Mit einer Sensation endete soeben die 40. Ausgabe des Virgin money London Marathon auf einem Rundkurs um den St. James Park im Zentrum der britischen Hauptstadt. Nicht der Superstar Eliud Kipchoge (KEN) konnte den erwarteten Sieg einfahren, sondern der Äthiopier Shura Kitata (ETH) gewann das Rennen nach 2:05:42. Für den deutschen Marathon-Rekordler Arne Gabius (GER) hat sich mit Platz 22 in 2:14:25 eine weitere Olympia-Teilnahme erledigt, während der Österreicher Peter Herzog (AUT) bei einer Laufveranstaltung auf Platz 12 in 2:10:06 eine überzeugende Leistung ablieferte.
Schon vor dem Rennen gab es begründete Zweifel, ob es nach der Absage von Kenenisa Bekele sowie den ungünstigen äußeren Bedingungen ein Hatz in Richtung Weltrekord geben würde. Um 11:15 Ortszeit machten sich 4 Tempomacher (diesmal nicht in “Sträflingskleidung”) vor der Spitzengruppe auf die 19,6 Runden um den St. James Park. Nach angemessenen 2:54 für den ersten Kilometer wurde das Tempo schnell moderater und bei 5 km in 14:48 und 10 km in 29:45 lagen 12 Läufer schon deutlich außerhalb jeglicher Ambitionen eines Weltrekords. Nach 11 km gabe es einmal mit 2:52 wieder einen schnellen Kilometer, danach war aber die Tempohatz vorerst vorbei.
Die Spitzengruppe der Männer nach 30 km. (c) Livestream/Screenshot
Mit Kilometer-Splits um 3:02 wurden die 5 km nach 20 km in nur 15:06 zurückgelegt, beim Halbmarathon zeigten die Uhren 1:02:54. 10 Männer an der Spitze waren damit fast 2 Minuten langsamer als die im Vorfeld gehandelten 61 Minuten. Als Reaktion auf diese schwache Durchgangszeit zog die Fahrt nun deutlich an, mit km-Splits um 2:55 Minuten. Hinter der Spitzengruppe lief mit einem Abstand von fast einer Minute der Ex-Europarekordler Sondre Moen (NOR), die Gruppe mit Arne Gabius und Superstar Mo Farah als Tempomacher legte den Halbmarathon in 1:05:19 zurück. Auch bei 25 km in 1:17:16 lag der Deutsche mit Kurs auf 2:10:25 noch auf Kurs zu einem Olympiaticket.
Nach 30 km in 1:29:00 verflachte das Tempo ganz vorne wieder und nach 15:14 für den 5 km-Abschnitt nach 35 km in 1:44:14 waenr die Hoffnungen auf eine Topzeit von unter 2:04 Stunden dahin. Eine große Überraschung bahnte sich nach 36 km an, als Kipchoge einige Zeit fast am Ende der Kopfgruppe lief, dann nach ca. 1:52 Stunden vor der 38 km-Marke nicht mehr folgen konnte und sich vorne Vincent Kipchumba (KEN) und die vier Äthiopier Kitata, Sisay Lemma, Mosinet Geremew sowie Mule Wasihun absetzen konnten. Nach 40 km in 1:59:19 passierte das Quintett 40 km, Kipchoge hatte hier schon lange den Anschluss verloren und lief mit einem Rückstand von fast einer halben Minute hinterher.
Shura Kitata gewann überraschend den London Marathon 2020. (c) Livestream/Screenshot
In der Schlussphase fiel zunächst Mule Wasihun und – etwas überrraschend – der Vorjahreszweite Mosinet Geremew zurück, so dass Kitata, Kipchumba und Lemma um den Sieg spurteten, wobei Kitata ganz kurz vor dem Ziel sich noch an Kipchumba vorbeischieben konnte. Kitata – 2017 konnte er mit einer ähnlichen Zeit den Frankfurt Marathon gewinnen – siegte in 2:05:41, nachdem er 2018 in London und New York City schon jeweils Zweiter werden konnte. Kipchumba wurde knapp geschlagen Zweiter in 2:05:42 vor Lemma in 2:05:45. Einer der Topfavoriten, Mosinet Geremew, wurde in 2:06:04 Vierter und Eliud Kipchoge verlor als Sechster in 2:06:49 seit 2013 wieder einen Marathon.
Im Interview beklagte sich Kipchoge, dass er im Schlusspart Probleme mit einem Ohr gehabt hätte. Er will aber nach seinen ersten Statements auf jeden Fall seine Karriere noch nicht beenden. Ein klug eingeteiltes Rennen lief Peter Herzog, der sich mit 2:10:06 und damit neuem Landesrekord nochmals endgültig für das österreichische Olympia-Team empfahl. Dies kann leider Arne Gabius nicht von sich behaupten, der bei 35 km in 1:48:59 mit Kurs auf 2:11:23 noch im Regime der Olympianorm von 2:11:30 lag.
Doch dann erwischte es den deutschen Marathon-Rekordler gewaltig, nach 1:59:30 wurde er von der Spitzengruppe überrundet und über 2:06:35 bei 40 km erreichte er das Ziel auf The Mall erst nach 2:14:25. Das waren 7:50 Minuten für den Schlusspart; Sara Hall brauchte dafür 7:20. Ob im kommenden Jahr Olympia und der Marathon dort stattfinden werden oder nicht, darüber muss sich der Topathlet der LG Haspa Marathon Hamburg kaum noch Gedanken machen. Nicht ganz unerwartet dürfte damit ein Startplatz im deutschen Team für einen Konkurrenten frei geworden. Ob im Frühjahr der Halb-Profi noch eine realistische Chance der Qualifikation ist mehr als fraglich.
Im Fazit bleibt festzustellen, dass sich die Erwartungen der Organisatoren an diese Veranstaltung nur bedingt erfüllt haben. Mit hohen Kosten und noch höherem Aufwand wurde ein im Sinne des Wortes steriles Event aus dem Boden gestampft, vom dem man sportlich globale Rekorde erwartete; die äußeren Bedingungen und die unsichere Planbarkeit von Höchstleistungen waren aber nicht auf der Seite der London-Macher. Viel wichtiger als der (fehlende) sportliche Erfolg sollte aber die Erkenntnis sein, dass Laufveranstaltungen ohne Läufer- und Zuschauermassen das eigentliche Herz fehlt. Und ohne dieses kann nicht nur das menschliche Individium kaum (über)leben. Veranstalter, die wohl begründet sich deshalb zu einer Absage durchgerungen haben, dürften das auch nach diesem Exempel kaum bereuen.
Normalität wird erst dann wieder einkehren, wenn das Virus zurückgedrängt werden konnte. Bis dahin dürfte nur wenig “laufen”, so bitter diese Erkenntnis auch sein mag.
Ergebnis Marathon der Männer: | |||
1. | Shura Kitata | ETH | 2:05:41 |
2. | Vincent Kipchumba | KEN | 2:05:42 |
3. | Sisay Lemma | ETH | 2:05:45 |
4. | Mosinet Geremew | ETH | 2:06:04 |
5. | Mule Wasihun | ETH | 2:06:08 |
6. | Tamirat Tola | ETH | 2:06:41 |
7. | Benson Kipruto | KEN | 2:06:42 |
8. | Eliud Kipchoge | KEN | 2:06:49 |
12. | Peter Herzog | AUT | 2:10:06 |
22. | Arne Gabius | GER | 2:14:25 |