Mit einer Sensation ging soeben die erste Laufentscheidung bei den 31. Olympischen Spielen in Rio über die Bühne. In einem wahrhaft historischen Rennen gewann die 24jährige Äthiopierin Almaz Ayana die Goldmedaille in der Fabelzeit von 29:17,45. Damit löschte sie den Uralt-Rekord von 29:31,78 durch Junxia Wang (CHN) aus dem Jahr 1993, der stets unter massivem Verdacht eines Dopings stand. Die Kenianerin Vivian Cheruiyot wurde mit Landesrekord von 29:32,53 Zweite und die Siegerin der letzten beiden Ausgaben über diese Distanz bei Olympia Tirunesh Dibaba (ETH) musste trotz persönlicher Bestzeit von 29:42,56 mit Bronze vorlieb nehmen. Damit hatten die Laufwettbewerbe in Rio einen denkbar günstigen Start und lassen auf weitere tolle Resultate hoffen, die Bahn im Olympiastadion scheint jedenfalls ausgesprochen schnell zu sein.
Almaz Ayana (ETH) gewinnt mit der Fabelzeit von 29:17,45 die Goldmedaille über 10000 m der Frauen. (c) ARD-Screenshot
Erstmals hatte man eine Laufentscheidung über die langen Strecken der Leichtathletik bei Olympia in den Morgenstunden angesetzt (11:10 Ortszeit), was augenscheinlich dem Leistunsniveau mehr als förderlich war. Neben dem Weltrekord durch Ayana hagelte es nationale Rekorde und persönliche Bestzeiten. Vier Läuferinnen unter 30 Minuten, acht unter 31 Minuten und sogar 24 unter 32 Minuten sind ohne Zweifel ein einmaliges Ergebnis.
Alice Nawowuna (KEN) sorgte auf der ersten Hälfte für ein flottes Tempo. (c) ARD-Screenshot
Großen Anteil an den tollen Zeiten hatte sicher die amtierende Afrika-Meisterin Alice Nawowuna (KEN), die sich sofort an die Spitze des Feldes setzte und dieses weit auseinanderzog. Bereits der erste km in 3:01,53 deutete ein schnelles Rennen an. Acht Läuferinnen gingen dieses Tempo mit, am Ende der Spitzengruppe auch die US-Amerikanerin Molly Huddle. Nun wurde das Tempo sogar noch höher und unter der Führung von Nawowuna wurden die 1000m-Abschnitte bis 5000 m in 2:54,26, 2:56,91, 2:57,09 und 2:57:02 zurück gelegt. 5000 m wurden somit nach 14:46,81 erreicht und nur noch fünf Läuferinnen konnten diese Pace mitgehen, neben Nawowuna waren das Ayana, Cheruiyot, Dibaba und Saina (KEN).
Nach 5 km setzte sich Ayana in beeindruckender Manier vom Rest des Feldes ab und war schnell auf Kurs zu einem neuen Weltrekord. (c) ARD-Screenshot
Damit lag man in den Dimensionen des Weltrekords. Doch anstelle eines Nachlassens des Tempos wegen der sehr schnellen ersten Hälfte, erhöhte nun Ayana die Fahrt nochmals sehr sichtbar. Nach 70er bis 71er Runden zogen die Rundesplits nun auf 66,67, 68,80, 69,79, 69,89, etc. an und Ayana war klar in Führung, nur Cheruiyot konnte in respektablem Abstand der Höllenfahrt der Äthiopierin folgen. Die nächsten beiden km wurden aberwitzig schnell, 2:49,93 und 2:53,24. Mit 20:29.98 lag Ayana bei 7000 m auf Kurs unter dem Uralt-Weltrekord. Hinter Ayana und Cheruiyot kämpften Nawowuna und Dibaba über 100 m zurück um die Bronzemedaille.
Almaz Ayana (ETH) erreicht das Ziel nach 29:17,45 – WELTREKORD! (c) ARD-Screenshot
Ayana sah nach wie vor blendend aus, wurde mit km-Abschnitten von 2:55,49 und 2:57,51 nur unwesentlich langsamer und legte sogar im Schlusspart nochmals zu. Mit einem Schluss-Kilometer von 2:54,57 und einer letzten Runde von 68,07 erreichte die kleine Äthiopierin das Ziel in schier unglaublichen 29:17:45 – WELTREKORD! Und was für einer. Fast eine Viertelminute konnte sie die vermeintlich irreguläre Marke der Chinesin Wang steigern. Eine Ausnahmeleistung, vielleicht schon das Highlight dieser Olympischen Spiele in einem “Jahrhundertlauf”. Allerdings so völlig überraschend kam die Leistung der Äthiopierin nicht. Schon in der Saison 2015 war die Weltmeisterin über 5000 m die beste Bahnlangstrecklerin bei den Frauen, die auch ihren Ausflug auf die 10000 m bei den äthiopischen Trials in Hengelo eindrucksvoll bestand. Der Lauf von Rio war erst ihr zweiter Lauf über die 10000 m auf der Bahn.
