Auch im Marathon, den Evans Chebet (KEN) in 2:03:00 und Peres Jepchirchir (KEN) in 2:17:16 gewannen, gab es bei der 40. Ausgabe des Valencia Marathon am 6. Dezember 2020 eine Flut großartiger Leistungen. Von deutscher Seite ereignete sich eine kleine Sensation, denn – mehr oder minder unerwartet – steigerte sich Amanal Petros (GER) vom TV Wattenscheid in seinem erst zweiten Marathon auf 2:07:16, womit er den deutschen Marathon-Rekord von Arne Gabius von 2:08:33 aus dem Jahr 2015 um mehr als eine Minute verbesserte. Die einmalige Leistungsbreite in dem Lauf belegen z.B. 30 Aktive mit Zeiten von unter 2:10 Stunden. Das gab es bisher noch nie, aber an die Ausnahmelesitungen im halben Marathon kam man am Ende (natürlich) nicht ganz heran.
Mit 14:41 für 5 km und 29:24 für 10 km nahm ein großer Pulk an der Spitze das Rennen auf, der danach 15 km nach 43:51 passierte. Das war in der Tat ein flottes Tempo, aber mit einer Projektion ins Ziel von 2:03:21 lag schon hier deutlich hinter den ambitionierten Zielen einer Zeit von unter 2:02 Stunden oder sogar dem Weltrekord (2:01:39, Kipchoge, Berlin 2018) zurück. Bei 20 km in 58:29 und beim Halbmarathon in 1:01:41 war die Spizengruppe auf 16 Mann geschrumpft, am Tempo hatte sich aber nichts wesenliches geändert. Ein weiterer Weltrekord an diesem Tag hatte sich bereits hier erledigt.
Dafür kam aus den Gruppen danach gute Kunde: Dort war es die Gruppe des spanischen Topläufers Ayad Lamdassem (ESP), der den Landesrekord von Julio Rey von 2:06:52 in Hamburg aus dem Jahr 2006 angreifen wollte. Und dieses Unterfangen – das am Ende auch glanzvoll gelang – sah mit Splits von 14:54 bei 5 km, 30:01 bei 10 km, 45:01 bei 15 km und 1:03:10 bei 20 km von Anbeginn bestens aus. Diese Splits hatten auch insofern Bedeutung, als der deutsche Topläufer Amanal Petros in diese Gruppe “gerutscht” war und das für ihn riskant hohe Tempo ohne Probleme mitgehen konnte. Beim Halbmarathon lag der als 16-jähriger nach Deutschland eingewanderte Flüchtling aus Eritrea mit 1:03:10 weit unter der deutschen Rekordmarke von Gabius aus dem Jahr 2015.
Mit diesem Ablauf hatte im Vorfeld sicher kaum jemand gerechnet, zumal Petros im Vorfeld nur bedingt überzeugen konnte. Bei den 5K Invitational im Juni in Berlin wurde in 14:18 nur Vierter und auch sein Sieg beim Frankfurter Halbmarathon Anfang September 2020 in 1:03:30 war kein Indikator für einen deutschen Marathon-Rekord. Entsprechend wurden auch vom Trainer Tono Kirschbaum seine Splits mit gemischten Gefühlen registriert. Doch die schlechten Nachrichten von der Strecke in Sachen deutscher Läufer betrafen bald darauf den deutschen Meister Tom Gröschel (GER), der nicht ganz fit angereist war und nach dem Halbmarathon ausstieg.
Vorne an der Spitze passierte man mit gleichmäßigem Tempo 25 km in 1:13:02, 30 km in 1:27:42 und 35 km in 1:42:18. Dann war es vor allem Reuben Kiprop (KEN), der im Dezember 2019 den Abu Dhabi Marathon in 2:04:40 gewann und der nun nach vorne ging. Aus dem verbliebenen Quintett an der Spitze stieg bald darauf etwas überraschend und unvermittelt der Vorjahressieger Kinde Atanaw (ETH) aus, dessen Streckenrekord von 2:03:51 in Gefahr war. Als bald darauf auch Kiprop Probleme bekam, war nun nur noch das Trio Chebet, Lawrence Cherono (KEN) – der Sieger u.a. der letzten Rennen in Chicago und Boston – sowie der Mann mit der schnellsten Vorleistung im Feld (2:02:48, Berlin 2019) und Weltjahresschnellste (2:04:15, Tokyo 2020) Birhanu Legese (ETH) in Front.
