Mit einem Elitefeld der Extraklasse, das alles übertrifft, was bisher beim “Biwako” an den Start gegangen war, wird am 6. März die bereits 71. Ausgabe des Lake Biwa Mainichi Marathon über die Bühne gehen. Doch für die Schlagzeilen (vor allem in Japan) sorgt wieder das Lauf-Unikum Yuki Kawauchi. Yuki gelang es nicht, sich beim Fukuoka Marathon im Dezember 2015 für Japans Olympia-Team zu empfehlen. Atuell steht er im innerjapanischen Qualifikations-Ranking auf Platz 12 (s. Tabelle unten). Bei dem Raubbau mit seinen Kräften vor Fukuoka kam das aber auch wenig überraschend. Yuki hätte sicher nicht diese übermäßige Popularität im Lande, wenn er nicht immer wieder für außergewöhnliche Aktionen gut wäre. Und dazu gehört nun auch sein Start in Otsu am Ufer des Lake Biwa.
Er hatte nämlich eigentlich schon einen Kontrakt mit dem London Marathon, der ihm drei Monate vor dem Lauf dort jeden Start bei einem anderen Marathon untersagte. Nun hat er aber seine Pläne umgeworfen und den Vertrag mit London aufgehoben, um am 6. März in Otsu seinen japanischen Mitbewerbern um einen Platz im Olympiateam zu zeigen, wer der Bessere im Lande ist. Dabei geht es Yuki nicht mehr darum, in Rio zu laufen, das hat er abgeschrieben, er will nur der japanischen Öffentlichkeit demonstrieren, wo er und seine Mitstreiter stehen, und hat dabei auch noch darauf bestanden, sich als normaler Teilnehmer anzumelden (immerhin bekam er die Startnummer “101”) … und sein Startgeld zu bezahlen! Eigentlich unglaublich. Aber die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit hat er damit allemal. In den so starren Gesellschaftsstrukturen seines Landes zimmert so der “Robin Hood des Straßenlaufs” weiter an seiner Legende. Der Medienhype im Land der aufgehenden Sonne um seine Person scheint sich zu überschlagen.
Yuki Kawauchi startet beim “Biwako” und wird dort sicher einen ähnlichen Medienhype auslösen wie im Dezember 2015 in Fukuoka. (c) H. Winter
Einen weiteren Twist gewinnt seine Aktion dadurch, dass die Leistungen der japanischen Marathon-Männer bei der Qualifikation im Rahmen des Tokyo Marathon am letzten Sonntag enttäuschend schwach waren (kein Läufer unterbot die 2:10 Stunden). Damit kommt dem Lauf am Sonntag als letzte Chance der Qualifikation fürs japanische Olympiateam besondere Bedeutung zu. Und dass nun Zeiten um 2:10 Stunden oder knapp darunter plötzlich ausreichen könnten, die Fahrkarte nach Rio zu erlaufen, hätte im Vorfeld kaum jemand erwartet, vor allem die Verbandsoberen der JAAF, die völlig unrealistische 2:06:30 als sichere Qualifikationszeit im Vorfeld festgelegt hatten. Drastischer können die guten Herren die Verkennung der Realitäten im Elitesegment ihres Lands kaum demonstrieren. Nicht nur bei uns im DLV scheint es diesbezüglich erhebliche Probleme zu geben, so dass nun in beiden Ländern gewaltig “zurückgerudert” werden muss.
