzfristig abgesagt. Etliche der Topathleten für den dortigen “Jahrhundert-Halbmarathon” kamen somit auf die Startlisten in Istanbul.
Weltrekordler Kibiwott Kandie ist einer der Topfavoriten beim Halbmarathon in Istanbul. (c) Valencia Marathon
Dass in diesen in allen Belangen bewegten Zeiten überhaupt hochklassige Laufevents stattfinden können, liegt darin begründet, dass man in Istanbul mit strikten Hygienekonzepten sowohl im Frühjahr 2020 einen Halbmarathon als auch im Herbst 2020 einen Marathon mit 5000 bzw. sogar 10.000 Teilnehmern ohne ein Infektionsgeschehen organisieren konnte. Für den Lauf am 4. April sind aktuell neben der Elite 3000 Freizeitläufer zugelassen, wobei die Impfprozesse in der Türkei ungleich effektiver und schneller ablaufen als in der Bundesrepublik.
Interessant ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass die Läufer ihre Startnummern bereits während der Anreise zu tragen haben und durch viele zusätzliche Transpondermatten auch schon während des Aufwärmens umfangreich “überwacht” werden. Das bietet bei einem Infektionsgeschehen dann sehr reale Chancen einer Nachverfolgung. Laut Auskunft der Organisatoren vor Ort sind aber bei beiden Events im Jahr 2020 keine Fälle einer Ansteckung nachgewiesen worden. Diese Erfahrung deckt sich im übrigen mit den Beobachtungen vieler (Lauf-)Veranstaltungen zu Corona-Zeiten in anderen Ländern, insb. auch Japan.
Nach längerer Verletzungspause will sich der Ex-Weltrekordler Geoffrey Kamworor in Istanbul zurückmelden. (c) Kopenhagen HM
Von den ursprünglichen fünf sub-59Minuten-Läufern sind bis heute vier übriggeblieben, Andamlak Belihu (ETH) mit 58:54 beim Halbmarathon in Delhi im Jahr 2020 musste absagen. Der Inhaber des Streckenrekords in Istanbul von 59:50 aus dem Jahr 2018 Amdework Walelegn (ETH) steigerte sich im November 2020 in Delhi auf 58:54 und auch Stephen Kissa (UGA) blieb im gleichen Rennen in 58:56 unter einer Schallmauer im Halbmarathon. Dazu gesellt sich Leonard Barsoton (KEN), der bei der letzten WM in Gdynia Sechster wurde und im schnellen Rennen von Valencia im Dezember 2020 seine PB auf 59:09 steigern konnte.
Als späte Verpflichtung ist Amnal Petros ins das Starterfeld gerückt, der in Istanbul den deutschen Rekord von 1:00:34 und ggfs. sogar die Stunden-Barriere angreifen will. (c) H. Winter
Die “türkischen” Farben wird Kaan Kigen Özbilen (TUR) (dahinter steckt der Ex-Kenianer Mike Kigen) vertreten, der sich Anfang 2019 in Ras Al Khaimah auf 59:48 steigerte und seine Topverfassung beim Valenica Marathon im Dezember 2019 auf den großartigen Europarekord von 2:04:16 steigerte. Als Nachrücker in das Elitefeld ist der deutsche Marathon-Rekordler Amanal Petros (GER) von der TV Wattenscheid dabei, der erst am Wochenende seine PB im Halbmarathon auf 1:01:37 verbesserte. Bei ungünstigen Bedingungen im Dresdner Großen Garten konnte man den Eindruck gewinnen, dass Amanal weit flotter rennen kann. Seine Mission Istanbul dürfte in Richtung deutschen Rekord gehen, den seit dem Frühjahr 1993 Carsten Eich mit 1:00:34 innehat. Mit Vestus Chemjor (KEN) sowie vor allem Benard Ngeno (KEN) konnten hochkarätige Tempomacher verpflichtet werden.
Das Feld der Frauen ist sicher ähnlich stark besetzt wie die Männerkonkurrenz, obwohl die aktuelle Inhaberin des Weltrekords von 1:04:31 Ababel Yeshaneh (ETH) wegen der äthiopischen Olympia-Qualifikation im Marathon ihre Startzusage leider recht kurzfristig zurücknehmen musste. Dafür ist es dem Veranstalter aber gelungen, mit der Weltrekord-Halterin im Marathon der Frauen eine hochkarätige “Ersatzfrau” zu gewinnen. Brigid Kosgei (KEN) hat eine offizielle PB im Halbmarathon von 1:04:49 (Ras Al Khaimah 2020), ist aber auf der nicht Regel konformen Strecke beim Great North Run die schnellste jemals gelaufene Zeit von 1:04:28 gerannt.
