Mit sensationellen Ergebnissen endete die 122. Ausgabe des legendären Boston Marathon, denn – wie schon fast ein wenig erwartet – erlebten die Sieg gewohnten afrikanischen Läufer bei Dauerregen und scharfem Gegenwind ein Desaster und mit Desiree Linden (USA) bei den Frauen und dem japanischen Lauf-Unikum Yuki Kawauchi gewannen jeweils ausgesprochene Außenseiter. Damit gewann nach Lisa Weidenbach bei den Frauen seit 1985 erstmals wieder eine US-Läuferin in Boston, bei den Männern war es letztmals für einen Japaner der lengendäre Toshihiko Seko in den Jahren 1981 und 1987 (Kawauchis Geburtsjahr!). Eine der schlimmsten Wetterkonstellationen in der Geschichte der Veranstaltung, Dauerregen und Gegenwind mit Geschwindigkeiten bis 40 km/h, machten den Lauf von Hopkinton ins Stadtzentrum von Boston zu einem “Survial of the fittest”.
Und da war der eigenwillige Japaner sicher ein erster Anwärter auf eine vordere Platzierung. Unvergessen ist sein Auftritt bei fast noch unmenschlicheren Bedingungen beim Zürich Marathon im Jahr 2016, wo zu Regen und Wind auch noch Schnee- und Hagelschauer kamen. Yuki meisterte den Kampf gegen die Elemente in 2:12 Stunden, was schon damals ungläubiges Erstaunen hervorrief. Und als der wackre Japaner zu Neujahr sich bei Temperaturen um -15°C beim Marshfield Marathon unweit von der Boston Marathon Strecke (die hatte er auch noch getestet) auf unter 2:20 Stunden quälte, war klar, über welchen Kampfeswillen dieser späte Nachfahre der Samurais verfügt.
Mit einem schnellen ersten Kilometer von 2:44 lockte Yuki die Konkurrenz. (c) OlympicChannel/Screenshot
Dazu kam heute auf dem Boston-Kurs noch eine geniale Renntaktik, die mit einem schnellen Start von 2:44 Minuten für den ersten Kilometer und einer ersten Meile von 4:37 die Konkurrenz schon früh zum schnellen Mitlaufen zwang. So wurden trotz des Sauwetters 5 km schon nach 15:01 passiert, womit man auf Kurs zu 2:06:44 lag. Im Gegensatz dazu zeigten die Frauen höchsten Respekt und erreichten die 5 km erst nach 19:17 und 10 km nach 37:07. Noch vor der 10 km-Marke in 30:15 schien der Japaner schon sein Pulver verschossen zu haben, denn nicht zum ersten Mal fiel er nach einem schnellen Start aus der Spitze zurück.
Das Tempo vorne machte nun einer der Favoriten und schnellsten Läufer im Feld, Tamirat Tola (ETH). Doch nach 13 km hatte Yuki wieder Anschluss an die Spitze gefunden, in der nun 14 Läufer zusammenlagen. Der deutsche Starter Anre Gabius scheint in der Tat nur Marathonläufe in Frankfurt beenden zu können, denn er lag hier schon weit zurück und wurde an den Matten bei 15 km nicht mehr registriert. Bei der Spitze sah das anders aus, für die wurde 46:25 gemessen, mit 16:10 für die letzten 5 km war die Fahrt nun langsamer geworden.
Den Halbmarathon passierte man nach 1:05:59 und 25 km nach 1:19:04, wo es wieder Yuki war, der sich absetzen konnte und das Verfolgerfeld in die Länge zog. Eine rennentscheidende Entwicklung vollzog sich dann nach knapp 28 km, wo der Vorjahressieger und amtierende Weltmeister Geoffrey Kirui (KEN) zum Angriff blies und sich schnell deutlich vom Rest der Mitstreiter absetzen konnte. Bei 30 km in 1:34:58 hatte Kirui mit seinem schnellen Antritt einen Vorsprung von fast einer halben Minute auf das Trio Kawauchi, Abdi Nageeye (NED) sowie Shadrack Biwott (USA) herausgelaufen.Einer der Mitfavoriten Galen Rupp (USA) lag hier über eine Minute zurück und stieg bald darauf aus. Als Asthmatiker machte ihm das fürchterliche Wetter schwer zu schaffen.
Nach 2:09 Stunden holte Kawauchi den enteilten Kirui ein und lief zum Sieg. (c) Olympic Channel/Screenshot
Dies sah beim Führenden Kirui ganz anders aus, der hielt das Tempo hoch und hatte bei 35 km in 1:50:49 mit Kurs auf 2:13:36 einen Vorsprung auf die Verfolger von 1 1/2 Minuten, wobei sich Yuki schon auf Platz 2 etwas von Biwott und Negeeye absetzen konte. Kirui, der seine weiße Überjacke anbehielt, passierte 40 km mach 2:08:22. Doch die Wiederholung seines Siegs vom Vorjahr geriet nun in Frage, denn mit 2:08:42 war Kawauchi dem Kenianer mit schnellen Schritten näher gekommen. Yuki brauste kurz darauf schnell am Kenianer vorbei und “flog” gegen den Wind davon. Kirui war ein geschlagener Mann, der damit kämpfte einigermaßen mit Anstand (und auf Platz 2) ins Ziel zu kommen.