Und so richtig interessant dürfte das Prozedere bei den japanischen Marathon-Männern werden, falls Yuki Kawauchi nicht nur als bester Japaner beim Biwako einläuft, sondern auch noch eine Zeit von 2:08:55 oder schneller schafft. Dann würde der beste Läufer des sehr umstrittenen Qualifikationsverfahrens erklärtermaßen zu Hause bleiben, denn die Regeln verlangen, dass Yuki eine Zeit von unter 2:06:30 erreichen muss. Wie schwachsinnig diese Vorgabe gewählt ist, zeigt schon die Tatsache, dass nur einmal ein japanischer Läufer schneller zum Landesrekord unterwegs war. Die wackren Funktionäre aus dem Land der aufgehenden Sonne werden sicher stur auf diesen Regeln beharren, aber ein Sturm der Entrüstung wird durch eine zunehmend emanzipiertere Öffentlichkeit wehen und das JAAF-Establishment erheblich in Verlegenheit bringen. Good luck, Yuki!Yuki Kawauchi jagt die japanische Konkurrenz auf dem Weg nach Rio. (c) H. Winter
Bei diesem Theater tritt (leider) das weitere Feld der Eliteläufer ein wenig in den Hintergrund, das nach vielen Jahren endlich einmal den Ansprüchen an ein “IAAF Golden Lable Race” entspricht. Mit 14 Läufern mit einer Bestzeit von unter 2:10 Stunden ist es den Organisatoren gelungen, sogar dem eine Woche zuvor stattfindenden Toyko Marathon im Elitefeld nahezu ebenbürtig zu sein. Der schnellste im Feld ist der Äthiopier Tadese Tola, der im Jahr 2013 beim legendären Lauf des Dubai Marathon mit fünf Läufern unter 2:05 Stunden 2:04:49 lief. Im Januar stieg er dort allerdings nach 1:01:39 für die erste Hälfte aus, 2012 erreichte er das Ziel nach 2:05:10, 2014 lief er in Tokyo 2:05:57. Er ist damit sicher einer der Topfavoriten.Der Pole Henryk Szost lief 2012 seine Bestzeit von 2:07:39 in Otsu. (c) H. Winter
Auch die weiteren “eingeladenen Läufer” können sich sehen lassen. Der native Äthiopier Shumi Dechasa (BRN) lief 2:06:43 bei seinem Sieg in Hamburg 2014, sagte aber leider am Freitag seine Teilnahme ab. Auch Lucas Rotich (KEN) lief seine Bestzeit im Jahr 2015 in Hamburg, im Jahr zuvor war er beim Amsterdam Marathon nur eine Sekunde langsamer. Henryk Szost (POL) ist einer der besten europäischen Marathonläufer und lief 2012 im Regen von Otsu 2:07:39. Da er immer wieder in Wettbewerben der Militärs an den Start gehen muss, wirkte er in den letzten Jahren etwas ausgebrannt. Shura Kitata (ETH) lief im letzten Jahr seinen ersten Marathon in Shanghai in 2:08:53, im Januar 2016 wurde er Zweiter in Xiamen in 2:10:20. Ein Vielstarter – fast so extrem wie Kawauchi – ist der Mongole Ser Od Bat-Ochir mit einer Bestzeit von 2:08:50, in Fukuoka im Dezember konnte er aber kaum überzeugen und landete sogar dort hinter Yuki Kawauchi.
Doch neben den ausländischen Eliteläufern darf man in diesem Jahr erwarten, dass die japanischen Läufer eine große Rolle bei der Vergabe der vorderen Plätze spielen dürften. Das Rennen am Lake Biwa ist eine Woche nach Tokyo die letzte Chance für die Japaner, sich für Olympia zu qualifizieren. Und wie schon erwähnt, eröffnen sich nach den wenig überzeugenden Leistungen ihrer Landsleute am Sonntag in Toyko überraschend gut Chancen. Das sollte doch nach Fukuoka und Tokyo die “restlichen” Japaner zusätzlich motivieren. Mit der schnellsten Vorleistung der einheimischen Konkurrenz geht Kazuhiro Maeda mit 2:08:00 ins Rennen, die er 2013 in Tokyo lief. Auch Kenataro Nakamoto mit 2:08:35 (2013 in Beppu-Oita) sowie Ryo Yamamoto mit 2:08:44 liefen schon unter 2:09 Stunden. Und 2:09:10 Stunden liefen Masanori Sakai und Suehiro Ishikawa.