Evans Chebet gewann den Valencia Marathon in 2:03:00. (c) Livestream/Screenshot
Kurz vor der 40 km-Marke, die nach 1:56:42 passiert wurde, konnte der Topfavorit Legese nicht mehr mithalten und fiel rasch zurück, Cherono und Chebet stritten somit um den Sieg. Das Ziel lag an den Teichen vor dem Science Center, wobei der Schlusspart mit blauen Belägen aufwendig hergerichtet wurde. Und dieser Belag wurde Cherono ca. 300 m vor dem Ziel zum Verhängnis, als er dort kurz an einer unsauber verlegten Kante stolperte und den Schritt verlor. Chebet nutzte die Chance, zog vorbei und gewann den Zielsprint nach 2:03:00, nur seine Nettozeit von 2:02:59 blieb noch im Regime der vom Veranstalter erhofften 2:02er-Zeit. Mit vier Sekunden Rückstand wurde der Sieg gewohnte Cherono Zweiter in 2:03:04, dann folgten auf Platz 3 Legese in 2:03:16 und auf Platz 4 Amos Kipruto in 2:03:30.
Vier Läufer unter 2:04 Stunden hatte es bisher bei noch keinem Marathon gegeben. Eine gute Vorstellung bot auf Platz 7 in 2:05:05 Ex-Weltmeister Abel Kirui (KEN) und auf Platz 12 konnte Lamdassem in tollen 2:06:35 sein Vorhaben eines spanischen Landesrekords realisieren. Einige Plätze dahinter konnte zwar Petros den Anschluss zum am Schluss wie entfesselt laufenden Spanier nicht halten und ließ nach 30 km in 1:30:08 mit Splits von 1:45:19 bei 35 km und 2:00:37 bei 40 km etwas nach. Aber im Ziel wurden für ihn mit 2:07:18 (netto: 2:07:16) ein neuer deutscher Rekord gestoppt. Damit steigerte er in seinem ersten zweiten Marathon seine PB aus dem Vorjahr an gleicher Stelle von 2:10:29 um über drei Minuten. Diese ernorme Steigerung könnte ihn zum Umdenken in Sachen Startvarianten bei Olympia 2021 motivieren.
Bis jenseits von 30 km konnte Petros sich in der Gruppe mit dem Spanier Lamdassem halten. (c) Livestream/Screenshot
Auch die beiden anderen deutschen Topläufer im Feld konnten überzeugen. Debütant Richard Ringer (GER) kam in 2:10:59 auf Platz 36 ins Ziel und lag damit nur einen Platz hinter Weltmeister Lelisa Desisa (ETH), der in 2:10:44 bei einem weiteren Rennen total einbrach. Ringer hat damit gleich beim ersten Versuch die Olympianorm von 2:11:30 unterboten, wobei nach den Splits im ersten Teil des Rennens (Halbmarathon in 1:04:36) eine noch bessere Zeit schon beim Debüt möglich schien. Philipp Pflieger (GER), der für den Haspa Hamburg Marathon startet, konnte sich auf 2:12:15 verbessern, für Olympia reicht dies aber noch nicht. Auch für ihn sah es nach der Hälfte zusammen mit Richard Ringer noch weit besser aus, doch nach 1:16:33 bei 25 km und 1:32:19 bei 30 km konnte er anschließend das für ihn zu hohe Tempo nicht mehr halten. Hinter Petros könnte im kommenden halben Jahr noch ein spannender Kampf um die beiden weiteren Startplätze für das deutsche Olympiateam im Marathon der Männer entbrennen, in den auch der entthronte Rekordler Arne Gabius eingreifen will.
Im internationalen Ranking machte Valencia durch die Flut an Topzeiten auch im Marathon einen gewaltigen Sprung nach vorne. Beeindruckend ist da schon die Bilanz von 77 PBs und 9 Landesrekorden. Während man im Zehnermittel der besten Zeiten auf einem Kurs im Halbmarathon bereits die globale Krone errungen hat, liegt man nun im vollen Marathon mit einem Mittel von 2:03:55 auf Platz 3, denkbar knapp hinter dem zweitplatzierten London Marathon mit 2:03:52. In dieser Wertung steht derzeit noch der Berlin Marathon mit dem schlicht unfassbaren Mittel von 2:02:55 auf dem Spitzenplatz. Insbesondere durch den Einfluss der neuen Schuhtechnologie, aber auch durch das unerschöpfliche Reservoir an außergewöhnlichen Talenten wird dieses Ranking aber immer kurzlebiger.
Im Rennen der Frauen, das leider weit weniger Beachtung in den Medien fand, lagen zu Beginn neun Läuferinnen in Front, die 5 km nach 16:34, 10 km nach 32:59 und 15 km nach 49:12 erreichten. Überraschend ging die mit hohen Erwartungen versehene Debütantin Fany Chemutai (KEN) dieses Tempo nicht mit, sondern lag schon bei 5 km 20 Sekunden hinter der Spitzengruppe und verlor schnell weiter an Boden. Am Ende wurde die Topläuferin über die halbe Distanz in 2:24:27 in einer durchwachsenen Premiere nur Zehnte.
