Peres Jepchirchir (KEN) gewann den WM-Titel bei der 19. Halbmarathon-WM im polnischen Gdynia und lief mit 1:05:16 einen neuen Nur-Frauen-Weltrekord, den sie selbst erst im September 2020 in Prag auf 1:05:34 gesteigert hatte. Sensationell gewann die deutsche Topläuferin Melat Kejeta (GER ) vom Laufteam Kassel in der Europa-Rekordzeit von 1:05:18 die Silbermedaille. Bei guten äußeren Bedingungen mit Temperaturen um 7°C machten sich um 11 Uhr gut 100 Frauen auf den Rundkurs von ca. 5,5 km Länge mit dem Ziel am Strand der Stadt. Schon der erste Kilometer in 3:07 deutete an, dass es ein schnelles Rennen werden würde, konsequenter Weise reduzierte sich bei 2 km in 6:13 die Spitzengruppe auf nurnoch 13 Athletinnen.
Das Rennen der Frauen wurde um 11 Uhr gestartet. (c) Livestream/Screenshot
Bei 5 km in 15:20 lag man auf Kurs zu einer Zeit von sehr schnellen 1:04:42. Das Tempo vorne machten Peres Jepchirchir, Joyciline Jepkosgei (KEN) sowie Jasemin Can (TUR). Etwas überraschend befand sich auch die deutsche Topläuferin Melat Kejeta immer noch in dieser Gruppe, aus der mit Brillian Kipkoech und der Weltjahresschnellsten im Marathon Lonah Salpeter (ISR) zwei aussichtreiche Kandidaten auf eine Medaille kurz darauf herausfielen. Eine rennentscheidenede Szene ereignete sich kurz nach 8 km, wo in einer engen Wende die Titelverteidigerin Netsanet Gudeta (ETH) stürzte und damit den Anschluss an die Kopfgruppe verlor.
Nach einer guten halben Stunde lagen noch 7 Läuferinnen vorne, darunter auch Melat Kejeta (3.v.r.). (c) Livestream /Screenshot
Als die Spitze 10 km in 30:47 passierte lag Gudeta bereits 5 Sekunden zurück und sollte diese Lücke auf der restlichen Distanz nicht mehr schließen können. Melat Kejeta lief nach wie vor in der Spitzengruppe mit und unterbot im Vorbeilaufen den deutschen 10 km Rekord von 30:57 durch Irina Mikiteno aus dem Jahr 2008. Bei 15 km, die die Spitze in 46:24 mit Kurs zu einer Zeit von 1:05:16 zurücklegte, war der Rückstand von Gudeta mit 47:08 auf über eine halbe Minute angewachsen. Das Tempo machten nun vorne vor allem Jepkosgei und die aktuelle Weltrekordlerin Ababel Yeshaneh (ETH). Nach 54 Minuten brachte ein weiterer Zwischenfall die nächste Vorentscheidung, denn die Weltbeste Yeshaneh stürzte und beeinträchtigte dabei auch Jepkosgei.
Nach dem Sturz von Yeshaneh setzte sich vorne das Trio Kejeta, Yehualaw und Jepchirchir ab. (c) Livestream/Screenshot
Glück hatte Kejeta, die immer noch vorne dabei war, auf der anderen Straßenseite lief und somit vom Sturz nicht tangiert war. Das Trio Kejeta, Yalemzerf Yehualaw (ETH) sowie Jepchirchir passierte 20 km nach 1:02:04 und die Vergabe der Medaillen schien hier bereits sicher zu sein. Yeshaneh lag hier in 1:02:17 bereits 13 Sekunden zurück. Mittlerweile begann man auch im Ziel sich nach Kejeta zu erkundigen, die in ihren Vorleistungen mit nur 1:08:41 (Venlo 2018) notiert war und hier über 3 Minuten schneller unterwegs war. Aus deutscher Sicht hatte sich schon hier ein sensationeller Verlauf des Rennens ereignet.