Die Weltrekordhalterin im (vollen) Marathon Brigid Kosgei ist eine der ersten Anwärterinnen auf den Sieg. (c) S. Hartnett
Leider gab es auch hier mit Joyciline Jepkosgei (KEN) eine weitere Absage einer Weltklasse-Läuferin. So wird Kosgei die stärkste Konkurrenz von Yalemzerf Yehualaw (ETH) bekommen, die sich Ende 2020 in Delhi auf 1:04:46 steigerte. Neben der Siegerin des Prager Halbmarathon im Jahr 2018 Joan Chelimo (KEN) in 1:05:04 sind vor allem die Ex-Welrekordlerin Peres Jepchirchir (KEN) sowie Ruth Chepngetich (KEN) zu nennen. Jepchirchir lief 2017 in Ras Al Khaimah 1:05:06 und wurde im Oktober Halbmarathon-Weltmeisterin in Gdynia in 1:05:16. Und die aktuelle Marathon-Weltmeisterin Chepngetich hält in Istanbul seit April 2019 den Streckenrekord mit 1:05:30. Im Dezember 2020 lief sie in Delhi sogar eine neue PB mit 1:05:06. Mit David Chemweno (KEN) hat man wie in den Vorjahren einen “Hasen” eingespannt, der ohne Zweifel zum besten seiner Zunft zu zählen ist.
Ruth Chepngetich hält in Istanbul den Streckenrekord im Halbmarathon der Frauen. (c) H. Winter
Interessant von deutscher Seite dürfte der Start von Melat Kejeta (GER) von Grün-Weiß Kassel werden, die sich sensationell bei den letzten Halbmarathon-Weltmeisterschaften im Oktober 2020 in Gdynia auf den Nur-Frauen-Europarekord von 1:05:18 steigerte. Es wird sicher spannend sein, zu sehen (Livestream ohne Geoblock wird auf der Homepage angeboten), ob der neue deutsche Topstar (korrekter: Topstarin?) im Straßenlauf ihre tolle Leistung vom Oktober bestätigen kann. Seit diesem Rennen auf polnischem Terrain hat die Frau aus Kassel keine weiteren Wettkämpfe mehr bestritten.
Was die Wetterprognosen anbetrifft, könnte man vermutlich genauso gut würfeln. Derzeit sind Temperaturen um 15°C bei geringer Wolkendecke vorhergesagt. Zusammen mit einem Taupunkt um 6°C und für die Region am Bosperus und Goldem Horn mäßigen Winden dürfte auch Mother Nature in Bezug auf ein großartiges Lauffestival kooperieren. Ähnlich wie Valencia in Sachen Toplevel-Events unternimmt nun auch Istanbul in Zeiten eines weitgehend kastrierten Straßenlauf-Kalenders einen Angriff in die globale Topliga. Good Luck!
Eliteathletinnen Halbmarathon: | |||
Yalemzerf Yehualaw | ETH | 1:04:46 | Delhi 2020 |
Brigid Kosgei | KEN | 1:04:49 | Ras Al Khaimah 2020 |
Joan Chelimo Melly | KEN | 1:05:04 | Prag 2018 |
Ruth Chepngetich | KEN | 1:05:06 | Delhi 2020 |
Peres Jepchirchir | KEN | 1:05:06 | Ras Al Khaimah 2017 |
Melat Kejeta | GER | 1:05:18 | Gdynia 2020 |
Alia Saeed Mohammed | UAE | 1:06:13 | Valencia 2018 |
Yasemin Can | TUR | 1:06:20 | Gdynia 2020 |
Bekelech Gudeta | ETH | 1:07:03 | Kopenhagen 2018 |
Hiwot Gebrekidan | ETH | 1:07:36 | Kopenhagen 2018 |
Eliteathleten Halbmarathon: | |||
Kibiwott Kandie | KEN | 57:32 | Valencia 2020 |
Geoffrey Kamworor | KEN | 58:01 | Kopenhagen 2019 |
Amedework Walelegn | ETH | 58:53 | Delhi 2020 |
Stephen Kissa | UGA | 58:56 | Delhi 2020 |
Leonard Barsoton | KEN | 59:09 | Valencia 2019 |
Kaan Kigen Ozbilen | TUR | 59:48 | Ras Al Khaimah 2019 |
Aras Kaya | TUR | 1:00:51 | Gdynia 2020 |
Roncer Kipkorir | KEN | 1:01:19 | Bukarest 2018 |
Amanal Petros | GER | 1:01:37 | Dresden 2021 |
Getaye Gelaw | ETH | 1:01:42 | Trabzon 2019 |