NIKE Breaking2 in Monza am 6. Mai 2017: “Mission impossible” für überragenden Kipchoge

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Mit einer überragenden Vorstellung des Kenianers Eliud Kipchoge ging heute früh der Marathon im Rahmen des Breaking2-Projekts im Autodrome von Monza über die Bühne. Zwar verfehlte der Ausnahmeathlet das gesetzte Ziel von einer Zeit von unter 2 Stunden auf den letzten Kilometern mit 25 Sekunden noch deutlich, aber es stet außer Frage, dass seine Leistung zu den Sternstunden des Laufsports zu zählen ist. Wie außergewöhlich seine Leistung auf dem sonst den Formel1-Boliden vorbehaltenen Kurs war, belegt auch das Abschneiden seiner beiden Mit-Kontrahenten Lelisa Desisa (ETH) sowie Zersenay Tadese (ERI), die dem Höllentempo schon vor Erreichen der Hälfte der Distanz Tribut zollen mussten und zurückfielen. Organisert war das Event in Monza nahezu müstergültig, Kosten dürften bei der Konzeption kaum eine Rolle gespielt haben. Man kann nur erahnen, was es schon allein gekostet haben mag, alle diese Celebrities von Paula Radcliffe, Carl Lewis, Shalane Flanagan, Joan Samuelson, etc., etc. nach Monza zu karren, wobei diese Damen und Herren kaum auf den hinteren Sitzen einer Economy Class Platz genommen haben dürften.

breaking2-monza-2017-pace-car-1-33hEliud Kipchoge hinter dem Führungsfahrzeug und seinen Tempomachern. (c) Breaking2

Zunächst lief für alle Läufer das Rennen optimal, sechs Tempomacher bildeten einen Keil, mit dem sie die drei Hauptakteure abschirmten. Nach 5 km in 14:14 lag man auch dank des mechanischen Tempomachers (ein Fahrzeug der Fa. Tesla) mit einer Projektion von 2:00:07 bestens auf Kurs. Danach wurde die Fahrt sogar schneller und 10 km nach bereits 28:21 erreicht; mit einer solchen Zeit gewinnt man viele Rennen über diese Distanz. Man war nun auf 1:59:37 und 6 Sekunden unter dem Split für die 2 Stunden. Bei nahezu idealen Bedingungen mit Temperaturen um 12°C, einem Taupunkt um 6°C und schwachem Wind mit 0,6 km/h war aber bei Desisa zu sehen, dass er am Limit lief. Vor allem Kipchoge sah hier noch ausgeprochen locker aus.

Auch bei den 15 km war man mit 42:34 bestens im Soll mit Kurs auf 1:59:58. Bevor die Gruppe die 20 km erreichte, entschied sich das Rennen bereits für Kipchoges Begleiter. Nach 51 Minuten fiel Desisa schnell zurück, 8 Minuten später war es auch um Tadese geschehen. Beide wurden sofort mit einem Pulk von Tempomachern versehen (18 waren insgesamt gemeldet) und liefen weiter. Vorne ereichte Kipchoge nun allein (plus Tempmachern) die 20 km nach 56:49 mit Kurs auf 1:59:52, die Hälfte war in nahezu perfekten 59:57 erreicht.

Während Desisa und Tadese immer weiter zurückfielen, spulte vorne Kipchoge im Sinne des Wortes seine Runden herunter. 25 km nach 1:11:03 wären bei Regel konformer Konzeption neuer Weltrekord über diese Distanz gewesen. Der Marathon-Weltrekordler Dennis Kimetto schaffte 2012 bei den BIG25 in Berlin 1:11:18. Auch für 30 km blieb Kipchoge, nun schon sehr deutlich, mit 1:25:20 und einer Projektion von fast exakt 2 Stunden unter dem aktuellen Weltrekord, den Wilson Kipsang im September beim Berlin Marathon mit 1:27:13 als Durchgangszeit erzielte. Bis 35 km in 1:39:34 lag Kipchoge mit einer Projektion von 2:00:02 bestens im Soll, und die wohl selektierte Zuschauerschar am Streckenrand witterte nun die große Sensation.

