71. “Lake Biwa Mainichi Marathon” am 6. März 2016: Ereignisreiche Olympia-Qualifikation der japanischen Marathonelite

lake-biwa-2016-logoZu den vielen Rückschlägen, die die Organisatoren der 71. Ausgabe des “Lake Biwa Mainichi Marathon” im japanischen Otsu am Ufer des größten Binnensees des Landes zu verkraften hatten, u.a. hatten die beiden eingeladenen Athleten mit den schnellsten Vorleistungen kurzfristig abgesagt, kamen dann noch denkbar ungünstige Bedingungen dazu. Eine Wärmefront ließ schon zum Start des Traditionslaufs die Temperaturen auf 20°C steigen, zudem frischte der Wind im Verlauf des Rennens erheblich auf. Was am Ende bei dieser Ausgangslage herauskam, waren beachtliche Leistungen und ein Rennverlauf, der an Dramatik keine Wünsche offen ließ. Bis fast auf die letzten Meter auf der Bahn des Ojiyama Stadions waren der Sieg und vor allem die Olympiaqualifikation der japanischen Marathonmänner offen.

Zwar erreichte der Kenianer Lucas Rotich (KEN) in 2:09:11 als Erster das Ziel, dahinter brachen aber die Japaner erheblich in die Phalanx der eingeladenen Gäste ein. Diese Entwicklung vollzog sich erst in der Endphase, nachdem die Gäste schon bald weit enteilt waren. Entgegen dem Vorhaben wegen der Wärme mit 3:02 Minuten/km-Abschnitten (Halbmarathon: 64 Minuten) etwas moderater anzugehen, legte ein Freizeitläufer und auch der Tempomacher Samuel Kosgei viel zu schnell los, nach 2:52 passierte die Spitzengruppe mit 7 Läufern den ersten km und auch das Feld war mit 2:55 nur unwesentlich langsamer.

Mit unregelmäßigen km-Abschnitten von 3:08, 2:54, 2:59 nd 3:03 erreichte man die 5 km nach 14:57, die Verfolgergruppe mit 73 (!) Läufern lag hier bei 15:03. Daran änderte sich wenig bis zur 10 km-Marke, die die Spitze nach 29:50 (Tempo für 2:05:53) und die noch 62-köpfige Verfolgergruppe mit allen Japanern nach 30:10 erreichte. Die Verfolger waren damit auf Kurs zu 2:07:18, sehr viel versprechend im Kampf um die Qualifikation, zumal in Tokyo am letzten Wochenende der beste Japaner nur 2:10:57 schaffte.

Bald darauf war es mit der “ruhigen” Entwicklung des Rennens vorbei und die Ereignisse überschlugen sich. Nach gut 13 km startete plötzlich der 19-jährige Äthiopier Shura Kitata eine aberwitzige Attacke, mit der er sich schnell von seinen Mitstreitern löste. Mit einem km-Abschnitt von 2:47 war er nun weit in Front. 15 km passierte er nach 44:31 mit Kurs auf 2:05 Stunden, die ehemalige Spitzengruppe kam 15 Sekunden später und die Verfolgergruppe mit 39 Läufern lag bei 45:18 (Kurs zu 2:07:36). Bald danach gab es die ersten Ausfälle. Der Pole Henryk Szost, der in Otsu schon 2:07 gelaufen war, stoppte nach gut 50 Minuten ab und setzte sich deprimiert auf den Bürgersteig. Das Laufunikum Yuki Kawauchi, der im Vorfeld mit seinem Start für viel Wirbel gesorgt hatte, wirkte da schon sehr angestrengt und fiel schnell weit zurück. Wie sich Yuki aber dann später wieder “erholte” und sich noch auf Platz 7 vorarbeitete, gehört sicher auch zu den Facetten dieses immer ereignisreicher werdenden Wettkampfs.

