Mittlerweile ist die erste Hälfte des Jahres 2018 schon wieder Geschichte. Historie sind auch viele außergewöhnlichen Leistungen auf den Straßen des Globus, die sich besonders in den Vereinigten Arabischen Emiraten weiterhin als sehr schnell erwiesen. Dies zeigt sich auch in den Weltjahres-Bestenlisten für den halben und vollen Marathon, in denen die Veranstaltungen in Ras Al Khaimah und in Dubai die Szene dominieren. Im Jahr 2018 gilt ein weiteres Mal die Beobachtung, dass die Emirate dem Rest der Welt schlichtweg davon laufen. Von den jeweils zehn besten Eintragungen im Halbmarathon und Marathon bei Männern sowie Frauen stammen 23 der 40 Resultate aus den Wüstenregionen. Wie außergewöhnlich diese Zahl ist, zeigt schon der Befund, dass Japan nur dreimal, die USA sogar nur einmal in den vier Top10-Listen verzeichnet sind.
Bereits am Neujahrmorgen sorgte der japanische Vielstarter Yuki Kawauchi beim Marshfield New Year´s Day Marathon in einer kleinen Gemeinde unweit von Boston für die ersten Schlagzeilen des Jahres. Auch Temperaturen um – 15°C und eisiger Wind konnten den zähen Japaner nicht daran hindern, zum 76. Mal in seiner Laufkarriere unter 2:20 Stunden einen Marathon zu laufen. Damit ist Yuki alleiniger Rekordhalter in einer in der Tat eigenwilligen Disziplin (aktuell sind es sogar schon 80 Marathonläufe). Dieser Kampf gegen die Elemente brachte ihn ans absolute Limit, war aber andererseits eine sehr gute Vorbereitung auf den Boston Marathon knapp vier Monate später, wo er bei gleichfalls extremen Wetterverhältnissen für eine Sensation sorgte.
Jake Robertson gewann den Halbmarathon im texanischen Houston in 1:00:01. (c) S. Hartnett
Ungewöhnlich kalt war es auch beim Houston Marathon, wo Jake Robertson (NZL) den Halbmarathon in 1:00:01 gegen eine Konkurrenz von Weltklasse gewann. Im Rennen der Frauen lief Ruti Aga (ETH) in 1:06:39 eine Topzeit, während Molly Huddle (USA) als Siebte in 1:07:25 einen neuen Landesrekord aufstellte. Den Marathon gewann Bazu Worku (ETH) in 2:08:30. Weit schneller lief man zwei Wochen später bei Standard Chartered Dubai Marathon, wo sich 8 Läufer bis 30 km auf Weltrekordkurs befanden. Am Ende kamen 7 Läufer unter 2:05 Stunden ins Ziel und der junge Mosinet Geremew (ETH) gewann mit Kursrekord von 2:04:00. Auch bei den Frauen gab es in 2:19:17 durch Roza Dereje (ETH) einen neuen Streckenrekord und mit 4 Läuferinnen mit Zeiten von unter 2:20 Stunden eine einmalige Leistungsbreite. In der Welt-Jahresbestenliste belegt das Emirat bei den Männern nach der Hälfte des Jahres die ersten sechs Plätze!
Beim Dubai Marathon liefen im Januar 7 Läufer unter 2:05 Stunden. Das gab es in der Geschichte des Marathon noch nie. (c) Dubai Marathon/H. Winter
Großartige Resultate lieferte auch der schnellste Halbmarathon der Welt in Ras Al Khaimah. Bei der mustergültig organisierten Veranstaltung steigerte Bedan Karoki (KEN) den Kursrekord auf die aktuelle Welt-Jahresbestleistung von 58:42 und Fancy Chemutai (KEN) stellte mit 1:04:52 den Weltrekord bei den Frauen ein (die neue Bestmarke vom November in Valencia war zu diesem Zeitpunkt noch nicht anerkannt) und passierte die 10 Meilen in der Weltrekord-Zeit von 49:29. Und auch in der Leistungsbreite setzte das Emirat, ähnlich wie der ungeliebte Bruder im Süden im Marathon, wieder die Standards in der Szene.
Bedan Karoki gewann den Halbmarathon in Ras Al Khaimah. (c) Veranstalter
Eine Vorentscheidung bei der Jagd auf den Marathon-Weltrekord fiel am 25. Februar beim Toyko Marathon bereits nach 15 km, wo der Hauptakteur Wilson Kipsang (KEN) mit Magenproblemen aufgab. Dickson Chumba (KEN) gewann in 2:05:30, der junge Japaner Yuta Shitara knackte in einem beherzten Rennen in 2:06:11 den 15 Jahre alten Landesrekord und sicherte sich eine Prämie von etwa 1 Million US$. Bei den Frauen verpasste Birhane Dibaba (ETH) mit hochklassigen 2:19:51 ihren eigenen Streckenrekord von 2:19:47 aus dem Vorjahr denkbar knapp.
