Nachdem der Bank of America Chicago Marathon in den letzten beiden Jahren durch die Tempomacher-freien Rennen bei den Männern kaum noch für Schlagzeilen sorgte, hat sich das Team um Race Director Carey Pinkowski zum 40. Jubiläum mächtig ins Zeug gelegt und sowohl national als auch international ein in der Tat hochklassiges Feld für die Läufe in der Windy City am 8. Oktober verpflichten können. Dabei ist vor allem bemerkenswert, welche höchstkarätigen Nachmeldungen die Veranstalter soeben bekanntgegeben haben. Aus der Liste der Athleten von absoluter Weltklasse ragen die Lauflegende Tirunesh Dibaba (ETH) sowie der aktuelle Inhaber des Marathon-Weltrekords bei den Männern, Dennis Kimetto (KEN), heraus. Die beiden Ausnahmekönner der Laufszene treffen auf die “Titelverteidiger” aus dem letzten Jahr; bei den Männern ist das Doppel-Weltmeister Abel Kirui (KEN), bei den Frauen die Ex-Weltrekordlerin im Halbmarathon Florence Kiplagat (KEN). Dazu kommen jetzt noch aktuell einer der schnellsten Marathonläufer Stanley Biwott (KEN), der Silbermedaillen-Gewinner von Rio 2016 Feyisa Lelisa (ETH), Bernard Kipyego sowie Ezekiel Chebii (beide KEN).
Mit hohen Erwartungen kann man in Chicago die Vorstellung von Tirunesh Dibaba bei dem dritten Marathon ihrer Karriere erwarten. Schon in ihrem zweiten Lauf über diese Distanz in London lief sie trotz Pausen wegen Magenproblemen mit 2:17:56 eine großartige Zeit, mit der sie als drittschnellste Marathon-Läuferin aller Zeiten fungiert. Nur Paula Radcliffe (2:15:25) und Mary Keitany bei ihrem “Nur-Frauen-Weltrekord” in 2:17:01 waren jemals schneller. Es ist nicht auszuschließen, dass Dibaba auf der schnellen Strecke in Chicago in die Regionen von Keitanys Zeit laufen kann. Dann käme auch der Streckenrekord bei den Frauen in Chicago in Gefahr, den Radcliffe bereits 2002 mit 2:17:18 bei eiskaltem Wetter aufstellte.
Die 32-jährige dreifache Olympiasiegerin und Weltmeisterin über 10000 m war noch einmal bei der WM in London vor gut einer Woche auf der Bahn am Start und gewann recht überzeugend Silber. Während man bei den Männern nach eindrucksvollen Jahren der Verbesserung des Streckenrekords seit zwei Jahren auf Tempomacher verzichtete – mit fatalen Folgen für die Leisrungsbilanz un die Siegerzeiten -, konnten sich die besten Frauen an Männern nationaler Leistungsklasse orientieren. Zudem wurde bei der Bekanntgabe des Starts von Dibaba im Rahmen der WM in London angedeutet, dass etliche (männliche) Pacer die äthiopische Ausnahmeläuferin unterstützen sollen.
Tirunesh Dibaba (ETH) will beim Chicago Marathon Anfang Oktober auf Rekordjagd gehen. (c) H. Winter
Die größte Konkurrenz dürfte Dibaba durch die Vorjahressiegerin Florence Kiplagat erwachsen, die im letzten Jahr in schnellen 2:21:32 in Chicago gewann. Ihre Bestzeit datiert aus dem Jahr 2011, wo sie in Berlin 2:19:44 lief. Ihr Weltrekord im Halbmarathon von 1:05:09 wurde in diesem Jahr von zwei Kenianerinen gleich zweimal unterboten. Valentine Kipketer (KEN) wurde in 2:23:41 in Chicago Dritte. Nach einer Babypause meldete sich Kipketer mit einem sechsten Platz beim Boston Marathon im April zurück. Ihre persönliche Bestzeit von 2:23:02 stellte sie beim Amsterdam Marathon im Jahr 2013 auf.