Bei 20 km lag der wie entfesselt laufende Kitata deutlich in Front, mit 5 km-Abschnitten von 14:57, 14:54, 14:40 und 14:45 brauchte er bis hier 59:16. Dies war ein Tempo von 2:04:44, deutlich unter der schnellsten Zeit auf japanischem Terrain (2:05:18) und unter dem Kursrekord von 2:06:13 aus dem Jahr 2011. Doch schon auf  dem  Weg zum Halbmarathon (1:02:39) wurde der Mann an der Spitze langsamer, die km-Abschnitte nach 21 km und 22 km lagen bei 3:03. Bei 25 km in 1:14:26 lag eine Dreiergruppe mit Lucas Rotich, Alphonce Simbu (TAN) und Munyu Mutai (UGA) in 1:15:12 noch 46 Sekunden hinter Kitata. Weitere 17 Sekunden zurück lag der Äthiopier Kassa Mekashaw. Die große japanische Verfolgergruppe hatte sich zunehmend aufgelöst, noch 9 Läufern erreichten 25 km nach 1:15:57. Dabei bekam die Gruppe der Japaner unterwartete Unterstützung vom Tempomacher Sammy Kosgei, der nach 24 km seine Dienste an der Spitze quittierte und sich zurückfallen ließ.

Knapp vor der 30 km-Marke in 1:30:25 hatten Rotich und Simbu den Führenden gestellt, der sich noch kurz wehrte, dann aber einbrach und am Ende in 2:16:09 nur Platz 16 belegte. Dahinter hatte es die Verfolgergruppe weiter zerlegt, in 1:31:37 waren noch 5 Japaner zusammen. Der Abstand zur Spitze betrug gut eine Minute. Auf dem folgenden km trat der Debütant Fumihiro Maruyama an und setzte sich mit einem km-Abschnitt von 2:56 schnell von seiner Gruppe ab, nach 32 km überholte er Mutai und lag damit auf Platz 4. Bei 35 km hatte er sogar Kitata nach 1:46:49 überholt, vorne lagen nach wie vor Rotich und Simbu. Und dahinter hatte sich mit Hisanori Katajima, Suehiro Ishikawa und Takuya Fukatsu ein Trio gebildet, das dort in 1:47:07 gestoppt wurde.lake-biwa-2016-winnerLucas Rotich (KEN) gewann den Lake Biwa Marathon 2016 in 2:09:11.  (c) Veranstalter

Der Sieger würde aus dem Führungsduo kommen, das 40 km nach 2:02:09 passierte. Dahinter war der Kampf um die Fahrkarten nach Rio voll entbrannt. Das Verfolgungstrio löste sich auf und Ishikawa holte nach gut 2 Stunden Maruyama ein und hatte bei 40 km einen Split von 2:02:38, nur 4, 6 und 10 Sekunden lagen seine Landsleute dahinter. An der Spitze konnte sich Rotich von Simbu lösen und gewann den Lauf nach 2:09:11. Damit konnte der Kenianer nach seinem Sieg beim Hamburg Marathon 2015 in 2:07:17 einen weiteren Erfolg in seiner Karriere verbuchen. Dahinter war noch nichts entschieden. Katajima griff sich zwar immer wieder in die Seite, holte aber Ishikawa ein und hatte dabei das Tempo derart erhöht, dass er auch noch Simbu passierte und in 2:09:16 Zweiter wurde. Der Lauf hätte keine Bahnrunde weitergehn dürfen, dann hätte er ihn wohl gewonnen. Seine Bestzeit steigerte der Japaner um gut 3 Minuten.

Simbu rettete sich in 2:09:18 auf Platz 3, Ishikawa wurde Vierter in 2:09:25, Fukatsu Fünfter in 2:09:31. Und dann erreichte auch ein sichtlich erschöpfter Maruyama, dessen kraftvolle Attacke im ersten Marathonlauf zu früh kam, das Ziel nach 2:09:39 auf Platz 6. Vier Japaner unter 2:10 Stunden bei den ungünstigen äußeren Bedingungen waren sicherlich wieder ein Lichtblick nach den sehr durchwachsenen Resultaten bei den anderen Qualifikationsrennen in Fukuoka und Tokyo. Beachtenswert erscheint auch das Leistungsniveau in der Breite. 123 Läufer unterboten eine Zeit von 2:30 Stunden, 200 Läufer erreichten das Ziel, der letzte Aktive wurde nach 2:42:33 registriert.