Yuta Shitara lief beim Toyko Marathon in 2:06:11 einen neuen Landesrekord. (c) TBS/Screenshot
Am 24. März wurden die 23. Weltmeisterschaften im Halbmarathon im spanischen Valencia zu einer windigen Angelegenheit. Es siegten der Titelverteidiger Geoffrey Kamworor (KEN) bei den Männern in 1:00:02, wobei er Wind unterstützt die letzten 5 km in sensationellen 13:01 schaffte. Bei den Frauen lief die Siegerin Netsanet Gudeta Kebede (ETH) mit 1:06:11 einen Weltrekord für ein reines Frauen-Rennen. Eine Woche zuvor konnte Wilson Erupe Loyanae (KEN) in 2:06:57 den Seoul Marathon zum vierten Mal gewinnen.
In guter Tradition überschlugen sich dann im Monat April die Ereignisse im Straßenlauf. Fast unbeachtet von der Öffentlichkeit lief am 1. April Abraham Kiptum (KEN) beim Daegu Marathon in 2:06:29 einen neuen Kursrekord. Eine Woche später war die Kenianerin Joan Melly in 1:05:04 beim Prager Halbmarathon lange auf Weltrekord-Kurs und in Istanbul lief Amdework Walelegn (ETH) in 59:50 die erste Halbmarathon-Zeit auf türkischem Boden unter einer Stunde. Und auch die Siegerzeit von 1:06:22 bei den Frauen durch Arabel Yeshanew (ETH) war hochklassig. Noch schneller war allerdings Erick Kiptanui (KEN) in 58:42 beim Berliner Halbmarathon unterwegs. Lange Zeit befand sich der junge Kenianer völlig überraschend auf Weltrekord-Kurs, am Ende langte es “nur” zu einem Streckenrekord und zur Einstellung der Welt-Jahresbestleitung, die zuvor in Ras Al Khaimah erzielt wurde.
Kenneth Kipkemoi lief in Rotterdam ein eindrucksvolles Marathon-Debüt. (c) Veranstalter
Gleichfalls am 8. April gelang Kenneth Kipkemoi (KEN) in 2:05:44 ein gelungenes Debüt beim Rotterdam Marathon, während gleichzeitig Paul Loyangata (KEN) in 2:06:22 und Betsy Saina (KEN) in 2:22:56 den Paris Marathon gewannen. Am 15. April sorgten die Topathleten beim Halbmarathon um den Lago Magiore (Stresa) für einen kaum erwarteten Leistungsschub. Daniel Kipchumba (KEN) gewann in hochklassigen 59:06 und ist damit der viertschnellste Läufer der Saison und der Zweite Mangata Ndiwa (KEN) war nur eine Sekunde langsamer.
Einen Tag später sorgte dann der Boston Marathon für außergewöhnliche Schlagzeilen. Bei einem “Sauwetter” trotzte mit einer genialen Renntaktik das japanische Lauf-Unikum Yuki Kawauchi Kälte, Regen und Sturm und gewann in einem “Survival of the fittest” sensationell in 2:15:59 die 122. Ausgabe des Boston Marathon. Ohne die Leistung des zähen Samurais schmälern zu wollen, dies war die mit Abstand langsamste Siegerzeit in der Geschichte der World Marathon Majors. Und neben der fast kompletten afrikanischen Elite erreichte auch der deutsche Marathon-Rekordler Arne Gabius das Ziel nicht. Ähnlich überraschend war der Sieg bei den Frauen durch die US-Amerikanerin Desiree Linden in 2:39:54.
