Auf Autobahnen und Laufstrecken: Der Schwachsinn einer „Maut“

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Bei dem Plan zur Erhebung von „Mautgebühren“ für Laufveranstaltungen droht dem DLV ein Desaster.

„Die (Autobahn-) Maut ist Irrsinn, politisch und ökonomisch“, konnte man in der ZEIT vom 26.März 2015 lesen. Und weiter: „Die Abgeordneten werden für ein Gesetz stimmen, das sie in der Mehrheit für falsch halten, das jeder Vernunft entbehrt und mit dem sich Deutschland in Europa lächerlich macht“.

Etwa zur gleichen Zeit hatte der Deutsche Leichtathletik Verband (kurz: DLV) – genauer dessen Vorstand – eigenmächtig beschlossen, die Abgaben für Laufveranstaltungen an den Verband ohne nachvollziehbare Begründung drastisch zu erhöhen. Die „Maut“ für die Laufstrecken auf den Straßen der Republik, aber auch durch deren Wälder und Fluren soll unabänderlich am 1. Januar 2016 kommen. Deutschland, ein einig „Maut-Land“!

Doch während der Maut-Schwachsinn auf den Autobahnen durch parteipolitische Zwänge durchgedrückt wird und dem Wähler als Erfolg präsentiert wird, scheinen im sportlichen Bereich die basisdemokratischen Mechanismen noch zu funktionieren. Dort haben sich mittlerweile die Dinge derart zugespitzt, dass die Entwicklungen dem DLV zu einem Desaster geraten werden. Durch Fehleinschätzungen, Machtgehabe und am Ende Sturheit hat der Verband diesen Status selbst verschuldet. Dies dürfte den organisatorischen Rahmen von Laufveranstaltungen im Lande nachhaltig verändern. Und auch wenn man das die (wenigen) Damen und Herren in den Verbänden noch gar nicht realisiert haben: Die Sache mit der Maut ist längst „gelaufen“. Gegen den DLV!

Wir sind das (Läufer-)Volk !

Wie in der Politik bediente sich der DLV in Sachen „Maut“ den bewährten Mechanismen, die Basis mit Entscheidungen zu überrumpeln und vermeintlich unabänderliche Fakten zu schaffen. Leider funktioniert dieses Vorgehen in fast allen Fällen, vor allem auch deshalb, weil die Betroffenen oft zu spät realisieren, was da auf sie zukommt. Und in der Tat haben vor allem viele Organisatoren von „kleineren“ Laufveranstaltungen immer noch nicht begriffen, was mit der „Lauf-Maut“ auf sie zukommt.

Dabei hatte Walter Wagner, der mit großem Engagement die Homepage „laufreport.de“ betreibt, schon vor Jahresfrist auf die Konsequenzen dieser einsamen Beschlüsse des DLV hingewiesen. Doch ein einsamer Mahner schien verloren gegen einen mächtigen Verband zu sein. Deshalb dauerte es noch eine Weile bis sich Protest auf einer breiteren Ebene artikulierte. Hier war es insb. die von der Entscheidung des DLV massiv betroffene Vereinigung der deutschen Straßenläufe (German Road Races e.V.), die sich zunehmend zu diesem Thema artikulierte und steigende Solidarität unter der Betroffenen erreichen konnte.

Horst Milde, der Sprecher der German Road Races, konnte mit bewundernswertem Einsatz und Ausdauer dieses Thema immer mehr Betroffenen vermitteln. Eine für den DLV denkbar ungünstige Konstellation, denn hier hatte er sich einen „Gegner“ geschaffen, dem es um die Sache ging und dabei über eine Kompetenz in Sachen Laufsport verfügt, die in den Reihen des DLV auch nicht in Ansätzen zu finden ist. Nicht nur der Berlin Marathon – eine Veranstaltung von Weltgeltung – ist das Lebenswerk dieses rüstigen Seniors. Und wenn er sich eines Themas in Sachen Laufsport annimmt, dann kann man sicher sein, dass er dies mit Konsequenz verfolgt.
Er ist längst als Schaltstelle einer Bewegung gegen die Beschlüsse des Verbandsrats des DLV im Sommer 2014 geworden, ab 1.1.2016 bundeseinheitlich eine Gebühr von 1 Euro pro Finisher bei Volks-und Straßenläufen zu verlangen. Je nach Veranstaltung bedeutet dies eine Erhöhung der Abgaben um mehrere 100 %. Im Klartext: Ob ein Waldlauf mit selbst geklebten Startnummern für gut 100 Teilnehmer oder ein Lauf durch Innenstädte mit mehreren 1000 Aktiven (und der dazu notwendigen professionellen Logistik) werden in gleicher Weise zur Kasse gebeten. Ein Unding!

