Mit einer Sensation konnte heute morgen der Prager Halbmarathon aufwarten, denn Joyciline Jepkosgei (KEN) verbesserte bei ihrem neuen Weltrekord in der Fabelzeit von 1:04:52 auch eine ganze Reihe von Weltrekorden, die “auf dem Weg lagen”. Damit ist der Halbmarathon der Frauen eine in der Tat Aufsehen erregende Disziplin, hatte doch erst am 10. Februar im Emirat Ras Al Khaimah Peres Jepchirchir die globale Marke auf 1:05:06 geschraubt.
Bei guten äußeren Bedingungen legte die neue Weltrekordlerin wie die Feuerwehr los, was schon daran zu ersehen war, dass der Abstand zu den Elite-Männern an der Spitze nicht wie üblich schnell wuchs. Nach 11 Minuten betrug der Rückstand der Frauenspitze, das war neben Jepkosgei Vorjahressiegerin Violah Chepchumba, nur etwa 17 Sekunden zu den Männern. Wie rasant die Beiden unterwegs waren, belegte dann ein aberwitziger Split bei 5 km von 14:53. Schon hier musste der Tempacher Edwin Kiplagat (Startnummer 44) so ziemlich alles geben, um die Fahrt zu diktieren. Und die wurde nur unwesentlich langsamer.
Die erste Konsequenz dieser Tempohatz war ein neuer Weltrekord schon bei 10 km durch Jepkosgei in 30:04, die alte Bestmarke hatte bis heute Lauflegende Paula Radcliffe mit 30:21 gehalten. Da die Läufer bei 10 km nur knapp 1 km Luftlinie von Start und Ziel entfernt waren, sollte einer Anerkennung dieser Fabelzeit diesbezüglich nichts im Weg stehen. Wie außergewöhnlich diese Leistung ist, zeigt die Betrachtung, dass die Männer mit etwa 26:30 die 10 km bei einem Halbmarathon passieren müssten. Das ist aktuell kaum vorstellbar. Chepchumba folgte hier nur eine Sekunde später. Was an dieser Zeit ferner bemerkenswert ist, sind die äußeren Bedingungen im ersten Teil der Strecke, wo es gehäuft über Kopfsteinplaster sowie immer wieder über Straßenbahnschienen geht. Das war aber heute für die führenden Frauen offensichtlich kaum ein Problem.
Leider war von den historischen Ereignissen in der Live-Übertragung des tschechischen Fernsehens CTV1 wenig mitzubekommen. Die Übertragung war zwar aufwenig produziert, in der Bildregie war aber (wieder einmal) jemand tätig, der auch nicht in Ansätzen etwas vom Laufsport zu verstehen schien. Davon ließen sich aber die beiden Damen an der Spitze wenig beeindrucken, wobei Chepchumba sehr sichtbar am Limit lief. Dies führte dazu, dass sich Jepkosgei mit ihrem Tempomacher kurz vor 15 km leicht absetzen konnte, die sie nach 45:37 passierte. Auch dies ist ein neuer Weltrekord, die alte Bestmarke von 46:21 hatte Ex-Weltrekordlerin Florence Kiplagat bei ihrem Weltrekord im Halbmarathon in Barcelona aufgestellt.
Chepchumba lag mit dem Tempomacher Ismael Motosio bei 15km 3 Sekunden zurück, verlor nun aber schnell an Boden gegenüber der wie entfesselt laufenden Jepkosgei. Hatten einige schon einen Einbruch wie bei der Cross-WM im Männerrennen letzte Woche erwartet, so strafte Jepkosgei diese Zweifler Lügen. Sie wurde zwar etwas langsamer, lief von 15 km nach 20 km in 15:48 ihren schwächsten 5 km-Abschnitt des Rennens, trotzdem reichte aber ihre Durchgangszeit bei 20 km von 1:01:25 bei weitem aus, auch den 20 km Weltrekord vom Februar in Ras AL Khaimah mit 1:01:40 in neue Höhen zu schrauben. Und auf dem letzten Kilometer + 97,5 m mit 3:36 konnte sie das Zeitpolster auf den Weltrekord verteidigen. Dieser steht nun bei 1:04:52, womit der Halbmarathon-Lauf bei den Frauen in den letzten Jahren eine gewaltige Entwicklung genommen hat. Aber schon bei Olympia 2016 in Rio deutete sich mit dem tollen Weltrekord von Ayana über 10000 m auf der Bahn an, dass über die langen Strecken der Frauen noch Nachholbedarf besteht.
