Kaum war die Nachricht verbreitet, dass im Frühjahr 2016 ein zweiter (großer) Marathon in Berlin stattfinden soll, gab es darauf umgehend in der Öffentlichkeit eine erhebliche Resonanz. Und die war nicht nur positiv. Vor allem wurde in der Berliner Tageszeitung “Die Morgenpost” der sportliche Leiter des “BMW Berlin Marathon”, Mark Milde, zitiert, auch für ihn kam die Meldung über die Ambitionen der Veranstalter Galazzo Sports und “Berlin läuft” sehr überraschend.
“Die Abgrenzung zum “BMW Berlin Marathon” wird nicht groß genug sein”, wird Milde in der “Morgenpost” zitiert. “Es wird sicherlich viele Laufinteressierte geben, die unwissentlich einen Startplatz beim Lauf im Frühjahr buchen. Dann erleben sie einen Zwei-Runden-Marathon, der mit unserem Marathon-Original überhaupt nicht zu vergleichen ist.” Und schon in der Überschrift zu diesem Beitrag wird mit Bezug auf einen Beamten (der Polizei) von einer “absoluten Katastrophe” gesprochen.
Mark Milde nach dem Berlin Marathon 2014 mit Dennis Kimetto (links) sowie Emmanuel Mutai nach weiteren Weltrekorden auf der Berliner Strecke. (c) H. Winter
In der Tat erweist sich der Termin 15. Mai 2016 als durchaus problematisch, das ist nämlich der Pfingstsonntag mit dem “Karneval der Kulturen”, Konzert im Zoo und vielen Touristen in der Stadt. Andererseits zeigt ein Blick auf die Fakten, dass die Bedenken ansonsten kaum zu halten sind.
Man muss den meisten Läufern schon soviel Intelligenz zu Gute halten, dass sie realisieren, auf welche Veranstaltung sie sich hier einlassen (vor allem auch bei solchen finanziellen Einsätzen). Wer da auf die Idee kommt, beim (“echten”) Berlin Marathon (Ende September ) zu starten, dem ist dann kaum noch zu helfen. Und sicher hat die SCC events GmbH kein Monopol auf die Organisation eines Marathons, davon gibt es im Berliner Raum immer noch einige.
Natürlich ist der geplante Marathon nicht mit dem “Original” zu vergleichen. Das will aber auch keiner. Aber wenn man sich nur die Strecke anschaut, wie diese aktuell geplant ist, so sieht das nicht schlecht aus. Die Läufer können viele Attraktionen wie Siegessäule, Brandenburger Tor, Unter den Linden, Gendarmenmarkt, Potsdamer Platz, Kurfürstendamm sogar gleich zweimal erleben. Und der Einlauf aus den Katakomben in das Olympiastadion hinein hält einem direkten Vergleich mit dem Finish des “(BMW) Berlin Marathon” nach Passieren des Brandenburger Tors durchaus stand.
Organisatorisch ist die Sache bis auf den Pfingstsonntag weniger problematisch, als die Kritiker glauben machen wollen. Die BIG25 oder die “25km von Berlin” bestehen als Lauf durch die Stadt sogar noch länger als die Verlegung des Berlin Marathon in die Innenstadt. Die Geschichte ist hinlänglich bekannt: der 25 km Lauf, ursprünglich von den französischen Allierten initiiert und gegen die Bedenken der Polizei (die gibt es jetzt wieder) durchgesetzt, waren der “Türöffner” und Vorreiter für die heutige Großveranstaltung im September.
Deshalb wird der geplante “Freedom Marathon Berlin” keine völlig neue Veranstaltung darstellen, sondern nur das angebotene Spektrum der BIG25 erweitern. Und dies hat durchaus Tradition, denn nach einem 10 km Lauf kam vor zwei Jahren auch ein Halbmarathon dazu. In beiden Fällen hat man das als Außenstehender kaum gemerkt, und der zusätzliche Organisationsaufwand hielt sich in Grenzen. Das dürfte auch bei der Hinzunahme eines Marathon ähnlich sein, zumal bis auf ein Verbindungstück zur zweiten Runde die gleiche Strecke der 25 km gelaufen wird. Also auch der Aufwand an zusätzlichen Straßensperrungen wird sich in bescheidenen Grenzen halten. Wenn man dann noch den bisher recht späten Start für die Verstaltung von 10 Uhr um eine Stunde nach vorne verschiebt, würde der zeitliche Rahmen der Sperrung der Straßen im Stadtzentrum nur unwesentlich länger in die Mittagstunden reichen als bisher.
Auch die (zusätzlichen) Teilnehmerzahlen durch den Marathon werden sich bei der Premiere in Grenzen halten. Zahlen von 20000 Teilnehmern für die Gesamtverstaltung glauben die Veranstalter doch selbst nicht. Die Klientel für einen Marathon geht in den vergangenen Jahren zunehmend zurück. Kleinere Veranstaltungen retten sich durch die Hinzunahme von Unterdistanzen und Staffeln, nur die großen etablierten Läufe (Berlin, Frankfurt, Hamburg, etc.) halten nach wie vor beachtliche Zahlen oder müssen sogar wie im Fall des Berlin Marathon im September das Mitlaufen limitieren. Letzteres ist in der Szene aber ein singulärer Luxus.
Schon die Hinzunahme des Halbmarathon bei den BIG25 hat nur zu einem bescheidenen Anstieg der Teilnehmerzahl geführt (ein Blick auf die Finisher ist hier der verlässliche Indikator). Es würde einem Wunder gleichkommen, wenn auf Anhieb mehrere 1000 Marathonläufer am 15. Mai an der Startline vor dem Olympiastadion stehen würden. Das Etablieren eines solchen zusätzlichen Events wird Zeit brauchen. Und da die Organisatoren bereits anklingen ließen, dass im Gegensatz zu den BIG25 – da hält man die aktuellen Weltrekorde – kein Elitefeld verpflichtet werden wird, dürfte auch vom leistungssportlichen Rahmen her der sportliche Leiter des Berlin Marathon mit seinen vielen Weltrekorden weiter ruhig schlafen können. Auf lange Sicht wird der “neue” Marathon nicht an das “Original” heranreichen. Aber das will doch wohl auch keiner.
Dass die Veranstalter dem Titel des Marathon folgend auch “Gutes tun” und Zeichen der Solidarität setzen wollen, ist sehr löblich. Schon aus diesem Grund muss man der Veranstaltung viel Erfolg wünschen. Organisatorisch ist die bisherige Veranstaltung bestens eingespielt, da gehen keine Nobodies an den Start, und es besteht nicht der geringste Zweifel, dass auch die Hinzunahme des Marathon problemlos geschultert wird. Wenn man dann noch die Posse wie bei der Organisation des Straußberg Marathon in diesem Sommer abstellt, dann wird der “Freedom Marathon Berlin” ein großer Erfolg. Hoffentlich auch für die Spendenbüchsen!