Ferner zu beachten sind Madaí Pérez (MEX), deren Bestzeit von 2:22:59 allerdings schon 10 Jahre zurückliegt , sowie Lisa Weightman (AUS), die in diesem Jahr in London 2:25:15 lief. Aus dem Land der Veranstalter ist der Shooting Star der US-Laufszene am Start. Die 25-jährige Jordan Hasay (USA) lief bei ihrem Marathon-Debüt in Boston im April eindrucksvolle 2:23:00. Brigid Kosgei (KEN) wurde im letzten Jahr in Lissabon in 2:24:54 Zweite, kürzlich gewann sie afu 2400 m Seehöhe den Halbmarathon in Bogota.
Elitefeld der Frauen:
Tirunesh Dibaba (ETH) Florence Kiplagat (KEN) Madaí Pérez (MEX) Jordan Hasay (USA) Valentine Kipketer (KEN) Brigid Kosgei (KEN) Lisa Weightman (AUS) Karolina Nadolska (POL) Jessica Draskau Petersson (DEN) Becky Wade (USA) Rocio Cantara Rojas (PER) |
2:17:56 (London, 2017) 2:19:44 (Berlin, 2011) 2:22:59 (Chicago, 2006) 2:23:00 (Boston, 2017) 2:23:02 (Amsterdam, 2013) 2:24:54 (Lissabon, 2016) 2:25:15 (London, 2017) 2:26:31 (Osaka, 2014) 2:30:07 (Chicago, 2015) 2:30:41 (Sacramento, 2013) 2:37:05 (New York, 2015) |
Marathon-Weltrekordler Dennis Kimetto (KEN) will in Chicago wieder an sein früheres (sehr hohe) Leistungsniveau anknüpfen. (c) H. Winter
Bei den Männern ist das Feld in der Spitze gleichfalls bestens besetzt. Immerhin ist mit Dennis Kimetto der amtierende Weltrekordhalter am Start, dessen Rekordmarke von 2:02:57 vom Berlin Marathon 2014 allen Angriffen in der letzten Zeit standgehalten hatte. Dabei kamen allerdings Kenenisa Bekele mit 2:03:02 in Berlin 2016 und Eliud Kipchoge mit 2:03:05 in London 2016 dieser Zeit sehr nahe. Kimetto ist der Streckenrekordhalter in Chicago, wo er 2013 in 2:03:45 gewann. Nach dem Weltrekord kam Kimetto nicht mehr an das Rekordregime heran und stieg mehrfach aus. Immer wieder plagten ihn Verletzungen.
Eine der prominenten “Nachmeldungen” in Chicago: Stanley Biwott (KEN). (c) H. Winter
Soeben wurde u.a. der Weltklasseläufer Stanley Biwott (KEN) von den Organisatoren als weiterer Starter in Chicago bekanntgemacht. Biwott ist zum ersten Mal in der Windy City dabei und lief seine Bestzeit von 2:03:51 im Duell mit Eliud Kipchoge beim London Marathon 2016. 2015 gewann Stanley den New York City Marathon. Feyisa Lilesa (ETH) gewann bei Olympia in Rio 2016 die Silbermedaille im Marathon, bereits mit 20 Jahren lief er in Rotterdam eine Zeit von 2:05:33, die er 2012 im Duell mit Tsegaye Kebede beim Chicago Marathon auf 2:04:52 steigerte. Vor allem seine Zieleinläufe mit gekreuzten Oberarmen als Protest gegen die politischen Verhältnisse in seiner Heimat machten in über die Grenzen des Laufsports bekannt.
Bernard Kipyego (KEN) wurde bereits im Jahr 2011 Dritter in Chicago, im Jahr 2012 noch einmal Sechster. Fünfmal blieb er bisher unter 2:07 Stunden, seine Bestzeit stellte er bei seinem Sieg beim Amsterdam Marathon mit 2:06:19 auf. Ezekiel Chebii (KEN) gewann zweimal den Marathon in Madrid, 2016 wurde beim schnellen Rennen in Amsterdam Fünfter in 2:06:07. Im Frühjahr gewann er in Japan den Lake Biwa Marathon.