Und noch einmal sollte ein äußeres Ereignis den Ausgang des Finales der drei Läuferinnen beeinflussen. Etwa 200 m vor dem Ziel lag Yehualaw in Front, folgte aber einem abbiegenden Führungsfahrrad (Wer hat sich bei einer WM diesen Schwachsinn ausgedacht?) und verlor die Führung an Jepchirchir, die nun mit ausreichendem Vorsprung dem Ziel entgegenspurtete und das Rennen in der neuen Nur-Frauen-Weltrekordzeit von 1:05:16 gewann. Yehualaw stolperte dann noch über eine unsauber verlegte Bahn auf dem Sandstrand und verlor damit Platz 2 an Kejeta, die in 1:05:18 zu einem neuen Europarekord stürmte und dabei ihre PB “pulversierte”.
Peres Jepchirchir wurde nach 2016 zum zweiten Mal Weltmeisterin im Halbmarathon. (c) Livestream/Screenshot
Wie außergewöhnlich Kejetas Leistung war, zeigt nicht nur die Tatsache, dass auch sie deutlich unter dem vorigen Weltrekord blieb, den deutschen Uralt-Rekord durch Uta Pippig von 1:07:58 (Kyoto 1995) steigerte die aus Äthiopien stammende Athletin in neue Dimensionen und der dürfte auf absehbare Zeit von keiner anderen deutschen Läuferin zu erreichen sein. Yehualaw wurde in 1:15:19 Dritte, während die Weltrekordlerin für Mixed-Rennen Yeshaneh in 1:05:41 Fünfte wurde. Erst auf Platz 8 erreichte die Titelverteidigerin Gudeta das Ziel nach 1:06:46.
Melat Kejeta wurde durch den WA-Präsidenten Lord Coe die Silbermedaille überreicht. (c) Livestream/Screenshot
Da sich auch die weiteren deutschen Läuferinnen sehr achtbar schlugen, Laura Hottenrott (GER) vom TV Wattenscheid wurde in PB von 1:10:49 26. und die Schöneborn Schwestern Rabea und Deborah von der LG Nord Berlin landeten in 1:12:35 und 1:12:39 auf den Plätzen 54 sowie 55, gewann das deutsche Team – fast so sensationell wie Platz 2 von Kejeta – die Bronzemedaille hinter den ganz großen der Szene Kenia und Äthiopien. Und dadurch war Deutschland auch im Medaillenspiegel unerwartet gut vertreten und gewann 2 von 12 möglichen Plaketten. Dies sind die ersten Medaillen, die der DLV bei einer WM im Halbmnarathon gewinnen konnte.
Zusammen mit Kejeta gewannen die weiteren deutschen Läuferinnen Fabienne Königstein, Laura Hottenrott, Rabea und Deborah Schöneborn (v.l.) die Bronzemedaille in der Team-Wertung. (c) Livestream/Screenshot
Kleines Fazit: Seit heute hat Deutschland nach Irina Mikitenko, Kathrin Heinig oder Uta Pippig mit Melat Kejeta wieder eine Läuferin auf den langen Strecken auf der Straße von absoluter Weltklasse. Es dürfte nach der heutigen Vorstellung in Gdynia kaum verwundern, wenn sie sich auch im Marathon in die Dimensionen der absoluten Weltklasse schieben würde. Schade, dass das deutsche TV bei dieser Sternstunde für die deutsche Leichtathletik nicht dabei war. Aber der öffentlich-rechtliche Verein ist auf dem besten Weg, sich selbst abzuschaffen. Über YOUTUBE war das Events in einer hochwertigen Produktion zu verfolgen. Da fragt man sich schon, wozu man das Zwangs-Pay-TV in den bundesdeutschen Medien noch braucht?
Und eine gewisse Irritation über die erreichten Zeiten bleibt beim Betrachter schon zurück. Mit den Anstiegen und Gefälle, der Qualität der Straßen und vor allem auch der engen Wenden sowie Kurven war der Kurs sicher nicht einfach zu laufen. Im Rennen mit PBs für ca. 65% aller Teilnehmer wurden diese Erwartungen aber auf den Kopf gestellt.
Historische Statistik für den DLV: 2 von 12 Medaillen bei der WM gehen nach “Germany”. (c) Livestream/Screenshot
Den Wettstreit der Schuhe gewannen Nike und Adidas. 3 der 4 Topplatzierten trugen Adidas! (c) Derry McVeigh/Korrektur bei Platz 3 der Frauen