Yuki Kawauchi (JPN) gewann sensationell den Boston Marathon 2018. (c) OlympicChannel/Screenshot
Yuki ließ sich den größten Sieg in seiner schon heute eindrucksvollen Karriere nicht mehr nehmen und gewann in 2:15:58 den ersten “großen” Marathon in seiner Laufbahn. Dabei spielte ihm sicher das Wetter in die Karten, das fast zu einem Total-Ausfall der afrikanischen Elite führte. Aber dies soll die außergewöhnliche Leistung des Amateur-Läufers nicht schmälern. Hatte Yuki bisher schon Kultstatus in seinem Heimatland, so dürfte ihn der Sieg beim Boston Marathon dort wohl endgültig unsterblich machen. Auf den beiden letzten Kilometern nahm Yuki dem Vorjahressieger Kirui fast 2 1/2 Munuten ab, der 2:18:23 lief und dabei von der 40 km-Marke bis ins Ziel geschlagene 10 Minuten und eine Sekunde brauchte. Er war also im Sinne des Wortes “platt”. Yuki lief diese Segment in der Bostoner Innenstadt in 7:16 Minuten deutlich flotter. Versüsst wird ihm seine Leistung durch ein Preisgeld von 150.000 US$.
Danach wirbelten die äußeren Bedingungen das Ranking gewaltig durcheinander. Platz 3 ging an Shadrack Biwott (USA) in 2:18:35 und auch die weiteren Positionen wurden durch US-Boys erlaufen. Tyler Pennel (2:18:57), Andrew Bumbalough (2:18:57) und Scott Smith (2:21:47). Bester Europäer wurde Abdi Nageeye (NED) auf Platz 7 in 2:23:16. Im Vorausblick auf den kommenden Sonntag könnte sich die fast einmalige Konstellation entwickeln, dass die Frauen in inem anderen Rennen der World Marathon Majors in London schneller agieren als die Männer in Boston. Mary Keitany und Tirunesh Dibaba ist das mit männlichen Tempomachern sowie guten Bedingungen durchaus zuzutrauen.Auch der Sieg von Desiree Linden war eine große Überraschung.
Die Frauen gingen das Rennen wesentlich moderater an als die Männer. 19:17 bei 5 km und 37:07 bei 10 km wäre für viele der Topläuferinnen ein Jogging-Tempo, bei besseren Bedingungen. Noch 13 Läuferinnen waren bei 15 km in 56:15 und 1:15:45 bei 20 km vorne dabei, die Hälfte wurde nach 1:19:41 erreicht. Kurz darauf war es die Äthiopierin Mamitu Daska, die während Wolkenbruch ähnlicher Regenfälle die Flucht nach vorne suchte, was ihr bei 25 km in 1:33:48 einen Vorsprung von einer halben Minute vor einer achtköpfigen Verfolgergruppe einbrachte.
Während Daska auch bei 30 km in 1:52:32 immer noch in Führung lag, hatte sich hinter ihr ein Verfolgerduo aus Gladys Chesir (KEN) und Desiree Linden (USA) formiert, welches dort noch 25 Sekunden zurücklag, aber schnell näher kam. Nach gut 33 km konnte zunächst Chesir und dann auch Linden Chesir einholgen, die die letzte Meile in nur noch 6:53 Minuten lief, das sind etwa 4:15 pro km. Bis gut 35 km in 2:12:22 liefen Chesir und Linden noch zusammen, dann setzte sich Linden ab und gewann mit der schwächsten Siegerzeit seit 40 Jahren in 2:39:54. Chesir war so entkräftet, dass sie sogar noch kurz vor dem Ziel ausstieg.
Auch bei den Frauen wurde das Klassement noch gewaltig durcheinandergewirbelt. Auf Platz 2 lief sich Sarah Sellers (USA) in 2:44:04 vor, und auch Platz 3 mit Krista Duchene (CAN) in 2:44:20 war ein Name, den man im Vorfeld nicht auf dieser Position erwartet hätte. Die Siegerin des letzten New York City Marathon Shalane Flanagan (USA) landete abgeschlagen auf Platz 7 in 2:46:31, lief aber immerhin durch. Und noch schlechter erging es der Vorjahressiegerin Edna Kiplagat (KEN), die auf Platz 9 in 2:47:14 die “Ehre” der Afrikanerinnen hoch hielt. Es steht aber außer Frage, dass sich am kommenden Wochende in London die Dinge schon wieder in Richtung Normalität entwickeln werden.
Ergebnisse Marathon der Männer: | |||
1. | Kawauchi, Yuki | JPN | 2:15:59 |
2. | Kirui, Geoffrey | KEN | 2:18:23 |
3. | Biwott, Shadrack | USA | 2:18:35 |
4. | Pennel, Tyler | USA | 2:18:57 |
5. | Bumbalough, Andrew | USA | 2:19:52 |
6. | Smith, Scott | USA | 2:21:47 |
7. | Nageeye, Abdi | NED | 2:23:16 |
8. | Kibet, Elkanah | USA | 2:23:37 |
9- | Coolsaet, Reid | CAN | 2:25:02 |
10. | Vassallo, Daniel | (USA | 2:27:50 |
Ergebnisse Marathon der Frauen: | |||
1. | Linden, Desiree | 2:39:54 | USA |
2. | Sellers, Sarah | 2:44:04 | USA |
3. | Duchene, Krista | 2:44:20 | CAN |
4. | Hyland, Rachel | 2:44:29 | USA |
5. | Chichester, Jessica | 2:45:23 | USA |
6. | Dimercurio, Nicole | 2:45:52 | USA |
7. | Flanagan, Shalane | 2:46:31 | USA |
8. | Reed, Kimi | 2:46:47 | USA |
9. | Kiplagat, Edna | 2:47:14 | KEN |
10. | Yoshitomi, Hiroko | 2:48:29 | JPN |
11. | Thompson, Joanna | 2:48:31 | USA |
12. | Mcmahan, Dot | 2:48:57 | USA |
13. | Jackson, Veronica | 2:49:41 | USA |
14. | Snelson, Rebecca | 2:49:50 | USA |
15. | Vido, Margaret | 2:50:11 | USA |