Was im Vorfeld schon zu erwarten war, hat sich nun bei der Analyse der Zuschauer-Daten für die Übertragung der 97. Ausgabe des Hakone Ekiden durch Nihon TV bestätigt. Bedingt durch die Auflagen der Behörden hatten die Organisatoren auf die Bevölkerung eingewirkt, nicht als Zuschauer an der Strecke dem Event beizuwohnen. Wie man auch in der TV-Übertragung sehen konnte, blieben die meisten Japaner in der Tat zu (im) Haus und verfolgten das bis zum Schluss überaus spannende Rennen am Bildschirm von TV-Gerät oder Computer. Dass dies Konsequenzen auf die Einschaltquoten hatte, versteht sich von selbst.
Während in unseren Landen Laufevents nur noch bei wenigen Großevents im TV live übertragen werden, weil den Anstalten der Aufwand zu hoch erscheint und das Interesse angeblich nicht vorhanden ist, verzeichnet man in Japan in diesem Segment Einschaltquoten, die selbst im Vergleich zu den hiesigen Quotenbringern mit Morden am Fließband oder Schnulzen-Festivals in anderen Dimensionen agieren. Und da machte auf Rekord-Niveau der Hakone-Ekiden an den ersten Tagen des Jahres 2021 in Japan keine Ausnahme.
Dazu muss man anmerken, dass der “Hakone” von Nihon TV (NTV) in einer Qualität an Expertise und Aufwand über täglich ca. 7 Stunden in Szene gesetzt wird, was weltweit in allen Belangen unerreicht ist. Da diese Qualität aber mitnichten auf diesen Lauf begrenzt ist, zeigt sich somit, dass sich durch eine angemessene Umsetzung im TV gerade auch der Laufsport hervorragend “vermarkten” lässt. In Deutschland grüßt – wenn auch auf viel bescheidenerem Niveau – der Fussball oder der Biathlon-Sport. Was die TV-Macher in Japan auf die Bildschirme bringen, ist schlichtweg grandios. Keine Facette des Geschehens geht dem Zuseher verloren, jede noch so marginale Information oder Zwischenzeit wird eingeblendet und immer wieder in inhaltlichen Bezug gesetzt.
Das ist einfach grandios! Nur einen Wermuts-Tropfen hat die ganze Sache: Auch in der Attitüde einer in diesen Dingen landestypischen Arroganz war und ist man bisher nicht willens, diese einmaligen Aktionen auch der weiten Welt zu vermitteln. In einer Weise, die stark an die frühe Historie einer totalen Isolation des Inselstaats erinnert, wird selbst der Livestream vom Hakone “geogeblockt” und damit eine Vielzahl von global am Laufsport interessierten Fans so gut wie ausgeschlossen. Nur auf (fast) illegalen Wegen kann man außerhalb von Japan diese großartige Veranstaltung live oder zeitversetzt miterleben. Dazu tragen dann auch die TV-Medien in unseren Landen bei, die – auch in arroganter Fehleinschätzung der Dinge – ein solch hochkarätiges Welt-Sportevent faktisch ignorieren.
Und wenn man auch den Ausführungen an dieser Stelle nicht in allen Belangen zustimmen mag, die Quoten sprechen eine mehr als deutliche Sprache! Dazu gleich die Topquote, die am zweiten Tag zur Stunde der Entscheidung auf der letzten Etappe gegen 13:30 Uhr eine totale Zuseherschar von 41,8 % notierte. Je nachdem, in welchen Altersgrenzen man ein sinnvolles “Glotzen” ansetzt, sind das 60 bis 70 Millionen Zuschauer. Seit der Erfassung von Quoten (Video Research) wurden solche Zahlen im Lande noch nie erreicht, im Vergleich mit der bundesweiten Medienszene ist das eine ganz andere Liga.
Auch die weiteren Quoten sind mehr als phänomenal. Im Durchschnitt schauten 31,0 % der Seher die Hinetappen des Hakone bei einer Sendezeit von über 6 (!) Stunden, sogar 33,7 % waren auf dem Rückweg dabei – also 32,3 % im Durchschnitt. Das sind auch für japanische Verhältnisse Rekordquoten. Als 2001 Naoko Takahashi beim Berlin Marathon als erste Frau die 2:20 Stunden-Barriere im Marathon unterbot, gab es in Japan einmal vergleichbare Einschaltquoten. Dass solche Zahlen aber nur mit Höchstleistungen auch auf Seiten der Medien zu erzielen sind, das sollte man dringend auch den in unseren Landen verantwortlichen Machern immer wieder vor Augen führen.
Im Land der aufgehende Sonne ist man diesbezüglich sehr viel weiter, und auch die Bescheidenheit der Verantwortlichen, auch angesichts dieses grandiosen Erfolges, spricht Bände. Dazu kommentiert der Produzent der Übertragung Kohei Mochizuki: “Zunächst möchte ich allen Personen, die an der Ausrichtung und Durchführung beteiligt waren, und allen Läufern für ein wunderbares Rennen meinen Tribut zollen. Ich denke, dass die Zuschauerzahl dieses Events das Ergebnis vieler Menschen war, die im Fernsehen und nicht auf der Straße jubelten. Wir sind der einzige Rechteinhaber für Fernsehsender, infolgedessen war es meine Mission, immer bessere Sendungen zu liefern. Wir werden stets eine qualitativ immer noch hochwertigere Rundfunkproduktion anstreben, um die Leistungen der Studenten auch im nächsten Jahr zu vermitteln.”
Diesen Ausführungen ist wenig hinzuzufügen. Aber können sie sich vorstellen, dass man solche Worte einmal in unseren Landen von einem verantwortlichen Intendanten nach einer (Lauf-)Veranstaltung hört? Somit bleibt uns leider nur der neidvolle Blick auf die Insel.