Yuki Kawauchi gewann sensationell den Boston Marathon und will im kommenden Jahr (Lauf-)Profi werden. (c) Boston Marathon
In einer ganz anderen leistungssportlichen Liga lief man nur eine Woche später beim London Marathon am 22. April, vor allem im ersten Teil. Dabei waren im Vorfeld die heißesten Tage im April in der britischen Haupstadt seit den Wetteraufzeichnungen verbunden mit störender Schwüle denkbar ungünstige Voraussetzungen für Tempojagden am Limit, die dann am Ende auch scheitern mussten. Bei den Männern ging man das Rennen in aberwitzigen 13:48 an und lag damit auf Kurs von 1:56:27 – 6 1/2 Minuten unter dem Weltrekord – . Den Halbmarathon passierte man nach (geplanten!) 61 Minuten. Und auch die Frauen, d.h. Mary Keitany (KEN) sowie Tirunesh Diaba (ETH), legten ähnlich flott unter der Fabel-Weltrekordzeit von Paula Radcliffe (2:15:25) los, wobei nach 15 km Dibaba zurückfiel und Keitany die halbe Distanz in 1:07:17 erreichte.Die Projektionen als Funktion der Streckenlänge für den Marathon der Männer zeigten in London (schwarze Symbole) und Dubai (rote Symbole) sehr unterschiedliche Rennverläufe. Zum Vergleich Berlin im Jahr 2014 mit dem aktuellen Weltrekord. Fazit: Ideales Pacing in Dubai bis 30 km, viel zu schneller Beginn (angesichts der äußeren Bedingungen) in London. (c) H. Winter
In beiden Fällen konnten die Jagden auf dem anspruchsvollen Kurs in London nicht gutgehen. Eliud Kipchoge widerstand dem Leistungsabfall in 2:04:17 noch am besten und Mo Farah zog sich als Dritter bei seinem zweiten Marathon mit britischen Rekord von 2:06:21 beachtlich aus der Affäre. Ein Kuriosum am Rande war der verzögerte Start des Rennens der Männer um 11 Sekunden, was dem Startsignal durch die Queen aus der Ferne von Schloß Windsor aus geschuldet war. Diese für London eigentlich undenkbare Verzögerung des sonst sekundengenauen Starts brachte die Organisation so durcheinander, dass zunächst zu langsame Zeiten für die besten Männer bekannt gemacht wurden.
In einem klug eingeteilten Rennen gewann Vivian Cheruiyot den London Marathon. (c) H. Winter
Im Rennen der Frauen konnte es Keitany ihrem schnellen Landsmann nicht nachmachen, sie brach gewaltig ein und wurde nach 36 km von Vivian Cheruiyot (KEN) überholt, die sich mit einer pefekten Renneinteilung den Sieg in 2:18:31 sicherte. Schneller als die ehemalige Weltklasseläuferin auf der Bahn war im Jahr 2018 bisher keine Athletin unterwegs. Somit wurde zumindest in der Welt-Jahresbestenliste im Marathon der Frauen die Spitzenposition nicht in den Vereinigten Arabischen Emiraten erzielt.
Eliud Kipchoge und Vivian Cheruiyot gewannen den London Marathon. (c) H. Winter
Beim Hamburg Marathon am 29. April gewann Solomon Deksisa (ETH) in 2:06:34 und Philipp Pflieger löste in 2:13:39 die Fahrkarte für den EM-Marathon im August in Berlin. Zur gleichen Zeit wurde in Düsseldorf Tom Gröschel in 2:15:20 deutscher Marathon-Meister, und während sich die Männerspitze verlief und wertvolle Zeit einbüßte, schaffte die Weissrussin Volha Mazuronak in 2:25:25 einen Streckenrekord. Am 8. Mai verzichtete man beim traditionsreichen 25 km durch Berlin bereits zum zweiten Mal auf Eliteathleten und verabschiedete sich damit in die (leistungssportliche) Zweitklassigkeit.
Dafür konnte der Prag Marathon durch die kurzfristige Verpflichtung des US-Stars Galen Rupp für Aufsehen sorgen. Rupp war drei Wochen zuvor früh beim Boston Marathon ausgestiegen und bot auf dem Kurs am Ufer der Moldau eine Galavorstellung, die er mit persönlicher Bestzeit von 2:06:07 abschloss. Gleichfalls eine Topzeit konnte Gelete Burka (ETH) bei der 44. Ausgabe des Scotia Bank Ottawa Marathon mit 2:22:17 erzielen, nie lief eine Frau auf kanadischem Boden schneller.
Galen Rupp gewann den Prag Marathon in persönlicher Bestzeit. (c) RunCzech/Screenshot
Somit war auch die erste Hälfte des Jahres 2018 im Straßenlaufs wieder ausgesprochen ereignisreich, wobei man – wie schon seit Jahren – in den bundesdeutschen Medien von diesen Entwicklungen nur wenig mitbekam. Diese kümmerten sich in der Sportberichterstattung fast ausschließlich um “König” Fußball, und es steht zu befürchten, dass das auch im zweiten Halbjahr kaum anders wird. Dabei stehen mit den Weltrekord-Jagden in Berlin (Eliud Kipchoge vs. Wilson Kipsang) oder den (Landesrekord-)Jagden in Chicago (Galen Rupp, Mo Farah, Suguru Osako) schon jetzt Höhepunkte ins Haus, die man nicht verpassen sollte. Der Berlin Marathon findet bereits am 16. September statt, in Chicago startet man in alter Tradition am ersten Oktober-Wochenende, dem 7. Oktober 2018.
