Die kenianische Ex-Weltmeisterin im Marathon Ruth Chepngetich (KEN) sorgte mit einer beispiellosen Tempojagd im Rennen der Frauen für das Highlight der 44. Auflage des Bank of America Chicago Marathon. Chepngetich, die ähnlich ungestüm wie bei ihrem Weltrekordlauf über die halbe Distanz 2021 in Istanbul das Rennen begann, fehlten im Ziel mit 2:14:28 nur 14 Sekunden am Weltrekord, den Brigid Kosgei auf der gleichen Strecke im Jahr 2019 aufgestellt hatte. Bei den Männern siegte der Sieger des Boston Marathon von 2021 Benson Kipruto (KEN) in 2:04:24 und steigerte damit seine PB von 2:05:13 beim Toronto Waterfront Marathon 2019.
Das Rennen der Frauen wird sicher in die Geschichtsbücher des Straßenlaufs Eingang finden und reduzierte sich vom Start weg in eine “One-Woman-Show” der Ruth Chepngetich. Die Ex-Weltmeisterin im Marathon und -Weltrekordlerin im Halbmarathon in 1:04:04 (Istanbul 2020) legte furios los und lief am Anfang sogar in der Männerspitze mit. Nach einer Meile in aberwitzigen 4:50 (3:00/km) lag sie nur 9 Sekunden hinter den ersten Männern zurück und deutete schon hier an, dass sie ein weiteres Mal in Chicago mit vollem Riskio auf Rekordjagd gehen wollte. Und die ging in der Tat flott weiter, mit Meilen um 4:56 erreichte sie 5 km nach 15:11, ein Tempo auf 2:08:03. Von der Konkurrenz mochte man schon hier kaum noch zu sprechen, Ruti Aga (ETH) führte hier die Verfolgerinnen in 15:56 mit einem Rückstand von bereits 45 Sekunden an.
Über 30:40 bei 10 km erreichte Chepngetich die 15 km in 46:19 mit Kurs auf grandiosen 2:10:16, die US-Läuferin Emily Sisson (USA) war unter den Verfolgerinnen in 49:17, die mit 3 (!) Minuten Rückstand selbst mit einer Projektion von 2:18:36 auf einer Topzeit lagen. Nach 1:02:10 für 20 km passierte Chepngetich die Halbmarathon-Marke nach 1:05:44 und lag auf Kurs zu einer Zeit von 2:11:28, das hat es auch in Ansätzen im Marathon der Frauen noch nicht gegeben. Brigid Kosgei hatte bei ihrem Weltrekord von 2:14:04 im Jahr 2019 den Halbmarathon in 1:06:59 erreicht (konnte allerdings dieses Tempo bis zum Schluss durchlaufen …). Schon hier war die Frage, ob dieses Tempohatz in der ersten Hälfte gutgehen konnte. Die sechs “Verfolgerinnen” führte Emily Sisson in 1:09:26 dort über die Matten, die damit auf Kurs zu einem neuen US-Rekord lag (Keira D’Amato 2:19:12, Houston 2022).
Ruth Chepngetich siegte beim Chicago Marathon mit neuer PB von 2:14:28. (c) H. Winter
An der Spitze schwanden langsam bei der Führenden die Kräfte. Über 1:18:03 bei 25 km (Weltrekord war hier 2:19:53 durch Mary Keitany), 1:34:01 bei 30 km lag Chepngetich bei 35 km in 1:50:25 mit 2:13:06 noch auf Kurs zum Weltrekord, bei 40 km vor den ehemaligen Chess Studios hatte sie in 2:07:02 fast den gesamten Vorsprung auf den Weltrekord aufgebraucht. Brigid Kosgei hatte diese Marke in 2:07:12 passiert, es wurde nun überaus spannend, zumal Chepngetich sichtbar am Ende ihrer Kräfte lief. Als Chepngetich die letzten 400 m auf dem leichten Anstieg des Rooseveld Blv. erreichte und kurz darauf auf die Zielgerade des Columbus Drive kam, war klar, dass sie den Rekord nicht mehr steigern konnte.
Sie erreichte das Ziel im Grant Park nach 2:14:18, der zweitbesten jemals von einer Frau erreichten Zeit über die Marathondistanz, 14 Sekunden langsamer als Kosgei, aber eine volle Minute besser als Paula Radcliffes 2:15:25 aus dem Jahr 2003. Und auch hinter der Siegerin gab es Topzeiten, allen voran Emily Sisson auf Platz 2, die den US-Rekord aus diesem Jahr auf 2:18:29 steigern konnte. Dritte wurde Vivian Kiplagat (KEN) in 2:20:52, die allerdings ihre PB von 2:20:18 aus dem Frühjahr bei ihrem Sieg in Mailand verpasste.
Das Rennen der Männer war gegenüber dem der Frauen weit weniger spektakulär. Nachdem der Meister der Szene Eliud Kipchoge in Berlin mit 2:01:09 die Standards noch einmal nach oben verschieben konnte, war ein Angriff auf diese Marke mit dem Elitepool vor Ort mehr als illusorisch. Nach einer ersten Meile in 4:41 passierte eine elfköpfige Spitzengruppe die 5 km in 14:42, 10 km nach 29:35, 15 km in 44:22 und 20 km in 59:11. Damit lag man recht konstant auf Kurs zu einer Zeit um 2:04:50, also in ganz anderen Regionen als Kipchoge. Möglich schien allerdings noch ein Angriff auf den Kursrekord von 2:03:45, den Ex-Weltrekordler Dennis Kimetto zu seinen Glanzzeiten im Jahr 2013 aufgestellt hatte.
