Auch in Zeiten der Corona-Pandemie sorgt Valencia in Sachen Langstreckenlauf für Furore. Beim “NN Valencia World Record Day” am späten Abend im städtischen Turia Stadion setzten Letesenbet Gidey (ETH) und Joshua Cheptegei (UGA) ihre Ankündigungen in Sachen Weltrekord um und verbesserten die globalen Bestmarken und jeweils ca. 5 Sekunden. Gidey erreichte das Ziel der 5000 m-Distanz nach 14:06,62 und unterbot damit die 15 Jahre alte Marke von 14:11,15 durch Lauflegende Tirunesh Dibaba sehr deutlich, sofort anschließend beendete Cheptegei die Tempojagd über 10000 m nach 26:11,00. Damit steigerte der Ausnahmeläufer aus Uganda die Marke von Kenenisa Bekele, der im Jahr 2005 in Brüssel 26:17,53 gelaufen war.
Die Topathletin Letesenbet Gidey vor dem Start zum 5000 m-Lauf der rauen. (c) Livestream/Screenshot
Im 5000 m-Lauf war es zunächst Esther Guerrero (ESP), die auf dem ersten Kilometer in 2:51,1 für ein angemessenes Tempo sorgte. Bald darauf übernahm dann mit Rundenzeiten um 68 Sekunden die Hindernis-Weltrekordlerin Beatrice Chepkoech (KEN) die Pace und führte Gidey über 5:42,7 bei 2000 m nach 3000 m in 8:31,85 mit einem letzten km von 2:49,1. Dibaba war damals an dieser Stelle in 8:38,8 durchgangen, konnte aber auf dem letzten Kilometer seinerzeit erheblich zulegen. Chepkoech stieg nun aus und Gidey war auf sich allein gestellt, hatte aber durch ein Lauflicht an der Bahnkante (“wavelight technology”) stets eine gute Orientierung über den Stand der Dinge.
Gidey mit den beiden Tempomacherinnen Guerrero und Chepkoech unterstützt durch Lauflichter an der Bahnkante. (c) Livestream/Screenshot
Mit Runden nahe an 67 Sekunden erreichte die Äthiopierin 4000 m nach 11:19,2, womit eine Zeit in den Regionen des Weltrekords schon so gut wie sicher schien. Gidey konnte das Tempo problemlos halten und erreichte nach einem Schluss-Kilometer in 2:47,5 das Ziel nach 14:06:62 … neuer WELTREKORD! Artig bedankte sie sich in mehr als passablem Englisch bei den wenigen Zuschauern, Mitläuferinnen und Betreuern und gab damit eine ideale Vorlage für den weiteren Höhepunkt des Abends bei den Männern. Eine nette Episode aus dem Reich der Statistik: Mit exakt dieser Zeit von 14:06,6 wurde der legendäre Emil Zatopek im Jahr 1952 in Helsinki Olympiasieger über diese Distanz.
Letesenbet Gidey erreicht das Ziel nach 14:06,62 – neuer Weltrekord. (c) Livestream/Screenshot
Schon kurz nach dem Rennen der Frauen gingen die Männer an den Start, wo zunächst Roy Hoornweg (NED) das Tempo machte. Mit Runden sehr nahe an 63 Sekunden passierte man 2 km nach 5:15,1 und 3 km nach 7:52,8. Dann stieg Hoornweg bei keinesfalls optimalen Bedingungen mit Temperaturen um 22°C und 55% rel. Luftfeuchte (Taupunkt 12°C) sichtlich erschöpft aus und Nicolas Kimeli (KEN) übernahm nun die Tempogestaltung. Über 10:29,8 bei 4000 m wurde die Hälfte der Distanz nach 5 km in 13:07,7 erreicht; verdoppelt man diesen Split, lag Cheptegei knapp unter der Bekele Marke.
Joshua Cheptegei kurz vor dem Start über 10000 m (Anmerkung: Die SB bezieht sich nicht auf Cheptegei, sondern ist die WR-Zeit von Bekele). (c) Livestream/Screenshot
Bei Halbzeit lag man in etwa bei den Vorgaben im Vorfeld von 13:05 Minuten, ungeplant kam allerdings das Beenden der Tempomacherdienste von Kimeli nach bereits 5200 m. Der Kenianer sollte Cheptegei bis hinter 6000 m ziehen, beendete aber schon hier am Ende seine Dienste. Das irritierte Cheptegei aber wenig, der auch seine weiteren Weltrekorde jeweils im Alleingang erzielen musste. Einem Uhrwerk gleich lagen seine Rundenzeiten zwischen 62,5 und 63 Sekunden und mit Splits von 18:22,00, 20:59,48 und 23:36,75 bei 7 km, 8 km und 9 km war der Mann aus Uganda nach wie vor auf Rekordkurs.
