Ohne Frage hat bisher das Jahr 2017 in der internationalen Straßenlaufszene höchste Erwartungen erfüllt. Bei den Frauen konnten neue Weltrekorde im Halbmarathon und Marathon erzielt werden, bei den Männern sorgte das PR-mäßig bestens inszenierte “Breaking2”-Projekt für die Schlagzeilen. Dazu gab es eine Vielzahl hochklassiger Resultate und noch mehr Mittelmaß. In allen Belangen war aber schon vor der Leichtathletik-WM im August und einem sicher gleichfalls ereignisreichen Herbst das Jahr 2017 überaus ereignisreich.
Schon in guter Tradition legte noch in der Silvesternacht der Züricher Neujahrsmarathon mit breitensportlichen 2:41:34 vor, eine Weltjahres-Bestleistung über die man sich in der Schweiz aber nur gut 24 Stunden freuen konnte. Dann rückten am 2. Januar die äthiopischen Topstars Lemi Berhanu in 2:08:27 und Meseret Mengistu in 2:25:58 beim Xiamen Marathon im boomenden Laufland China die Standards in das Regime der Normalität. Warmes Wetter verhinderte die erhofften deutlich schnelleren Zeiten.
Die Erstplatzierten beim Xiamen Marathon: Debütant Geremew Mosinet, Sieger Lemi Berhanu, Shura Kitata (alle ETH), v.l. (c) Veranstalter
Bereits einen Tag später sorgte die Aoyama Gakuin University aus Tokyo bei der 93. Ausgabe des legendären Hakone Ekiden Staffellaufs für ein hostorisches Resultat, als das Team aus 10 japanischen Studenten die insgesamt 217,1 km in einer Zeit von 11:04:10 Stunden herunterspulte und damit den “Hakone” zum dritten Mal in Folge gewann. Dabei legte die Siegerstaffel im Mittel jeden km in 3:03 Minuten zurück, incl. des Aufstiegs in die gut 800 m hochgelegene Sommerfrische Hakone südwestlich von Tokyo.
Enttäuschend dagegen war am 6. Januar die Siegerzeit der Männer von Araga Habtamu (ETH) in 2:16:39 beim Tiberias Marathon. Dafür lief aber auf der Pendelstrecke um den See Genezareth die Äthiopierin Gebremaryam Hiwot in 2:25:45 Streckenrekord. Am 7. Januar verlangte der neue britische Nachwuchs-Star Callum Hawkins beim Edinburgh Cross dem knapp gewinnenden Vorjahressieger Leonard Korir alles ab, Sir Mo Farah konnte so früh in der Saison noch nicht mithalten. Und am 8. Januar konnte sich beim Halbmarathon im niederländischen Egmond ann Zee in einem schnellen Rennen am Strand und durch die Dünen Dawit Wolde (ETH) in 1:02:41 knapp gegen den Marathon-Weltmeister und New York City Marathon Sieger des letzten Jahres, Ghirmay Ghebreslassie (ERI), durchsetzen.
Die Spitzengruppe beim Halbmarathon in Houston nach 8 Meilen. (c) S. Hartnett
Schwüle und ein sehenswerter Wolkenbruch setzte den Athleten beim Marathon im texanischen Houston am 15. Januar erheblich zu und drückten auf das Leistungsniveau im Vergleich zu den Vorjahren. Dominic Ondoro (KEN) gewann den Marathon in “nur” 2:12:05 bei den Männern, bei den Frauen war Meskerem Asefa (ETH) in 2:30:18 vorne. Der Halbmarathon litt auch unter der kurzfristigen Absage des US-Stars Galen Rupp, hier schlug Leonard Korir (KEN) den in den USA im Asyl lebenden Silbermedaillen-Gewinner im Marathon von Rio Feyisa Lilesa (ETH) in 1:01:14 in einem Fotofinish.
Von ähnlichen Bedingungen am gleichen Tag ließ sich die Elite bei Mumbai Marathon kaum irritieren, Alphonce Simbu (TAN) in 2:09:28 und Bones Kitur (KEN) in 2:29:02 erzielten angesichts dieser Verhältnisse Topzeiten. Eine knappe Woche später gab es dann schon das erste Highlight des Jahres, das beim Standard Chartered Dubai Marathon am 20. Januar allerdings anders verlief, als es viele im Vorfeld erwartet hatten. Nach seiner Ausnahmeleistung beim Berlin Marathon mit 2:03:05 war die Lauflegende Kenenisa Bekele ein erster Anwärter auf den Marathon-Weltrekord, den Dennis Kimetto 2014 mit 2:02:57 aufstellte. Die hohen Erwartungen auf der Rennstrecke im Arabischen Emirat wurden aber schon enttäuscht, bevor es richtig losging. Organisatorische Defizite, Dunkelheit beim Start um 6:30 Uhr, eine Zeitmessmatte nach der Startlinie sowie Pech waren das Mix, das letztlich zum Sturz des Superstars der Szene schon beim Start führte und alle Hoffnungen auf den Rekord zunichte machte.
Eine der dramatischsten Szenen im Laufjahr 2017: Der Sturz von Kenenisa Bekele beim Start zum Dubai Marathon. (c) Veranstalter
Zwar raffte sich Kenenisa auf und setzte das Rennen fort, wurde dabei anfangs mit seinem Bruder Tariku verwechselt, der zunächst in der Spitzengruppe dabei war. Dort wurde hohes Tempo gelaufen, bis 18 km lagen die Splits unter der Marke von Kimetto, selbst beim Halbmarathon nach 1:01:33 sah es noch gut aus. Allerdings nicht für Kenenisa, der mit Schürfwunden an Hüfte und Arm hier weit zurücklag und bald darauf ausstieg.
Tamirat Tola (ETH) gewann mit Streckenrekord von 2:04:10 den Dubai Marathon 2017. Ein grandiose Leistung schon allein wegen eines Taupunktes von 16°C. (c) Veranstalter
An der Spitze mussten fast alle Akteure für die schnelle Fahrt im ersten Teil bitter büßen, nur der Äthiopier Tamirat Tola konnte den Leistungsabfall in Grenzen halten und sogar mit 2:04:10 einen neuen Streckenrekord (besser: Event-Rekord) aufstellen. Mule Wasihun (ETH) als Zweiter lag mit 2:06:46 schon gut 2 1/2 Minuten hinter dem Sieger. Nicht so stark wie in den letzten Jahren waren die Siegerzeiten bei den Frauen, wo Worknesh Degefa (ETH) in 2:22:35 vorne lag.