Die Spitzengruppe mit allen Favoritinnen wurde bei der Hälfte mit 1:09:04 gestoppt, was noch alle Optionen für flotte Zeiten eröffnete. Der Fabel-Weltrekord durch Brigid Kosgei von 2:14:04 war schon im Vorfeld nicht in der Diskussion. Nach 1:21:47 bei 25 km und 1:38:07 bei 30 km fielen vorne erste Vorentscheidungen. Aus der siebenköpfigen Kopfgruppe bestehend aus Jepchirchir, Joyciline Jepkosgei (KEN), Helalia Johannes (NAM), Zeineba Yimer (ETH), Tigist Girma (ETH), Ruti Aga (ETH) und Birhane Dibaba (ETH) vielen nun schnell nacheinander alle Läuferinnen bis auf Jepchirchir und Jepkosgei bis 35 km in 1:54:19 heraus. Erste Verfolgerin mit einem Rückstand von 25 Sekunden war hier Tigist Girma, 10 Sekunden später folgte die Siegerin des Berlin Marathon 2018 in 2:18:34 Ruti Aga.
Die beiden Erstplatzierten im Rennen der Frauen liefen Weltklasse-Zeiten: Joyciline Jepkosgei und Peres Jepchirchir (v.l.). (c) Livestream/Screenshot
An der Spitze setzte sich nun Jepchirchir zusammen mit dem Tempomacher ab und hatte bei 40 km in 2:10:12 schon einen Vorsprung auf Jepkosgei von einer 3/4 Minute herausgelaufen, mit Kurs zu einer Zeit von unter 2:18 Stunden. Jepchirchir gewann das Rennen mit der Welt-Jahresbestleistung und dem Streckenrekord von 2:17:16 und steigerte damit ihre PB vom Sieg in Saitama im Dezember 2019 mit 2:23:50 um mehr als sechs Minuten. Jepkosgei wurde in 2:18:40 Zweite und verbesserte gleichfalls ihre PB vom Sieg beim New York City Marathon im letzten Jahr in 2:22:38 erheblich. Auf Platz 3 lief die am 13. August 1980 geborene Helalia Johannes in 2:19:52 einen neuen Masters-Weltrekord.
Die Mit-Favoritinnen Ruti Aga in 2:20:05 und Birhanes Dibaba in 2:23:07 belegten nur die Plätze 7 und 9. Erfreulich von deutscher Seite waren die Leistungen der Schöneborn-Twins, was sich bereits in den Splits zur Hälfte des Rennens (1:13:08 und 1:14:17) andeutete. Deborah erreichte das Ziel nach sehr guten 2:26:55 und ist damit eine realistische Kandidatin für einen Startplatz im deutschen Marathon-Team bei Olympia 2021. Und Zwillingschwester Rabea schaffte beim Debüt mit 2:28:42 gleich die Olympia-Norm von 2:29:30. Nach den Hahner-Twins hat Deutschland damit ein weiteres Lauf-Paar internationaler Klasse.
Genzebe Dibaba gewann bei ihrem Debüt den Halbmarathon in Valencia. (c) Livestream/Screenshot
Splits des führenden Läufers: | |||
5 km | 14:41 | 14:41 | 2:03:55 |
10 km | 29:22 | 14:41 | 2:03:55 |
15 km | 43:51 | 14:29 | 2:03:21 |
20 km | 58:29 | 14:38 | 2:03:23 |
HM |
1:01:41 | 2:03:22 | |
25 km | 1:13:02 | 14:33 | 2:03:16 |
30 km | 1:27:42 | 14:40 | 2:03:21 |
35 km | 1:42:18 | 14:36 | 2:03:20 |
40 km | 1:56:42 | 14:24 | 2:03:06 |
Marathon |
2:03:00 CR | 6:18 |
Splits vom Amanal Petros (NR): | |||
5 km | 14:54 | 14:54 | 2:05:44 |
10 km | 30:01 | 15:07 | 2:06:39 |
15 km | 45:01 | 15:00 | 2:06:38 |
20 km | 59:54* | 14:53 | 2:06:22 |
HM |
1:03:10 | 2:06:20 | |
25 km | 1:14:50 | 14:56 | 2:06:18 |
30 km | 1:30:08 | 15:18 | 2:06:46 |
35 km | 1:45:19 | 15:11 | 2:06:58 |
40 km | 2:00:37 | 15:18 | 2:07:14 |
Marathon |
2:07:16 NR | 6:39 |
Splits vom Deborah Schöneborn (PB): | |||
5 km | 17:28 | 17:28 | 2:27:24 |
10 km | 34:55 | 17:27 | 2:27:20 |
15 km | 52:03 | 17:08 | 2:26:25 |
20 km | 1:09:19* | 17:16 | 2:26:15 |
HM |
1:13:08 | 2:26:16 | |
25 km | 1:26:39 | 17:20 | 2:26:15 |
30 km | 1:44:11 | 17:32 | 2:26:32 |
35 km | 2:01:52 | 17:41 | 2:26:55 |
40 km | 2:19:28 | 17:36 | 2:27:07 |
Marathon |
2:26:55 PB |
7:27 |