Cheptegei und Tempomacher Kimeli lagen kurz vor 5 km fast perfekt auf Kurs zu der Weltrekordzeit von Bekele. (c) Livestream/Screenshot
Für den letzten Kilometer hatte Cheptegei nun noch 2:41 Minuten Zeit zum Weltrekord, die er mit einer Schlussrunde von 60 Sekunden und einem finalen Kilometer von 2:33,25 deutlich unterbot. Nach 26:11,00 Minuten blieben am Ende die Uhren stehen, damit gab es an diesem Abend den zweiten WELTREKORD. Nachdem über mehr als 10 Jahre niemand in der Laufszene den Fabelmarken Bekeles über 5000 m und 10000 m nahe gekommen war, löschte Cheptegei in einer – noch dazu nicht einfachen – Saison beide Marken aus. Es bestehen nun kaum noch Zweifel, dass der soeben 24-jährige Joshua Cheptegei auf dem Weg zu den ganz Großen der Laufszene ist.
Solche Fotos dürfen nach vollbrachter Tat nicht fehlen: Stolz präsentiert sich der neue Weltrekordler vor der Zeitanzeige. (c) Livestream/Screenshot
Seine PB konnte Cheptegei um gut 37 Sekunden steigern, das ist eigentlich kaum realistisch, man muss aber diesbezüglich anmerken, dass seine Rennen über diese Distanz zuvor keine Rekord-Rennen am Limit waren. Dieses Argument dürfte im übrigen auch für Gidey gelten, die sich um mehr als 16 Sekunden steigern konnte. Nachdem die Bahnlangstrecken nach den Glanzzeiten von Haile Gebrselassie, Paul Tergat und Kenenisa Bekele für viele Jahre in eine Art Dornröschenschlaf verfallen waren, stehen nun eine ganze Reihe von jungen Athleten bereit, die die Traumgrenzen von 14 Minuten im 5000 m-Lauf der Frauen und 26 Minuten im 10000 m-Lauf der Männer in Angriff zu nehmen. Nach den Impressionen am heutigen Abend dürfte das sicher keine weiteren 10 Jahre dauern.
Kimeli nahm nach 5200 m einen Gang heraus und beendete das Rennen als Zweiter in 27:12,98, Dritter wurde Shadrack Kipchirchir (USA) in 27:28,97, womit er klar an seinem Vorhaben einer Zeit unter 27 Minuten scheiterte. Ein Verlierer des Abends war sicherlich Kenenisa Bekele, der beim Berlin Marathon 2019 denkbar knapp daran scheiterte, alle Weltrekorde auf den prominenten Langstrecken 5000 m, 10000 m und den Marathon zu besitzen. Nun steht die Lauflegende ohne nennenswerten Freiluftrekord da. Und eine Aufstellung der 1000 m-Splits zeigt wie gleichmäßig Cheptegei seinen Rekord erzielte. Gleichmäßiger – bis auf die letzte Runde in 60 Sekunden – kann man kaum laufen.
km-Splits des führenden Läufers | ||
1 km | 2:37,9 (Bekele: 2:39,9) | 2:37,9 |
2 km | 5:15,0 (5:15,6) | 2:37,2 |
3 km | 7:52,7 (7:53,0) | 2:37,7 |
4 km | 10:29,8 (10:30,0) | 2:37,1 |
5 km | 13:07,7 (13:09,2) | 2:37,9 |
6 km | 15:45,0 (15:44,7) | 2:37,3 |
7 km | 18:22,0 (18:24,0) | 2:37,0 |
8 km | 20:59,5 (21:04,6) | 2:37,5 |
9 km | 23:36,8 (23:45,1) | 2:37,7 |
10 km | 26:11,00 WR (26:17,53) |
2:34,2 |
Daran hatte sicher auch die “Wavelight Technology ” ihren Anteil, wie vermutlich auch das Schuhwerk. Aber wie sagte der neue Rekordhalter bereits im Vorfeld seines Rekordversuchs: “We are not in 1970 or 1980 …”. Auf seinen nächsten Auftritt in 10 Tagen bei der Halbmarathon WM im polnischen Gdynia kann man schon heute gespannt sein. Sein Debüt dürfte mit Sicherheit schnell werden, nach der Vorstellung in Valencia über 10000 m muss man ihn dort sogar in den engeren Favoritenkreis einbeziehen.
Und abschließend sei noch darauf verwiesen, dass die Tempojagden auf der Bahn schon am kommenden Samstag (10. Oktober) weitergehen. Auf der schnellen Bahn im niederländischen Hengelo geht es über 1000 m und 10000 m der Frauen sowie 5000 m der Männer. Veranstalter ist gleichfalls das NN-Team und Global Sports Communications und am Start werden u.a. die Topstars Faith Kipyegon (KEN), Yomif Kejelcha (ETH)sowie Sifan Hassan (NED) sein. Weitere Weltrekorde sind durchaus möglich.