Die Rennen der Männer waren in Chicago stark durch die Entscheidung geprägt, in den letzten beiden Jahren keine Tempomacher mehr einzusetzen. Dies hatte tiefgreifende Konsequenzen für die Siegerzeiten, die stark nachließen. Im letzten Jahr siegte der Ex-Doppel-Weltmeister Abel Kirui (KEN) in (nur) 2:11:23 in einem spannenden Duell gegen seinen Landsmann Dickson Chumba. Beim London Marathon im April konnte er im letzten Drittel der Spitze nicht mehr folgen und wurde in 2:07:45 Vierter. Ob es in diesem Jahr wieder Tempomacher geben wird, wurde von Veranstalter bisher nicht bestätigt.
Von “Hasen” könnte auch Zersenay Tadese (ERI) profitieren, der immer noch den Weltrekord über die halbe Marathon-Distanz hält. Tadese hat zwar nur eine offizielle Bestzeit von 2:10:41 im Marathon, konnte aber im Rahmen des “Breaking2”-Projekts in 2:06:51 erstmals sein Potential auf den vollen Marathon umsetzen, auch wenn diese Zeit mit unerlaubter Schrittmacherhilfe erzielt wurde. Auch bei Topstar Galen Rupp (USA) sollten die 2:09:58 vom diesjährigen Boston Marathon noch lange nicht das Limit darstellen. Somit wird es interessant werden, ob sich die Topathleten in Chicago (mit oder ohne “Hasen”) auf ein flottes Tempo gleich von Beginn verständigen können. Im letzten Jahr war es mit der Tempohatz bereits nach dem ersten Kilometer in 3:18 Minuten fast schon vorbei.
Weiterhin dabei sind mehrere japanische Läufer, von denen Kohei Matsumura (JPN) mit 2:08:09 vom Tokyo Marathon 2014 die beste Vorleistung mitbringt. Steigerungsfähig sind sicher die Marathon-Leistungen von Sam Chelanga (2:12:54) sowie Stephen Sambu (2:13:35). Sambu hat immerhin eine Bestzeit von 26:54,61 über 10000 m und 1:00:41 im Halbmarathon.
Elitefeld der Männer:
Dennis Kimetto (KEN) Stanley Biwott (KEN Feyisa Lelisa (ETH) Abel Kirui (KEN) Ezekiel Chebii (KEN) Bernard Kipyego Kohei Matsumura (JPN) Galen Rupp (USA) Luke Puskedra (USA) Zersenay Tadese (ERI) Jeffrey Eggleston (USA) Yuki Takamiya (JPN) Jordan Chipangama (ZAM) Chihiro Miyawaki (JPN) Ryoichi Matsuo (JPN) Sam Chelanga (KEN) Stephen Sambu (KEN) |
2:02:57 (Berlin, 2014) 2:03:51 (London, 2016) 2:04:52 (Chicago, 2012) 2:05:04 (Rotterdam, 2009) 2:06:17 (Amsterdam, 2016) 2:06:19 (Amsterdam, 2015) 2:08:09 (Tokyo, 2014) 2:09:58 (Boston, 2017) 2:10:24 (Chicago, 2015) 2:10:41 (London, 2012) 2:10:52 (Gold Coast, 2014) 2:10:57 (Tokyo, 2016) abgesagt 2:11:35 (Duluth, 2015) abgesagt 2:11:50 (Tokyo, 2014) 2:12:11 (Nobeoka, 2014) 2:12:54 (Houston, 2015) 2:13:35 (Chicago, 2016) |
Neben den aktiven Topläufern hat man auch die Champions früherer Jahre eingeladen, zu denen Steve Jones, Sieger von 1984 und1985, Khalid Khannouchi, Sieger in 1997, 1999, 2000 und 2002, Catherine Ndereba, Siegerin in 2000 und 2001, Paula Radcliffe, Siegerin in 2002 mit Weltrekord und Deena Kastor, Siegerin in 2005, zählen. Alle diese Legenden des Straßenlaufs werden auf der Läufermesse im McCormick Place, beim 5 km Lauf am Samstag und während des Rennens vor Ort sein.