Dabei ist es vor allem die Konzeptionslosigkeit dieses einsamen Beschlusses, die alle Betroffenen sprachlos macht. Bis heute hatten es der DLV und seine Landesverbände nicht für nötig befunden, dezidiert darzulegen, wie mit den zusätzlichen Geldern konkret verfahren wird und in welcher Form der Laufsport davon profitiert. Da wäre in der Tat viel zu tun, aber vom DLV sah man davon bisher wenig.

Dass der DLV ein gestörtes Verhältnis zur Laufbewegung hat und viele Entwicklungen schlichtweg verschlafen hat, ist offensichtlich. Daran ändert z.B. auch eine hastig installierte und lieblose Webseite „laufen.de“ wenig. Wer sich aktuell regionale „Meisterschaften“ oder ähnliches in der (Bahn-)Leichtathletik anschaut, wird schnell erkennen, dass die Leichtathletik schon lange keine „Kernsportart“ mehr ist. Auch bei noch so anerkennenswertem Einsatz vieler ehrenamtlicher Kräfte bricht dem DLV besonders jenseits einer kleinen Elite die Basis massiv weg. Dass sich dies im Laufsektor besonders im Erwachsenenbereich ganz anders entwickelt hat, wird sich auch im Verband herumgesprochen haben. Beigetragen hat der DLV zu diesen Entwicklungen aber wenig. Vorreiter waren diesbezüglich ganz andere Gruppierungen.

Im Bemühen verlorenes Terrain für sich zu reklamieren, beruft man sich auf sein Monopol in Sachen Leibesertüchtigung und demonstriert mit dem einsamen Beschluss der „Maut“ seine Stärke. Nur so ist zu verstehen, dass man eine erste Welle von Kritik im Keim zu ersticken meint, wenn man kompromisslos zu den gefassten Beschlüssen steht. Dabei hat man augenscheinlich verkannt, welche Dynamik die Thematik schon aufgenommen hat.
Vor allem der offene Brief der Präsidentin des Hessischen Leichtathletikverbandes (HLV) Frau Anja Wolf-Blanke zeigt sehr deutlich, wie wenig man in den oberen Etagen der Verbände vom Kern des Problems versteht. Die gute Frau beschwört das „hohe Gute des organisierten Sports“, wo doch gerade ihr Verband dieses mit dem „Maut“-Beschluss mit Füßen tritt. Wenn sie dann noch anderen Organisationsformen „Gewinnmaximierung“ vorwirft und dabei explizit die German Road Races benennt, ist das mehr als empörend.

Vielleicht wäre hilfreich der wackeren Frau Präsidentin einmal zu erklären: Wer „kleinen“ Veranstalter und Lauftreffs die Möglichkeit gibt, sich in der Öffentlichkeit darzustellen und für Läufe zu werben. Wo „Inklusion“ seit langem aktiv gelebt wird und nicht als Instrument einer Selbstinszenierung missbraucht wird. Wo innovative Ideen auch vor Gefängnismauern nicht haltmachen und einen wichtigen Beitrag zur Resozialisierung leisten. Wo die Unterstützung von Flüchtlingen sich nicht nur auf die Belegung von Turnhallen beschränkt, sondern auch deren gemeinsame Nutzung einbezieht. Liebe Frau Präsidentin, der DLV leistet oder koordiniert diese Arbeit an der Basis jedenfalls nicht.

Doch der Gipfel der präsidialen Argumentationskette ist dann der Hinweis, dass „Vereine und Verbände Non-Profit-Organisationen sind, die gemeinnützig und überwiegend ehrenamtlich einen unbezahlbaren Mehrwert für unsere Gesellschaft schaffen. Für „kleines“ Geld profitieren ungezählte Sportlerinnen und Sportler von den vielfältigen Serviceleistungen der Vereine und Verbände“.

Was „Ehrenamt“ bedeutet, muss man den Veranstaltern an der Basis kaum erklären. Die rennen wegen kleiner Preise vom lokalen Bäcker bis zu Apotheker, lassen die Mitglieder Kuchen backen, markieren in aller Frühe Strecken und vieles mehr. Am Ende bleibt fast nichts für die Vereinskasse übrig, „Gewinnmaximierung“ vollzieht sich hier vor allem auf ideeller Basis. Allein die Gewissheit, vielen Menschen die Freude an der Bewegung zu vermitteln, ist Lohn genug.
Vom DLV sehen die Veranstalter wenig (siehe auch unten). Aber genau diese Klientel ist von den einsamen Beschlüssen am stärksten betroffen. Der eine Euro kann man nach Ansicht des DLV auf das Startgeld aufschlagen. Warum man aber gerade an der Basis eine massive Gebührenerhöhung umsetzt, scheint eher eine „Gewinn-Maximierung“ seitens des DLV zu sein. Und dies ist der eigentliche Skandal in Sachen „Maut“.

