Noch bevor sich der Star der internationalen Marathon-Szene und Weltrekordler Eliud Kipchoge ab dem 12. Oktober im Wiener Prater-Park mit der Unterstützung von einer Armada an “Hasen” auf die Jagd nach dem Heiligen Gral des Marathon, der 2 Stunden-Barriere, macht, versuchte – ohne großes Mediengetöse und Beachtung der Öffentlichkeit – der kaum zweitklassige kenianische Ausdauerathlet Antony Mutai (KEN) diese historische Grenze des Straßenlaufs zu unterbieten. Ähnlich wie Kipchoge – und das veranschaulicht auch den Unsinn der Aktion im Prater – verlief die Hatz des Ausdauerathleten, der im Mai beim Salzburg Marathon in 2:22:38 auf Platz 2 ins Ziel kam, jenseits des Regelwerks.
Werden es bei Kipchoge vor allem die Tempomacher sein, die sein Anrennen gegen die 2 Stunden-Schallmauer in das Regime der “(sport-)historischen Mülltonne” verbannen, machte es Antony am Sonntag ohne die Unterstützung von “Hasen”, profitierte aber bei seinem Lauf von einem extremen Gefälle in der andalusischen Sierra. Dabei kommt natürlich sofort die Frage auf, warum nicht auch Meister Kipchoge sich dieses Hilfsmittels bedient – 1 m auf 1000 m wäre sowieso legal – und stattdessen im Topf-ebenen Prater-Park seine Runden drehen will. Denn falls eine Aktion nicht mehr Regel konform ist, gibt es eigentlich kaum noch Grenzen der leistungsförderlichen Beigaben.
Und die waren beim “World´s Fastest Marathon” aus der andalusischen Sierra nach Granada in der Tat beachtlich und fokussierten sich auf ein Gefälle im Ausnahme-Regime. Mit dem Start im Hochgebirge auf 2605 m bis ins Ziel auf 667 m in der historischen Altstadt Granadas geht es auf 42195 m 1938 m bergab, d.h. einem mittleren Gefälle von 4,592 % oder 46 m pro Kilometer! Dass auch diese Hilfe mit zunehmender Distanz in die “Beine” geht, musste unser wackerer Topathlet erfahren, denn nachdem er in der ersten Hälfte des Rennens alle bisher bekannten Splits in einem Marathon “pulverisierte”, war nach 30 km sein Pulver verschossen.
Zuvor hatte er den Halbmarathon in 59:30 absolviert und sein Split von 1:10:21 bei 25 km ist fast eine Minute flotter als der aktuelle Weltrekord über diese Distanz von 1:11:18 durch Dennis Kimetto. Danach musste auch Mutai die Erfahrung machen, dass der Marathon erst nach 42195 m zu Ende ist. Für die 10 km von 30 km nach 40 km brauchte er 35:44 Minuten, das liegt in Regionen von engagierten Hobbysportlern, und auch auf den (flachen) Restkilometern in Granada konnte er nicht mehr zulegen. Antony war im Sinne des Wortes nach dem Temporausch in den ersten 1 1/2 Stunden “platt”.
Antony Mutai steigerte seine “PB” im Marathon auf 2:09:38. (c) Veranstalter
Am Ende erreichte er das Ziel nach 2:09:38, womit er seine persönliche Bestzeit um genau 13 Minuten steigerte. Seine positiven Halbmarathon-Splits von 59:30 zu 70:08 sagen allerdings über die Renneinteilung alles. Für die 2 Stunden hatte er trotz der massiven Unterstützung durch die Gefällstrecke einfach nicht das läuferische Potential. Andererseits zeigte er mit seiner Leistung aber auch, wie eine Topathlet der Szene mit entsprechendem spezifischen Traning in den Bergen recht problemlos die 2 Stunden-Barriere im Marathon unterbieten könnte. Dieses Unterfangen käme dann den Initiatoren einer derartigen Aktion weitaus preiswerter als die Hatz im Wiener Vergnügungspark, wäre aber gleichfalls ein “Muster ohne Wert”.
So muss man auf einen “Bannister auf der Marathondistanz” wohl noch einige Jahre warten (der Berlin Marathon verbessert seine (legalen) Rekorde – aktuell sind das 2:01:39 Stunden – um ca. 1 Minute in jeweils 4 bis 5 Jahren). Denn Roger Bannister erlangte seine Berühmtheit und den Status einer Legende durch das Unterbieten einer Traum-Barriere der Leichtathletik, das in allen Belangen mit den Regeln und sportlicher Auffassung im Einklang stand. So wird man sich wohl in Sachen Marathon noch einige Jahre gedulden müssen, in den Bergen der Sierra oder im Wiener Prater wird man diesen Ausnahmeathlet zu Recht noch nicht finden.
Wie schon nach dem “Breaking 2”- Projekt im Mai 2017 auf der Autopiste in Monza wird von den aktuellen Aktionen bis auf viel Theater in sozialen Medien und endlosen Diskussionen in den Foren am Ende wenig die Zeiten überstehen. Das werden auch jene ungeduldigen Kräfte einsehen müssen, die sportliche Ausnahmeleistungen mit dem Scheckbuch und unzureichend fundierten Konzepten erzwingen wollen.
Und zum Schluss noch eine Notiz, die nicht einer gewissen Ironie entbehrt: Der Boston Marathon, der ja auch über einen nicht Regel konformen Kurs verfügt, erkennt die in Granada erbrachten Zeiten als Qualifikationsleistungen an …
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Ergebnisse Marathon der Männer: | |||
1. | Antony Karinga Maina | KEN | 2:09:38 |
2. | Juan Calderon Ramos | ESP | 2:37:38 |
3. | Julius Ndiritu Karinga | KEN | 2:43:34 |
4. | Jesus Peralta Aguilar | ESP | 2:44:36 |
5. | David Mesa Caro | ESP | 2:49:17 |
6. | César Augusto del Valle | ESP | 2:52:00 |