Nachstehend sind die TOP10-Listen im Halbmarathon sowie Marathon der Männer und Frauen gelistet. Diese Listen werden vollständig von Läufern aus Kenia und Äthiopien dominiert! Interessant ist allerdings die erhebliche Asymmetrie der beiden Nationen im Halbmarthon und Marathon. Während der Halbmarathon deutlich von kenianischen Athleten beherrscht wird (Männer: Kenia : Äthiopien = 7 : 3, Frauen: 9 : 1) ist das Verhältnis im Marathon fast genau invertiert (Männer: Kenia : Äthiopien = 2 : 8, Frauen 2 : 8).
Weltjahresbestenliste 2018 Halbmarathon Männer (Quelle: IAAF) | |||||
1. | 58:42 | Bedan KAROKI | KEN | Ras Al Khaimah | 9.2. |
58:42 | Erick KIPTANUI | KEN | Berlin | 8.4. | |
3. | 59:00 | Jemal Yimer MEKONNEN | ETH | Ras Al Khaimah | 9.2. |
4. | 59:06 | Alex KIBET | KEN | Ras Al Khaimah | 9.2. |
59:06 | Daniel KIPCHUMBA | KEN | Stresa | 15.4. | |
6. | 59:07 | Mang’ata NDIWA | KEN | Stresa | 15.4. |
7. | 59:19 | Josphat BOIT | KEN | Stresa | 15.4. |
8. | 59:36 | Jorum OKOMBO | KEN | Ras Al Khaimah | 9.2. |
59:36 | Morris GACHAGA | KEN | Ras Al Khaimah | 9.2. | |
10. | 59:37 | James RUNGARU | KEN | Den Haag | 11.3. |
Weltjahresbestenliste 2018 Marathon Männer (Quelle: IAAF) | |||||
1. | 2:04:00 | Mosinet GEREMEW | ETH | Dubai | 26.1. |
2. | 2:04:02 | Leule GEBRSELASSIE | ETH | Dubai | 26.1. |
3. | 2:04:06 | Tamirat TOLA | ETH | Dubai | 26.1. |
3. | 2:04:06 | Asefa MENGSTU | ETH | Dubai | 26.1. |
5. | 2:04:08 | Sisay LEMMA | ETH | Dubai | 26.1. |
6. | 2:04:15 | Birhanu LEGESE | ETH | Dubai | 26.1. |
7. | 2:04:17 | Eliud KIPCHOGE | KEN | London | 22.4. |
8. | 2:04:44 | Seyefu TURA | ETH | Dubai | 26.1. |
9. | 2:04:49 | Tola SHURA KITATA | ETH | London | 22.4. |
10. | 2:05:30 | Dickson CHUMBA | KEN | Tokyo | 25.2. |
Weltjahresbestenliste 2018 Halbmarathon Frauen (Quelle: IAAF) | |||||
1. | 1:04:52 | Fancy CHEMUTAI | KEN | Ras Al Khaimah | 9.2. |
2. | 1:04:55 | Mary KEITANY | KEN | Ras Al Khaimah | 9.2 |
3. | 1:05:04 | Joan Chelimo MELLY | KEN | Prag | 7.4. |
4. | 1:05:07 | Caroline KIPKIRUI | KEN | Ras Al Khaimah | 9.2. |
5. | 1:05:37 | Joan Chelimo MELLY | KEN | Ras Al Khaimah | 9.2. |
6. | 1:06:09 | Caroline KIPKIRUI | KEN | Prag | 7.4. |
7. | 1:06:11 | Netsanet GUDETA | ETH | Valencia | 24.3. |
8. | 1:06:22 | Ababel YESHANEH | ETH | Istanbul | 8.4. |
9. | 1:06:39 | Ruti AGA | ETH | Houston, TX | 14.1. |
10. | 1:06:46 | Joyciline JEPKOSGEI | KEN | Ras Al Khaimah | 9.2. |
Weltjahresbestenliste 2018 Marathon Frauen (Quelle: IAAF) | |||||
1. | 2:18:31 | Vivian J. CHERUIYOT | KEN | London | 22.4. |
2. | 2:19:17 | Roza Dereje BEKELE | ETH | Dubai | 26.1. |
3. | 2:19:30 | Boru Feyse TADESE | ETH | Dubai | 26.1. |
4. | 2:19:36 | Yebrgual MELESE | ETH | Dubai | 26.1. |
5. | 2:19:51 | Birhane DIBABA | ETH | Tokyo | 25.2. |
6. | 2:19:53 | Debele DEGAFA | ETH | Dubai | 26.1. |
7. | 2:20:13 | Haftamnesh TESFAYE | ETH | Dubai | 26.1. |
2:20:13 | Brigid J. KOSGEI | KEN | London | 22.4. | |
9. | 2:20:45 | Gelete BURKA | ETH | Dubai | 26.1. |
10. | 2:21:19 | Ruti AGA | ETH | Tokyo | 25.2. |