44. Diamond League Meeting “AG Memorial van Damme” am 4. September 2020: Hassan und Farah laufen Stunden-Weltrekorde

Die ansonsten weitgehend unübliche Laufdisziplin des Stundenlaufs bildete, wie zu erwarten, den Höhepunkt der 44. Ausgabe des AG Memorial van Damme am heutigen Freitagabend in der belgischen Hauptstadt Brüssel. Im wegen der Corona-Pandemie zusammengestutzten Diamond League Meeting ohne Zuschauer steigerte zunächst Sifan Hassan (NED) den Stunden-Weltrekord der Frauen auf 18.930 m und zwei Stunden später lief mit 21.330 m die Lauflegende Sir Mo Farah (GBR) seinen ersten Freiluft-Weltrekord. Den dritten Weltrekord an diesem Abend verpasste in 2:29,92 über 1000 m die Kenianerin Faith Kipyegon (KEN) (Weltrekord : 2:28,98 durch Svetlana Masterkova) erneut.

Bis kurz vor Schluss lagen Hassan (links) und Kosgei weit in Führung. (c) Livestream/Screenshot

Im Rennen der Frauen war der Weltrekord so gut wie sicher, dazu war der Weltrekord von 18.517 m in dieser selten gelaufenen Disziplin angesichts der Klasse der beiden Topläuferinnen einfach nicht gut genug. Dire Tune (ETH) lief diese Distanz in Ostrava 2008, was einer Halbmarathonzeit von “nur” 1:08:22 entspricht; Hassans PB liegt dort bei 1:05:15, Kosgei sogar bei 1:04:49. Entsprechend flott ging man mit Hilfe der Tempomacherin Chelangat das Rennen an. Über 6:25 Minuten bei 2000 m, 12:49 bei 4000 m und 19:11 bei 6000 m lag man nach 8 km in 25:32 auf Kurs zu einer Distanz von 18.766 m, d.h. 250 m über der Rekordmarke.

Sifan Hassan lief in Brüssel in einer Stunde 18930 m – Weltrekord. (c) Livestream/Screenshot

Bei akzeptablen äußeren Bedingungen mit Temperaturen um 20°C und einen Taupunkt um 10°C liefen Hassan und Kosgei mit Chelangat sehr gleichmäßige  Runden mit 2 km-Abschnitten um 6:20 Minuten. Sie erreichten 10.000 m in 31:53, bevor die Tempomacherin bei 12.000 m nach 38:10 ausstieg. Nun lagen Hassan und Kosgei allein weit in Front und blieben über 44:30 bei 14.000 m, 50:51 bei 16.000 m und 57:16 bei 18.000 m zusammen. Dabei passierte Kosgei nach 53:10 Minuten ein Missgeschick mit Folgen. Sie trat kurz auf die Seitenumrandung und wurde später deswegen disqualifiziert.

Das Finale wurde noch einmal spannend. Zu Beginn der letzten Minute zog Kosgei das Tempo an, doch Hassan konnte kontern und setzte sich deutlich von Kosgei in den letzten Sekunden ab, um mit 18930 m den Weltrekord von Tune im Sinne des Wortes zu “pulverisieren”. Mehr als eine volle Runde war Hassan diesmal “schneller”. Inoffiziell wurde Kosgei mit 18903 m gemessen, das war aber am Ende ein Muster ohne Wert. Somit wurde Lonah Salpeter (ISR) mit Landesrekord mit 18571 m Zweite, vor der neuen Afrika-Rekordlerin Eva Cherono (KEN) mit 18341 m.

Hassan meinte nach dem Rennen, dass sie sich vor dem Start gar nicht wohl fühlte und Magenprobleme hatte. Das änderte sich erst während des Rennens und am Ende wurde es immer besser, wo sie dann alles gab. Kosgei zeigte sich auch nach der Disqualifikation zuversichtlich bezüglich ihres Starts am 4. Oktober beim London Marathon. Heute hatte sie sich etwas zurückgehalten, um keine Verletzung zu riskieren. Sie sieht sich aber bestens vorbereitet auf ihren Auftritt in London, wo sie der “Welt zeigen will, zu was sie aktuell fähig ist“. Nach den Eindrücken bei ihrem ersten Ausflug zu einem Wettkampf auf der Bahn dürfte das nicht wenig sein.

Eine nette Idee der TV-Produzenten, ein “virtueller Haile” lief mit den realen Läufern um die Wette. Dazu kam dann noch die Wave Light Technologie. (c) Livestream/Screenshot

Auch bei den Männern erfüllten sich Erwartungen der Veranstalter, obwohl die Marke von Lauflegende Haile Gebrselassie von 21285 m aus dem Jahr 2007 hochklassig war. Mit Hilfe von Robert Keter (KEN) erreichte Mo Farah zusammen mit seinem Trainingspartner Bashir Abdi (BEL) nach 2:47 für den ersten Kilometer 3 km nach 8:26 und lag auf Kurs zu einer Strecke von 21314 m, also Weltrekord. Über 5 km in 14:05 und 10 km in 28:12 stieg Keter nach knapp 12 km aus. Nun machte Mo Farah die Pace, bei 15 km in 42:17,9 lag man mit einer Projektion von 21277 kurzfristig hinter Haile zurück.

Doch Farah mit Abdi im Schlepptau konnte das Tempo wieder leicht erhöhen, und sie hatten bei 20 km in 56:20,02 wieder einen kleine Vorsprung auf den Weltrekord herausgelaufen. Abdi war nun an die Spitze gegangen und zog das Tempo an, doch Mo konnte konntern und lief am Ende mit einer 63er-Schlussrunde nach einer Stunde 21330 m, das waren 45 m mehr als der Altmeister vor 13 Jahren. Auch Abdi konnte überzeugen und lief gleichfalls mit 21322 m weiter als je ein Mensch zuvor.

Mo Farah lief in Brüssel mit 21330 m in einer Stunde seinen ersten Freiluft-Weltrekord. (c) Livestream/Screenshot

Durch die Leistung von Farah findet auch die Posse um die unerlaubten Schuhe beim Europarekord von Sondre Moen ein würdiges Ende. Und auch Abdi wurde für seine Leistung belohnt, da er nach 19600 m kurz die Spitze übernahm. Somit passierte er die 20.000 m nach 56:20,02 und verbesserte damit den Weltrekord von Gebrselassie von 56:25,98. Mo wurde an dieser Marke erst nach 56:20,30 registriert. Haile hat damit zwei weitere Rekorde von seinen etwa 27 Bestleistungen verloren, nur sein 10 Meilen-Weltrekord von Tilburg aus dem Jahr 2005 mit 44:24 hat noch Bestand.

Ergebnisse Stundenlauf der Frauen:
1. HASSAN Sifan NED 18.930 m WR
2. SALPETER Lonah ISR 18.571 m NR
3. CHERONO Eva KEN 18.341 m AR
4. BEKELE Helen ETH 17.974 m NR
5. LAHTI Sarah SWE 17.955 m
6. GALIMANY Marta ESP 17.546 m NR
7. AMEBAW Likina ETH 17.323 m
8. LAUWAERT Nina BEL 17.315 m NR
Ergebnisse Stundenlauf der Männer:
1.
FARAH Mo
GBR 21.330 m WR
2. ABDI Bashir BEL 21.322 m NR
3. MILLÁN de la OLIVA Emil SWE 20.128 m NR
4. BOUCHIKHI Soufiane BEL 20.126 m
5. ALI Mohamed NED 20.055 m
6. ULAD Adbi Hakin DEN 19.985 m NR