Für Yuki Kawauchi, der mit seinem Start in Otsu für viel Aufsehens sorgte, liefen die Dinge nicht optimal. Aber Yuki wäre eben nicht Yuki, wenn er nicht auch in solchen Fällen immer wieder unerwartete Ressourcen mobilisiert und sich im Schlußteil gewaltig steigert. Das war in Otsu diesmal nicht anders. Nachdem er aus der Verfolgergruppe herausgefallen war, ging es mit ihm gewaltig nach hinten. Bei 25 km in 1:16:53 war er noch auf Platz 24, um sich bei 30 km in 1:32:50 bereits auf Platz 14 vorzuarbeiten, bei 35 km lag er schon auf Platz 11, bei 40 km (2:04:58) auf Platz 8 und auf der Laufbahn gewann er noch das Prestigeduell gegen Kentaro Nakamoto. Mit einer Zeit von 2:11:53 wurde er Siebter, so schnell war er seit seiner Verletzung vor gut einem Jahr in Barcelona keinen Marathon mehr gelaufen. Es geht für ihn, wenn auch in bescheidenen Schritten, wieder aufwärts.

Durch die beachtlichen Leistungen könnte die Olympiaqualifikation der japanischen Männer noch zu einem guten Ende kommen. Nochmals: Angesichts der schwierigen Bedingungen waren das ganz hervorragende Leistungen und an Spannung sowie Kampfeswillen hat dieser Marathon sicher alles gezeigt, was in diesem Sport steckt. Dass sich direkt nach dem Lauf die JAAF-Verbandsoberen eher enttäuscht zeigten, das mag verstehen, wer will. Für den Marathonlauf war die 71. Ausgabe des Biwako eine tolle Werbung, vor allem, wenn das Geschehen auch noch so großartig umgesetzt wird, wie in der Liveübertragung von NHK.

lake-biwa-2016-second-nhkHisanori Kitajima wurde beim Biwako Zweiter in 2:09:16.  (c) NHK

lake-biwa-2016-results-nhkErste Ergebnisse aus Otsu: 1. Rotich, 2. Kitajima, 3. Simbu, 4. Ishikawa, 5. Fukatsu, 6. Maruyama, 7. Kawauchi.  (c) NHK

Ergebnisse Lake Biwa Marathon 2016 (JRN – Brett Larner):

1. Lucas Rotich (Kenya) – 2:09:11
2. Hisanori Kitajima (Japan) – 2:09:16 – PB
3. Alphonce Felix Simbu (Tanzania) – 2:09:19 – PB
4. Suehiro Ishikawa (Japan) – 2:09:25
5. Takuya Fukatsu (Japan) – 2:09:31 – PB
6. Fumihiro Maruyama (Japan) – 2:09:39 – debut
7. Yuki Kawauchi (Japan) – 2:11:53
8. Kentaro Nakamoto (Japan) – 2:12:06
9. Hiroto Inoue (Japan) – 2:12:56 – debut
10. Soji Ikeda (Japan) – 2:13:27
11. Munyo Solomon Mutai (Uganda) – 2:14:57
12. Takayuki Matsumiya (Japan) – 2:14:58
13. Hideaki Tamura (Japan) – 2:15:00
14. Kiyokatsu Hasegawa (Japan) – 2:15:42
15. Dishon Karukuwa Maina (Kenyan) – 2:15:42

Die besten Zeiten der aktuellen Qualifikation für
das japanische Olympiateam im Marathon
1. Satoru Sasaki 2:08:56 3. Fukuoka 6.12.2015
2. Hisanori Kitajima 2:09:16 2. Otsu 6.3.2016
3. Suehiro Ishikawa 2:09:25 4. Otsu 6.3.2016
4. Takuya Fukatsu 2:09:31 5. Otsu 6.3.2016
5. Fumihiro Maruyama 2:09:39 6. Otsu 6.3.2016
6. Chiharu Takada 2:10:55 5. Fukuoka 6.12.2015
7. Yuki Takamiya 2:10:57 8. Tokyo 28.02.2016
8. Yuta Shimoda 2:11:34 10. Tokyo 28.02.2016
9. Tadashi Isshiki 2:11:45 11. Tokyo 28.02.2016
10. Yuma Hattori 2:11:46 12. Tokyo 28.02.2016
11. Yuki Kawauchi 2:11:48 7. Otsu 6.3.2016
12 Masato Imai 2:12:18 13. Tokyo 28.02.2016
13. Akiyuki Iwanaga 2:12:24 14. Tokyo 28.02.2016
14. Hiroki Yamagishi 2:12:27 15. Tokyo 28.02:2016