Wie Brett Larner von den “Japan Running News” ganz richtig ausführt, dürften die Debütanten ähnlich wie in Tokyo am letzten Sonntag eine nicht zu unterschätzende Rolle in diesem Jahr spielen. Fumihiro Maruyama, Sota Hoshi und Hiroto Inoue liefen die halbe Distanz in 61:15, 61:18 und 61:39. Aber auch Shohei Otsuka, Koki Ido und Shin Kimura könnten beachtliche Debüts auf dem Kurs am Ufer des größten japanischen Binnen-Gewässers erzielen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich beim Biwako nach dem Rückschlag beim Tokyo Marathon zumindest eine Steigerung des Niveaus junger japanischer Läufer auf der Marathondistanz fortsetzen wird.
Die besten Zeiten der aktuellen Qualifikation für das japanische Olympiateam im Marathon |
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1. | Satoru Sasaki | 2:08:56 | 3. Fukuoka 6.12.2015 |
2. | Chiharu Takada | 2:10:55 | 5. Fukuoka 6.12.2015 |
3. | Yuki Takamiya | 2:10:57 | 8. Tokyo 28.02.2016 |
4. | Yuta Shimoda | 2:11:34 | 10. Tokyo 28.02.2016 |
5. | Tadashi Isshiki | 2:11:45 | 11. Tokyo 28.02.2016 |
6. | Yuma Hattori | 2:11:46 | 12. Tokyo 28.02.2016 |
7. | Masato Imai | 2:12:18 | 13. Tokyo 28.02.2016 |
8. | Akiyuki Iwanaga | 2:12:24 | 14. Tokyo 28.02.2016 |
9. | Hiroki Yamagishi | 2:12:27 | 15. Tokyo 28.02:2016 |
12. | Yuki Kawauchi | 2:12:48 | 8. Fukuoka 6.12.2016 |
Liste der Eliteathleten: | |||
Tadese Tola | ETH | 2:04:49 | Dubai 2013 |
Shumi Dechasa (abgesagt) | BHR | 2:06:43 | Hamburg 2014 |
Lucas Rotich | KEN | 2:07:17 | Hamburg 2015 |
Henryk Szost | POL | 2:07:39 | Otsu 2012 |
Kazuhiro Maeda | JPN | 2:08:00 | Tokyo 2013 |
Yuki Kawauchi | JPN | 2:08:14 | Seoul 2013 |
Kentaro Nakamoto | JPN | 2:08:35 | Beppu-Oita 2013 |
Ser-Od Bat-Ochir | MGL | 2:08:50 | Fukuoka 2014 |
Shura Kitata | ETH | 2:08:53 | Shanghai 201 |
Ryo Yamamoto | JPN | 2:09:06 | Otsu 2013 |
Hirokatsu Kurosaki | JPN | 2:09:07 | Tokyo 2014 |
Masanori Sakai | JPN | 2:09:10 | Tokyo 2014 |
Suehiro Ishikawa | JPN | 2:09:10 | Otsu 2013 |
Takayuki Matsumiya | JPN | 2:09:14 | Tokyo 2013 |
Tomoya Adachi | JPN | 2:09:59 | Fukuoka 2014 |
Munyo Solomon Mutai | UGA | 2:10:42 | Hannover 201 |
Hideaki Tamura | JPN | 2:10:54 | Otsu 2013 |
Soji Ikeda | JPN | 2:10:59 | Tokyo 2014 |
Ryosuke Fukuyama | JPN | 2:10:59 | Otsu 2013 |
Fumihiro Maruyama | JPN | 1:01:15 | HM 2013 |
Sota Hoshi | JPN | 1:01:18 | HM 2014 |
Hiroto Inoue | JPN | 1:01:39 | HM 2014 |
Kenta Kitazawa | JPN | 1:02:32 | HM 2015 |
Shohei Otsuka | JPN | 1:02:32 | HM 2014 |
Koki Ido | JPN | 1:02:33 | HM 2014 |
Hiroyuki Sasaki | JPN | 1:02:36 | HM 2012 |
Shin Kimura | JPN | 1:02:45 | HM 2014 |
Yuki Matsuoka | JPN | 27:59.78 | 10000 m 2012 |