Wenn man Ende März am Stand des Rhein-Ruhr Marathon in Duisburg auf der Messe beim Berliner Halbmarathon dessen Organisator Bernd Düngen erlebt, fällt es schwer zu glauben, hier einen Mann vor sich zu haben, der gezielte „Gewinnmaximierung“ betreibt. Auch seine Veranstaltung hat sich den German Road Races angeschlossen, die sich in den letzten Jahren in Sachen Straßenlauf zu einem gewichtigen Gegenpart zum DLV und dessen Interessen entwickelt haben. Düngen hat in einem vielseitigen Papier Kernpunkte der Problematik zusammengefasst, die den Unsinn mit der „Maut“ sehr sachlich belegen. Sein Schreiben hat beim zuständigen Landesverband für erheblichen Wirbel gesorgt. Aber anstelle sich mit seiner sachlich formulierten Kritik auseinander zu setzen, drehte man ihm auf einer Tagung seines Landesverbandes das Mikrofon ab. Auch so kann man von Verbandsseite mit dem Problem umgehen. Aus der Welt schaffen lässt es sich schon lange nicht mehr.

Angesichts der Entschlossenheit an der „Basis“ sollten beim DLV eigentlich die Alarmglocken läuten. Aus einem moderaten Gegenwind ist mittlerweile ein satter Orkan geworden, der die (Lauf-)Landschaft maßgeblich verändert dürfte. Die Bereitschaft, Läufe nicht mehr anzumelden und sich sogar aus dem Verband zu lösen, hat einen solchen Grad an Entschlossenheit erreicht, dass ein Zurück kaum noch möglich scheint. Juristische Drohungen sind in solchen Fällen oft ein letztes Mittel, helfen aber kaum. Wer nicht im Verband ist, dem kann der DLV auch nichts vorschreiben, geschweige denn zur Kasse bitten. So die simpel ist die Quintessenz der juristischen Expertisen. Die „wilden“ Veranstalter wird der DLV auch mit solchen Drohungen kaum an die Kette legen.

Ferner sind die vom DLV vorgebrachten Argumente für eine Verwendung der „Maut“ wenig stichhaltig und entbehren jeder Konzeption. Von den vielen Beiträgen zu diesem Punkt in Foren, Presse, etc. sei hier stellvertretend ein Beitrag vom 11. März 2015 aus den „Kieler Neueste Nachrichten“ zitiert. Viel treffender kann man die Dinge nicht auf den Punkt bringen.
„Eine Vervierfachung der Gebühr lehnt der Leiter des Krooger Jugendtreffs aber mit Nachdruck ab, wie er an unsere Zeitung schreibt: Wir Volkslaufveranstalter wollen Volkssport wortwörtlich fördern, jeder soll mitmachen dürfen ohne große Leistungsfähigkeit oder Vereinszugehörigkeit. Uns als Volkslaufveranstalter interessieren auch wenig die Fortbildungen von Kampfrichtern (die brauchen wir nicht) und Übungsleitern (die haben wir nicht), Ausrichtung von DLV-Kongressen (die kennen wir nicht), wir möchten mit unserer Bewegung als Volkssport nur bedingt Spitzensportler in Trainingslagern fördern, sind denen aber sehr freundschaftlich verbunden, erst recht wenn sie bei uns starten.“

Dem ist in der Tat kaum etwas hinzuzufügen. Wenn überhaupt, dann noch der Hinweis, dass in vielen Äußerungen der Wille sichtbar wird, im Ernstfall den Verband zu verlassen. Die Offenheit und Entschlossenheit, mit der dies öffentlich geäußert wird, sollte dem DLV mehr als zu denken geben. Viel Zeit zum Handeln bleibt nicht. Und ein revidiertes Konzept zur „Maut“ müsste schon sehr stimmig sein. Aktuell ist Letzteres aber kaum vorstellbar.
Somit darf man auf die Entwicklungen in Sachen „Maut“ in der nächsten Zeit sehr gespannt sein. Das (Lauf-)Jahr 2015 wird sicherlich ein sehr ereignisreiches werden, vor allem auch jenseits der Laufstrecken.