Die neue und alte Olympia-Siegerin: Ayana (links) und Tirunesh Dibaba. (c) ARD-Screenshot
Dass man als TV-Zuschauer bei der ARD von diesem Ereignis so gut wie nichts mitbekam, verwundert kaum, kämpften doch mit Pfeil und Bogen, mit dem Schießgewehr oder einem dressierten Wallach bundesdeutsche Athleten gegen international sehr überschaubare Konkurrenz dieser Randsportarten um Olympische Ehren. Und auch der Kommentar des Livestreams war kaum zweitklassig. Da liefen die Damen auf der Bahn in einer anderen Liga.
Almaz Ayana (ETH) gewann mit neuem Weltrekord die Goldmedaille über 10000 m der Frauen. (c) ARD-Screenshot
Eine großartige Leistung bot auch Vivian Cheruiyot auf Platz 2 in großartigen 29:32,53, die das Pech hatte mit Ayana auf eine Ausnahmeläuferin in Topform getroffen zu sein. Ihre Zeit pulverisierte trotzdem den Landesrekord von Kenia. Und auch die Dritte, die Grande Dame der 10000 m Tirunesh Dibaba (ETH), steigerte ihren Hausrekord um etwa eine 1/4 Minute. Auf den undankbaren vierten Platz kam Alice Nawowuna, die für ihre mutige Tempoarbeit mit einer Zeit von unter 30 Minuten belohnt wurde. Glänzend auch der US-Rekord von Molly Huddle auf Platz 6 in 30:13,17 und die Zeiten der Nächstplatzierten Can (TUR) in 30:26,41, Burka (ETH) in 30:26,66 und Karoline Groevdal (NOR) in 31:14,07.
Damit haben die Läuferinnen mit ihren Beinen eine klare Antwort auf die funktionärsbedingten Querelen im Vorfeld der Spiele gegeben und die Massen mit herausragendem Sport begeistert. So kann es weitergehen. Und auf das Duell Mo Farah gegen den Rest der Welt (will sagen: Ostafrika) über 10000 m in der Nacht zum Montag kann man sich schon jetzt freuen.
Ergebnisse 10000 m der Frauen: | ||||
1. | Almaz Ayana | ETH | 29:17.45 | WR |
2. | Vivian Jepkemoi Cheruiyot | KEN | 29:32.53 | NR |
3. | Tirunesh Dibaba | ETH | 29:42.56 | PB |
4. | Alice Aprot Nawowuna | KEN | 29:53.51 | PB |
5. | Betsy Saina | KEN | 30:07.78 | PB |
6. | Molly Huddle | USA | 30:13.17 | AR |
7. | Yasemin Can | TUR | 30:26.41 | PB |
8. | Gelete Burka | ETH | 30:26.66 | PB |
9. | Karoline Bjerkeli Grøvdal | NOR | 31:14.07 | PB |
10. | Eloise Wellings | AUS | 31:14.94 | PB |
11. | Emily Infeld | USA | 31:26.94 | PB |
12. | Sarah Lahti | SWE | 31:28.43 | NR |
13. | Diane Nukuri | BDI | 31:28.69 | NR |
14. | Susan Kuijken | NED | 31:32.43 | |
15. | Joanne Pavey | GBR | 31:33.44 | SB |
16. | Jess Andrews | GBR | 31:35.92 | PB |
17. | Alexi Pappas | GRE | 31:36.16 | NR |
18. | Yuka Takashima | JPN | 31:36.44 | |
19. | Darya Maslova | KGZ | 31:36.90 | NR |
20. | Hanami Sekine | JPN | 31:44.44 | |
21. | Dominique Scott | RSA | 31:51.47 | PB |
22. | Natasha Wodak | CAN | 31:53.14 | SB |
23. | Alia Saeed Mohammed | UAE | 31:56.74 | |
24. | Sitora Hamidova | UZB | 31:57.77 | NR |
Die 1000 m Splits der führenden Läuferin: | |||
1000m | Alice Aprot Nawowuna | 3:01.53 | |
2000m | Alice Aprot Nawowuna | 5:55.79 | 2:54.26 |
3000m | Alice Aprot Nawowuna | 8:52.70 | 2:56.91 |
4000m | Alice Aprot Nawowuna | 11:49.79 | 2:57.09 |
5000m | Alice Aprot Nawowuna | 14:46.81 | 2:57.02 |
6000m | Almaz Ayana | 17:36.74 | 2:49.93 |
7000m | Almaz Ayana | 20:29.98 | 2:53.24 |
8000m | Almaz Ayana | 23:25.37 | 2:55.49 |
9000m | Almaz Ayana | 26:22.88 | 2:57.51 |
10000m | Almaz Ayana | 29:17.45 | 2:54.57 |