Zehn Läufer waren nach der Hälfte in 1:02:24 noch vorne, was sich über 1:13:37 bei 25 km auf acht Läufer bei 30 km in 1:28:31 (Tempo: 2:04:29) ausdünnte. Nach ca. 100 Minuten gab es dann eine Vorentscheidung als sich vorn Kipruto, Bernard Koech (KEN), Vorjahressieger Seifu Tura (ETH) und der jüngere Bruder von Boston-Sieger Wesley Korir John Korir (KEN) lösen konnte. Nach 35 km in 1:43:04 konnte Koech in der Spitze nicht mehr mithalten, so dass vorne nur noch ein Trio agierte, das aber nach 1:52 Stunden durch einen Antritt vom Boston-Sieger des Jahres 2021 Benson Kipruto gesprengt wurde. Bei 40 km in 1:57:47 lag Kipruto 9 Sekunden vor Tura und bereits 20 Sekunden vor Korir.
In 2:04:24 lief Kipruto einem ungefährdeten Sieg entgegen und machte es damit seinem Bruder Dixon Chumba nach, der in Chicago bereits im Jahr 2015 gewinnen konnte. Seifu Turo konnte seinen Erfolg aus dem Vorjahr nicht wiederholen und wurde in 2:04:49 Vierter. John Korir konnte seine PB von 2:09:08 massiv steigern und wurde in 2:05:01 Dritter. Zu erwähnen bleibt ferner die Leistung des US-Boys Connor Mantz (USA), der gleich bei seinem Debüt eine achtbare Zeit von 2:08:16 erzielen konnte.
Ergebnisse Marathon der Männer 2022: | |||
1. | Benson Kipruto | KEN | 2:04:24 |
2. | Seifu Tura | ETH | 2:04:49 |
3. | John Korir | KEN | 2:05:01 |
4. | Bernard Koech | KEN | 2:07:15 |
5. | Shifera Tamru | ETH | 2:07:53 |
6. | Kyohei Hosoya | JPN | 2:08:05 |
7. | Conner Mantz | USA | 2:08:16 |
8. | Hamza Sahli | MAR | 2:08:22 |
9. | Eric Kiptanui | KEN | 2:08:26 |
10. | Dong Guojian | CHN | 2:08:53 |
Ergebnisse Marathon der Frauen 2022: | |||
1. | Ruth Chepngetich | KEN | 2:14:18 |
2. | Emily Sisson | USA | 2:18:29 |
3. | Vivian Kiplagat | KEN | 2:20:52 |
4. | Ruti Aga | ETH | 2:21:41 |
5. | Waganesh Mekasha | ETH | 2:23:41 |
6. | Susanna Sullivan | USA | 2:25:14 |
7. | Sara Vaughn | USA | 2:26:23 |
8. | Maggie Montoya | USA | 2:28:07 |
9. | Sarah Inglis | GBR | 2:29:37 |
10. | Makena Morley | USA | 2:30:28 |
Elitefeld der Männer: | |||
Herpasa Negasa | ETH | 2:03:40 | Dubai, 2019 |
Dawit Wolde | ETH | 2:04:27 | Rotterdam, 2021 |
Seifu Tura | ETH | 2:04:29 | Mailand, 2021 |
Asrar Abderehman | ETH | 2:04:43 | Sevilla, 2022 |
Stephen Kissa | UGA | 2:04:48 | Hamburg, 2022 |
Benson Kipruto | KEN | 2:05:13 | Toronto, 2019 |
Eric Kiptanui | KEN | 2:05:47 | Siena, 2021 |
Kyohei Hosoya | JPN | 2:06:35 | Otsu, 2021 |
Hamza Sahli | MAR | 2:07:15 | Seoul, 2022 |
Ichitaka Yamashita | JPN | 2:07:42 | Otsu, 2022 |
Hiroto Fujimagari | JPN | 2:08:20 | Oita, 2022 |
Kiyoshi Koga | JPN | 2:08:30 | Oita, 2022 |
Riki Nakanishi | JPN | 2:08:51 | Oita, 2022 |
John Korir | KEN | 2:09:08 | Los Angeles, 2022 |
Elitefeld der Frauen: | |||
Ruth Chepngetich | KEN | 2:17:08 | Dubai, 2019 |
Celestine Chepchirchir | KEN | 2:20:10 | Seoul, 2022 |
Vivian Kiplagat | KEN | 2:20:18 | Mailand, 2022 |
Haven Hailu Desse | ETH | 2:20:19 | Amsterdam, 2021 |
Emily Sisson | USA | 2:23:08 | London, 2019 |
Laura Thweatt | USA | 2:25:38 | London, 2017 |
Sarah Sellers | USA | 2:25:43 | Duluth, 2022 |
Sara Vaughn | USA | 2:26:53 | Sacramento, 2021 |
Susanna Sullivan | USA | 2:26:56 | Duluth, 2022 |
Diane Nukuri | USA | 2:27:50 | London, 2015 |
Krista Duchene | USA | 2:28:32 | Toronto, 2013 |
Maggie Montoya | USA | 2:29:08 | Houston, 2022 |
Ursula Sanchez | USA | 2:29:11 | Chandler, 2020 |
Carrie Verdon | USA | 2:31:51 | Chicago, 2021 |