Prag und Berlin Halbmarathon am 7./8. April 2018: Aberwitzige Angriffe auf die Weltrekorde

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Mit unglaublichen Tempojagden wurden am letzten Wochenende in Prag und Berlin die Weltrekorde über die Halbmarathon-Distanz bei Frauen sowie Männern attackiert. Konnte man in Prag auf ein schnelles Rennen bei den Frauen rechen, so kam der Rekordversuch in Berlin mehr als überraschend, vor allem auch deshalb, weil man sich an der Spree leistungssportlich sehr stark auf den Marathon fokusiert und dort bei den Männern die Weltrekorde bis heute im Monopol verwaltet. Somit konnte man die Zwischenzeiten, die Erick Kiptanui (KEN) zusammen mit seinem Tempomacher Vicent Kipchumba (KEN) auf dem Berliner Pflaster produzierten, nur mit ungläubigen Staunen registrieren. Und auch in Prag lief die führenden Frauen lange in einem Regime, das man dem erweiterten Männerfeld zuordnet.

Als ob sich die Aktiven abgesprochen hätten, begannen sowohl Kiptanui als auch in Prag Joan Melly mit einem Tempo, das unrealistisch weit unter der Fahrt für die jeweiligen Weltrekorde lag. In Berlin und Prag war man in der ersten Phase des Rennens auf Kurs zu einer Zeit, die etwa 2 Minuten (!) unter den Weltrekorden lag. Melly erreichte die 5 km nach 14:51, was sich auf eine Halbmarathon-Zeit von 1:02:40 projiziert, einen Tag später war Kiptanui in Berlin das Rennen im Bereich von 56:30 Minuten angelaufen. Die aktuellen Weltrekorde liegen bei 1:04:51 bzw. bei 58:32. Das besagt eigentlich alles.

In den beiden Grafiken sind die aktuellen Projektionen ins Ziel für die beiden Läufe in Berlin und Prag als Funktion der Wegstrecke dargestellt. Leider ist man in Prag sehr zurückhaltend mit Splits, so dass die Daten weit unvollständiger sind (für ein Golden Label Event der IAAF ein eigentlich unhaltbarer Zustand). Bis auf geringe, aber kaum relevante Unterschiede auf den ersten Kilometern zeigen beide Läufe einen monotonen Anstieg, der auf ein zu schnelles Tempo im vorderen Segment hindeutet. Somit ist man in beiden Fällen von der Renntaktik und dem Leistungsvermögen der Läufer zu schnell angelaufen. Bei Kiptanui wurde der Gleichstand mit dem WR bei ca. 12 km erreicht, wo auch sein Tempomacher ausstieg. Danach konnte er aber das Tempo weit besser kontollieren. Am Ende fehlten ihm aber – wie auch Bedan Karoki in Ras Al Khaimah im Februar – 19 Sekunden zum Rekord.

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Bei Melly, die bis ins Ziel von einem (männlichen) Tempomacher begleitet wurde, war die Aktion in Sachen Weltrekord deutlich knapper. Den verlor die Kenianerin erst auf den letzten beiden Kilometern. Ihre Zeit ist zwar nur die drittbeste des Jahres 2018, aber auch ihr Lauf in Prag zeigte, dass augenscheinlich bei den Frauen noch erhebliches Potential auf der Halbmarathon-Distanz besteht. Diesmal hatte Melly noch in der ersten Phase deutlich überzogen. Diesen Eindruck bestätigen auch die Ergebnisse der platzierten Männer, die anfangs mit Melly auf Kurs zu üblichen Zeiten (bei den Männern!) lagen, dieses Tempo konsequent hielten, während Melly danach noch volle 2 Minuten auf die Top-Europäer verlor.

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Nachstehend die Welt-Jahresbestenlisten der IAAF für den Halbmarathon des Jahres 2018. Auch nach den tollen Ergebnissen von Kiptanui und Melly in Prag und Berlin bleibt im Halbmarathon das Vereinigte Arabische Emirat Ras Al Khaimah das Maß aller Dinge.

Welt-Jahresbestenliste 2018 – Halbmarathon Frauen (IAAF)
1. 1:04:52 Fancy CHEMUTAI  KEN Ras Al Khaimah 9 FEB
2. 1:04:55 Mary KEITANY  KEN Ras Al Khaimah 9 FEB
3. 1:05:04 Joan MELLY  KEN Praha 7 APR
4. 1:05:07 Caroline KIPKIRUI  KEN Ras Al Khaimah 9 FEB
5. 1:05:37 Joan MELLY  KEN Ras Al Khaimah 9 FEB
6. 1:06:09 Caroline KIPKIRUI  KEN Praha 7 APR
7. 1:06:11 Netsanet GUDETA  ETH Valencia 24 MAR
8. 1:06:22 Ababel YESHANEH  ETH Istanbul 08 APR
9. 1:06:39 Ruti AGA  ETH Houston 14 JAN
10. 1:06:46 Joyciline JEPKOSGEI  KEN Ras Al Khaimah 09 FEB
Welt-Jahresbestenliste 2018 – Halbmarathon Männer (IAAF)
1. 58:42 Bitan KAROKI  KEN Ras Al Khaimah 9 FEB
1. 58:42 Erick KIPTANUI  KEN Berlin 8 APR
3. 59:00 Jemal MEKONNEN  ETH Ras Al Khaimah 9 FEB
4. 59:06 Alex KIBET  KEN Ras Al Khaimah 9 FEB
5. 59:36 Jorum OKOMBO  KEN Ras Al Khaimah 9 FEB
5. 59:36 Morris GACHAGA  KEN Ras Al Khaimah 9 FEB
7. 59:37 James RUNGARU  KEN The Hague 11 MAR
8. 59:40 Wilfred KIMITEI  KEN Ras Al Khaimah 9 FEB
9. 59:41 Leonard LANGAT  KEN The Hague 11 MAR
10. 59:44 Mule WASIHUN  ETH Barcelona 11 FEB