Joyciline Jepkosgei (KEN) läuft beim Prager Halbmarathon mit 1:04:52 einen phantastischen neuen Weltrekord. (c) CTV1-Screenshot
Platz 2 ging an Violah Chepchumba in 1:05:22, die im Schlussteil der Tempohatz zu Beginn noch etwas Tribut zollen musste, trotzdem aber eine grandiose Zeit erreichte. Ihre Bestzeit von 1:05:51 bei ihrem Sieg im letzten Jahr steigerte sie heute erheblich. Danach musste man lange warten, bis mit 1:06:58 Fancy Chemutai (KEN) in 1:06:58 einkam. Auch dies ist immer noch eine Zeit internationaler Klasse. Herausheben muss man auch die Leistung der US-Amerikanerin Jordan Hasay auf Platz 6, die in ihrem zweiten Halbmarathon in 1:07:55 bereits unter 68 Minuten blieb. Dies ist in den USA bisher nur Deena Kastor sowie Shalane Flanagan gelungen. Hasay plant am 17. April ihr Debüt über die volle Distanz beim Boston-Marathon.
Die WR-Splits von J. Jepkosgei: | ||
5 km | 14:53 | |
10 km | 30:04 WR | 15:11 |
15 km | 45:37 WR | 15:33 |
20 km | 1:01:25 WR | 15:48 |
HM | 1:04:52 WR | 3:27 |
Das Rennen der Männern gewann mit großem Vorsprung der Sieger des diesjährigen Dubai Marathon, Tamirat Tola (ETH), in 59:37 Minuten. Dabei begann dies im Gegensatz zu dem der Frauen sehr verhalten mit km-Splits von 2:54, 2:55 und 2:55. 8:44 Minuten für 3 km ist keine ausgesprochen schnelle Zeit und führt am Ende nur zu 61 1/2 Minuten. Ein Pulk von 18 Männern lag hier noch zusammen. Danach zog das Tempo an, 5 km wurde nach 14:25 passiert. Aber bei allem Verdacht einer zu kurzen Strecke ist diese Zeit mehr als normal und deutet auch bei der Klasse des Felde auf korrekte Verhältnisse in Prag hinsichtlich der Strecke hin.
Nach 7 km in 22:05 fiel etwas überraschend Galen Rupp (USA) aus der Spitze, die nun mit 12 Männern die 10 km in 28:32 ansteuerte. Schon bei 12 km fiel die Vorentscheidung, als sich Tola von sechs verbliebenen Mitstreitern mit einem sehenswerten Zwischenspurt lösen konnte. Seine Tempoverschärfung führte im Ziel zu einem Vorsprung von einer glatten Minute. 13:54 Minuten benötigte vorne Tola von 10 km nach 15 km in 42:26 und über 56:37 bei 20 km erreichte er das Ziel nach 59:37. Hinter Tola fiel das Sextett auseinander und Josphat Tanui (KEN) sowie Geoffrey Yegon (KEN) kämpften um die nächste Plätze, die sie in dieser Reihung mit 1:00:38 und 1:00:41 belegten. Der hoch gehandelte Galen Rupp, der nach dem Rennen über Fußprobleme klagte (Was wird nun aus seinem Start beim Boston Marathon?), wurde in 1:01:59 nur Elfter.
Vor allem mit dem “Kracher” bei den Frauen konnte der Prag Halb-Marathon für erhebliches Aufsehen im positiven Sinne sorgen. Dieser Erfolg geht zu einem Teil auch an die Organisatoren von RUNCZECH zurück, die in den letzten Jahren ein einmaliges Erfolgsmodell in Tschechien umsetzen und dabei die Synergien des Konzepts von sieben Veranstaltungen mit gemeinsamen Athletenpools, Manpower, Sponsoren, etc. effizient nutzen konnte.