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Nach gut 1 1/2 Stunden ist nur Kipchoge von den Topathleten übrig geblieben. (c)Breaking2

Nach 1:40 Stunden hatte Kipchoge seinem Mitstreiter Desisa eine volle 2400 m-Runde abgenommen. Kurz darauf deutete ein Blick ins Gesicht Kipchoges erste Anzeichen von Anstrengung an und Zwischenzeiten von 1:48:10 bei 38 km, 1:51:08 bei 39 km und 1:54:04 bei 40km lagen nun deutlich über den Splits von 2:50 Minuten/km für das 2 Stunden-Regime. Bei 40 km hatte Kipchoge bereits 19 Sekunden auf den 2 Stunden-Schnitt verloren. Es war somit so gut wie ausgeschlossen, die Traummarke zu unterbieten. Bei 41 km in 1:56:59 geriet es nun zur Gewissheit, dass die 2 Stunden-Barriere unangetastet blieb. Warum der Regisseur für den aufwendig produzierten Livestream in den Schlussminuten die laufende Uhrzeit ausblendete,verstehe, wer will. Eliud zog noch einmal, lief den Part von 40 km bis ins Ziel in immer noch sehr guten 6:21 und zerriss das Zielband nach 2:00:25, gut 2 1/2 Minuten unter dem bestehenden Marathon-Weltrekord. Emotional berührend war der anschließende Dank Kipchoge an seine Tempomacher, die in der Tat hochkarätige Arbeit geleistet hatten. Auch als Persönlichkeit ist Eliud eine Ausnahmeerscheinung.

breaking2-monza-2017-siegerinterview1Eliud Kipchoge im Siegerinterview mit der Sportlegende Carl Lewis. (c) Breaking2

Auf seine Mitstreiter musste man nun lange warten, wobei sich Tadese mit einer massiven persönlichen Bestleistung von 2:06:51 noch achtbar aus der Affäre zog. Indiskutabel war da schon die Leistung von Desisa, der 2:14:10 brauchte und seine Leistung auf das fehlende Training im Frühjahr wegen einer Verletzung zurück führte. Finanziell dürfte er allerdings so gut für sein Mitmachen am Projekt belohnt worden sein, dass er das Unterfangen einfach nicht absagen wollte.

Allein die Ausnahmeleistung von Eliud Kipchoge, ohne Zweifel schon heute der größte Marathonläufer aller Zeiten, machte das Unternehmen Breaking2 zu einem großen sportlichen Erfolg und lässt erwarten, dass schon bald “legale” Rennen in das Regime unter 2:02 Stunden vordringen könnten. Für die Laufgeschichte und die Statistiken war die Zeit leider ein Muster ohne Wert, das aber durchaus wichtige Erkenntnisse für die Zukunft geliefert haben mag.

breaking2-monza-2017-celebr-pacemakerDie Temomacher feiern zu Recht Eliud Kipchoge für seine Ausnahmeleistung. (c) Breaking2

Was die ganze Aktion am Ende gebracht haben wird, wird sich erst in der näheren und vor allem weiteren Zukunft zeigen. Für den Initiator dieser weitgehend PR-getriebenen Aktion wird sich die Sache schon heute gelohnt haben. Selten wurde einem Laufsportereignis eine derartige Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlichkeit zu Teil. Bei den läuferischen Hauptakteuren wird nach der Erholung der Blick aufs Bankkonto sicher den Substanzverlust bei einem solch aberwitzigen Unternehmen vergessen machen. Gelohnt haben dürfte sich die ganze Aktion aber sicherlich für den Megakonzern NIKE, dem neben den 2 Stunden und den Topathleten noch mehr das Marketing am Herzen liegen dürfte. Schließlich müssen sich ja die eingesetzten mehreren 10 Millionen US$ am Ende auch amortisieren. Auch dies wird die Zukunft zeigen.

Und zusammenfassend war es schon etwas überraschend, das trotz der zum Einsatz gekommenen (moderaten) Hilfsmittel ein Mensch im Jahr 2017 dieser Traumbarriere im Marathonlauf schon so nahe kommen konnte. Eliuds Optimus im Vorfeld – auch wenn es nicht ganz geklappt hat – war in der Tat nicht unbegründet. Keep on running, Eliud!

Splits und Projektionen Vom Breaking2-Marathon:

 5 km Kipchoge 14:14  14:14 2:00:07
10 km Kipchoge 28:21 14:07 1:59:37
15 km Kipchoge 42:34 14:13 1:59:44 50′ Lelisa zurück
20 km Kipchoge  56:55 14:21  1:59:52  59′ Tadese zurück
 HM Kipchoge  59:57  1:59:54
 25 km Kipchoge  1:11:02  14:07  1:59:53  “WR” 25 km (1:11:18)
 30 km  Kipchoge  1:25:20  14:18  2:00:01  “WR” 30 km (1:27:13)
 35 km  Kipchoge  1:39:34  14:14  2:00:02
 38 km  Kipchoge  1:48:10  2:00:06
 39 km  Kipchoge  1:51:08 2:00:14
40 km Kipchoge 1:54:04 2:00:19
Marathon Kipchoge 2:00:25 Bravo, Eliud!!! Great!!
Tadese 2:06:51
Desisa 2:14:10