Eigentlich hatte niemand die Entscheidung im Jahr 2014 beim Bank of America Chicago Marathon nachvollziehen können, plötzlich ohne Tempomacher bei den Männern zu operieren (bei den Frauen fanden sich in der Regel immer einige männliche Begleiter). Der “Erfolg” dieses Verzichts in der Leistungsbilanz in den letzten drei Jahren war durchschlagend. Von einer World Marathon Majors Veranstaltung mit Weltklassezeiten im Regime unter und um 2:04 Stunden verabschiedete man sich in die Zweitklassigkeit: 2:09:25 (Dickson Chumba, 2015), 2:11:23 (Abel Kirui, 2016) und 2:09:20 (Galen Rupp, 2017) waren die Zeiten der schnellsten Männer in den letzten drei Jahren. In den Jahren zuvor wurde der Streckenrekord im Jahrestakt auf zuletzt 2:03:45 im Jahr 2013 durch Weltrekordler Dennis Kimetto verbessert.
Nun haben die Veranstalter angekündigt, dass sie wieder zum Einsatz von Tempomachern zurückkehren wollen, nachdem die Rennen der letzten Jahre extrem langsam mit typischen Halbmarathon-Zeiten um 1:06 Stunden angelaufen wurden. Danach waren dann akzeptable Zeiten im Ziel nicht mehr zu erreichen. Der schnellste Läufer auf amerikanischem Boden agierte im Jahr 2017 beim Toronto Waterfront Marathon in 2:06:52, während Chicago mit 2:09:20 mehr als deutlich hinter dem kanadischen Topevent zurücklag. Dieses Ranking soll 2018 der Vergangenheit angehören, und die angekündigten Eliteathleten dürften dies auch mit der Hilfe von Tempomachern umsetzen können.
Mo Farah startet nach dem London Marathon in Chicago. (c) H. Winter
Dazu gehört auch die Verpflichtung von (Sir) Mo Farah (GBR), der als vierfacher Goldmedaillengewinner bei Olympia und sechsfacher Weltmeister auf den Bahnlangstrecken Lauf-Geschichte geschrieben hat. Und dies bei der ansonsten hochgradigen Dominanz der ostafrikanischen Läufer. Nach einem ersten “Test”-Marathon im Jahr 2014 in 2:08:21 bestritt Farah seinen ersten ernsthaften Marathon im April in London und wurde nach einer aberwitzigen Tempojagd in 61 Minuten für die erste Hälfte in respektablen 2:06:21 Dritter. Dies war britischer Rekord und lässt vom Rennverlauf schließen – so verpasste Farah zweimal seine Getränke -, dass der Ausnahmeläufer auch im Marathon noch deutlich schneller laufen kann.
Paradoxerweise treffen nun in Chicago zwei Akteure aufeinander, die lange vom selben Coach (Alberto Salazar) im Rahmen des NIKE Oregon Projekts betreut wurden und in etwa das gleiche Leistungsniveau auch im Marathon zu haben scheinen. Mittlerweile haben sich die Wege der beiden Topläufer getrennt. Rupp arbeitet immer noch unter den (nicht ganz unumstrittenen) Fittichen von Salazar, Farah wird mittlerweile von Gary Lough , dem Ehemann von Paula Radcliffe, gecoacht. Nach seinem Ausstieg bei dem fürchterlichen Wetter in Boston konnte sich Galen Rupp (USA) bei seinem Sieg kurz danach beim Prag Marathon in 2:06:07 eindrucksvoll in Szene setzen. In der Regel wird die Liste von Topathleten der Weltklasse in Chicago in Kürze noch deutlich umfangreicher werden, so dass es sicherlich wieder schnelle Zeiten am Ufer des Lake Michigan geben wird.
Zu dem “Rückschritt” in Sachen Tempomachern – ein in Chicago bis vor kurzem ein hoch delikates Thema – wird Race Director Carey Pinkowski zitiert: ” The championship style of racing that spectators enjoy will continue as the race enters its final miles. The epic 2010 duel between the late Wanjiru and Tsegaye Kebede arguably one of the greatest finishes in marathon history underscores the importance of the tactics that still exist and flourish in paced races. We decided to transition back to pacers to leverage the speed of the course, to work towards setting up ideal conditions for the top tier elite athletes confirmed so far, and to respond to feedback received from runners.
We listened to the athletes and they want to come to Chicago because of our tradition of fast times and our legacy as a world record course. If athletes want to run in races without pacers, there are several opportunities for them to do so.” Die Entscheidung scheint den Machern in Chicago nicht einfach gefallen zu sein, ist aber sicherlich eine mehr als überfällige Rückkehr zu “alten” Zeiten. Die Zeiten, in denen bei den Männern der erste Kilometer in 3:18 Minuten und die erste Hälfte im “Jogging”-Tempo für die Topathleten angelaufen wurden, scheinen in Windy City Geschichte zu sein. Mit den Eliteläufer werden zusammen 40000 Teilnehmer am 7. Oktober 2018 im Grant Park an den Start gehen.
Sieger und Siegerinnen der letzten Jahre beim Chicago Marathon: | ||||
2010 | Samuel Wanjiru (KEN) | 2:06:24 | Atsede Baysa (ETH) | 2:23:40 |
2011 | Moses Mosop (KEN) | 2:05:37 | Ejegayehu Dibaba (ETH) | 2:22:09 |
2012 | Tsegay Kebede (ETH) | 2:04:38 | Atsede Baysa (ETH) | 2:22:04 |
2013 | Dennis Kimetto (KEN) | 2:03:45 | Rita Jeptoo (KEN) | 2:19:57 |
2014 | Eliud Kipchoge (KEN) | 2:04:11 | Mare Dibaba (ETH) | 2:25:37 |
2015 | Dickson Chumba (KEN) | 2:09:25 | Florence Kiplagat (KEN) | 2:23:33 |
2016 | Abel Kirui (KEN) | 2:11:23 | Florence Kiplagat (KEN) | 2:21:32 |
2017 | Galen Rupp (USA) | 2:09:20 | Tirunesh Dibaba (ETH) | 2:18:31 |